Standortpolitik

Position: Mit starkem Hochschul-Transfer in die Zukunft Berlins investieren

Die ideale Welt: Für Hochschulen ist die enge Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft selbstverständlich, sie sind Treiber des innovativen Wachstums am Standort sowie Garant der Fach- und Lehrkräftesicherung. Damit dieses Ideal Wirklichkeit wird, brauchen die Hochschulen passende Rahmenbedingungen, Grundfinanzierung sowie hochschulspezifische Anreize, die sie unterstützen und anspornen. Zentral ist, den Transfer als gleichberechtigte dritte Säule neben Lehre und Forschung aufzuwerten, messbar zu machen und Forschungswissen in Wertschöpfung umzuwandeln.

Mehr Transparenz bei der Identifikation landespolitischer Themen

Der Prozess zur Identifikation von Themen von landespolitisch hohem Interesse zur Bildung strategischer Partnerschaften mit der Wirtschaft sollte so etabliert bzw. angepasst werden (z. B. in hochschulischen Transferstrategien), dass Wirkungen nachvollziehbar werden. Für mehr Transparenz des Transfergeschehens müssen die jährlichen Leistungsberichte der Hochschulen verwaltungsseitig zeitnah eingefordert und bewertet werden. Nur so können Rückschlüsse für Verbesserungen generiert werden, die zukünftige Hochschulverträge aufnehmen.

Transfer als dritte Kernaufgabe verankern

Als wichtige Zukunftsinvestition muss Transfer als dritte Säule bzw. Querschnittsaufgabe gleichberechtigt neben Lehre und Forschung in den Hochschulen verankert und entsprechend finanziert werden. Nur so wird die nötige deutliche hochschul-, wissenschafts- und innovationspolitische Aufwertung erzielt.

Zeitnah Indikatoren-Set entwickeln, das für alle Hochschulen gleichsam gilt

Wichtig ist die zeitnahe Entwicklung eines neuen Indikatoren-Sets, das für Universitäten und HAW gleichsam gilt, hochschulspezifisch angepasst werden kann, Handlungsspielräume lässt und keinen bzw. nur geringfügigen zusätzlichen Erfassungsaufwand verursacht. Die Zielerreichung von Transferaktivitäten wird dadurch hochschulindividuell messbar und setzt echte Praxisanreize. Vorteilhaft sind Kennzahlen, die bereits erhoben werden, z. B. für die Leistungsberichte (Ausgründungen, Patentverwertungen, Drittmittel). Weitere zielführende Indikatoren für die Kooperation mit dem regionalen Mittelstand sollten in gemeinsamer Diskussion ermittelt werden. Die Berliner Wirtschaft steht dafür bereit, so dass bis spätestens Ende 2025 ein Indikatoren-Set entwickelt ist, das ab 2026 in den Testbetrieb geht und rechtzeitig vor den neuen Hochschulvertragsverhandlungen evaluiert wird. So wird sichergestellt, dass aussagekräftige Indikatoren für die leistungsbasierte Hochschulfinanzierung herangezogen werden, die sich in der Praxis bereits bewährt haben.

Dauerhafte Lösungen für Transfer durch Grundfinanzierung schaffen

Damit aus Forschungsergebnissen Produkte oder Dienstleistungen werden, müssen hochschulische Transferstrukturen, -personal und -services grundfinanziert und je nach Zielerreichungsgrad die Aktivitäten basierend auf dem Indikatorensystem zusätzlich honoriert werden. Vor allem für eine steigende Transfer-Bilanz mit der (mittelständischen) Wirtschaft braucht es dauerhafte Lösungen zur nachhaltigen Finanzierung.

KMU-Büros berlinweit etablieren

Die bis Mitte 2025 andauernde Pilotphase des KMU-Büros an der HTW Berlin muss durch eine fortlaufende Evaluation begleitet werden, damit die Ergebnisse frühzeitig für ein berlinweites Ausrollen des niedrigschwelligen, ressourcenschonenden Zugangs für überwiegend kleine und mittlere Berliner Unternehmen an Hochschulen zur Verfügung stehen.

Bestehende Verbünde verstetigen: IFAF Berlin und Science & Startups

Hochschulübergreifende Verbünde, die bereits erfolgreich agieren und wertvolle Transferstrukturen aufgebaut haben, aber noch weitere Potenziale heben können, müssen durch Landesmittel weiter gestärkt werden. Die Finanzierung des IFAF Berlin sollte deshalb von einer Projektförderung in eine institutionelle Förderung umgewandelt und Science & Startups verstetigt werden. Weitere transferfördernde Verbünde sollten diesbezüglich geprüft werden.

