Fachkräfte

Leerstellen

Die Hälfte der Berliner Unternehmen konnte im Jahr 2023 Ausbildungsplätze nicht besetzen – trotz eines umfänglichen Engagements. Eine Bilanz.
Die aktuelle IHK-Aus- und Weiterbildungsumfrage offenbart einen neuen Negativ-Rekord: Fast jeder zweite befragte Ausbildungsbetrieb konnte 2023 mindestens einen Teil seiner Ausbildungsplätze nicht besetzen. In den vergangenen Jahren lag dieser Prozentsatz noch zwischen 30 und maximal 43 Prozent. Die Gründe sind vielfältig: Der Hauptgrund für unbesetzte Plätze ist für 68 Prozent der befragten Betriebe auch weiterhin fehlende geeignete Bewerbungen. Jeder dritte betroffene Betrieb gab an, gar keine Bewerbungen erhalten zu haben. Darüber hinaus stellt auch der fehlende bezahlbare Wohnraum in Berlin eine große Herausforderung bei der Besetzung der Ausbildungsplätze dar. In 18 Prozent der Fälle wurden Ausbildungsverträge nach Beginn der Ausbildung wieder gelöst und blieben somit unbesetzt. Jeder sechste befragte Betrieb musste die Erfahrung machen, dass Ausbildungsplätze erst gar nicht angetreten wurden.

Unternehmen setzen auf vielfältige Maßnahmen

Die Betriebe sind bei der Auswahl künftiger Auszubildender dabei keineswegs anspruchsvoll. So sind für die befragten Unternehmen nicht etwa die Schulnote oder fehlerfreie Bewerbungsunterlagen von Ausschlag. Vielmehr zählen die Unternehmen bei jungen Menschen auf Interesse am Berufsbild, Motivation und Verlässlichkeit. Die Relevanz von Schulnoten und Praktikumszeugnissen landen ganz deutlich sogar auf den letzten Plätzen, was die Relevanz für Unternehmen betrifft.
Um ihre Ausbildungsplätze erfolgreich zu besetzen, wenden Unternehmen einen breiten Strauß an Maßnahmen an. Die Stärkung der Sichtbarkeit und Empfehlungen werden als Erfolgsschlüssel angesehen: Besonders wirksam bewerten die Unternehmen die Nutzung von Werbeflächen in der Stadt (83 Prozent) und Online-Stellenbörsen (79 Prozent), aber auch die Präsenz in sozialen Medien (62 Prozent) sowie Mund-zu-Mund-Propaganda durch die eigenen Mitarbeitenden (64 Prozent).

Betriebe schaffen Anreize und bieten Unterstützung

Ausbildungsbetriebe müssen im Wettbewerb und für den künftigen Nachwuchs attraktiv bleiben. Dafür achten inzwischen knapp zwei Drittel der befragten Unternehmen auf flache Hierarchien. Auch vereinfachte Einstellungsprozesse sind für 44 Prozent bereits an der Tagesordnung. Hinzu kommen vermehrt finanzielle und materielle Anreize (44 Prozent), attraktive Azubiprojekte (38 Prozent), Mentorenprogramme (28 Prozent), Auslandsaufenthalte (27 Prozent) und Homeoffice-Möglichkeiten (23 Prozent). Für viele Unternehmen ist die Aufnahme von leistungsschwächeren Auszubildenden inzwischen der Regelfall. 38 Prozent der Befragten geben dieser Zielgruppe inzwischen auch ohne öffentliche Unterstützung eine Chance. Weitere 38 Prozent haben eigene Nachhilfeprogramme geschaffen. Jeder fünfte Betrieb würde sogar noch mehr lernschwächere Bewerberinnen und Bewerber aufnehmen, wenn er bereits zu Ausbildungsstart noch mehr Informationen über deren konkrete Aufholbedarfe hätte. Darüber hinaus werden zur Unterstützung auch ehrenamtliche Mentoren (14 Prozent) eingesetzt und das Angebot der assistierten Ausbildung genutzt (13 Prozent).
Fehlendes Engagement der Berliner Unternehmen ist angesichts dieser Zahlen jedenfalls nicht zu erkennen. Auch in diesem Jahr warten entsprechend der Plattform ausbildung.berlin noch rund 11.700 Ausbildungsplätze auf interessierte und motivierte junge Nachwuchskräfte.
von Anne Neidhardt