Berlin muss mit Mut Transfer neu gestalten und von den Besten lernen

Außerdem zeigt der Austausch mit Unternehmens- und Hochschulvertretern deutlich, dass insgesamt Berlins Transfer-Ökosystem gestärkt und dringend passende Instrumente geschärft bzw. ergänzt werden müssen. Konkrete Vorschläge dafür sind:
Außerdem zeigt der Austausch mit Unternehmens- und Hochschulvertretern deutlich, dass insgesamt Berlins Transfer-Ökosystem gestärkt und dringend passende Instrumente geschärft bzw. ergänzt werden müssen. Konkrete Vorschläge dafür sind:
  • Wissens- und Technologietransfer strategisch steuern. Die politische Verantwortung für den Know-how-Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft wird enger zusammengeführt und gemeinsam gesteuert – zum Beispiel in einem neuen ressortübergreifenden Gremium. Erste Aufgabe wäre die Entwicklung einer Berliner Transferstrategie als gemeinsamer Handlungsrahmen. Ein Transferbeirat aus Stakeholdern aus Wirtschaft und Wissenschaft begleitet das Steuerungsgremium.
  • Schulterschluss wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Akteure intensivieren. Ein neues berlinweites Entrepreneurship Zentrum für Ausgründungen und unternehmerische Talente aus der Wissenschaft bietet Unternehmen ein breites Angebot zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit - Innovation Challenges, Talentscouting, Investmentmöglichkeiten, Tech-Cluster-Aufbau - verknüpft mit wissenschaftlicher Exzellenz. Das Zentrum wird 2024 in Form einer Public Private Partnership zwischen Wissenschaft und Wirtschaft aufgebaut.
  • Eine Kehrtwende, um IP-Potenziale für Hochschulen, deren Mitglieder, Wirtschaft und Gesellschaft zu heben. Politik auf Bundes- und auch Landesebene sollte sich dafür einsetzen, dass Arbeitnehmererfindungen an Ausgründungen durch die Hochschulen zukünftig in einem zu spezifizierenden Rahmen freigestellt werden. Hierbei soll die langfristige Finanzierung des Transfersystems über zu erwartende, zukünftige Einnahmen aufgrund von Wachstumseffekten sichergestellt werden.
  • Rechtlich und finanziell abgesicherter Transfer - z. B. Transfersemester analog zum Forschungssemester - ermöglichen den Professorinnen und Professoren Freiräume für Kooperationen und sind sichtbare Wertschätzung der Transferarbeit.
  • Duales Studienangebot ausbauen und noch stärker auf die Bedarfe der Wirtschaft ausrichten, um die besondere Nähe von Hochschule und Betrieb des hybriden Studienmodells auch als Treiber für technologische und soziale Innovationen zu nutzen.
Weitere Ideen bietet der Blick auf nationale oder internationale Transfer-Spitzenreiter. Das Bayerische Innovationshochschulgesetz zielt u. a. mit strategischer Neuausrichtung, „neuer Gründerzeit“ sowie Transfer als Dienstaufgabe für Professorinnen und Professoren auf mehr Innovationsfreude bzw. Reputation für Transfer an allen Hochschulen als Markenkern. Strategisch ist dieses Gesetz mit der hochfinanzierten Technologie- und Innovationsoffensive „Hightech Agenda Bayern“ abgestimmt. Auch internationale Wissenschaftshotspots wie Boston, London und Zürich machen vor, wie man dieses Potenzial für eine Region nutzen kann.

Forschungswissen am Standort in Wertschöpfung umwandeln

Als wachstumsstarker und wettbewerbsfähiger Standort muss es im Interesse Berlins liegen, über exzellente Wissenschaft hinauszugehen, die gesamte Innovationskette am Standort abzubilden und in Wertschöpfung für die Stadt umzuwandeln. Die steuerfinanzierten Hochschulen können auf diesem Weg einen Return on Investment realisieren, der die finanziellen Handlungsspielräume Berlins erweitert.
Mutig und zielsicher müssen die Empfehlungen der Berliner Wirtschaft zur Stärkung des Hochschultransfers von Politik und Verwaltung aufgenommen und mittels konkreter Maßnahmen umgesetzt werden.