Fokus
© Amin Akhtar
Interkulturelles Engagement zahlt sich aus
Tanja Schirmann holt für ihre Firma Plischka Möbeltransporte Azubis über eine Sprachschule in Simbabwe – und macht mit den jungen Männern aus Afrika gute Erfahrungen.
Tanja Schirmann auf dem Hof ihrer Firma in Marienfelde: Das 1948 gegründete Unternehmen wurde 1978 von ihrem Vater Matthias Schirmann übernommen.
© Amin Akhtar
Das Umzugsunternehmen Plischka Möbeltransporte aus Marienfelde bildet Fachkräfte für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice (FMKU) aus. Geschäftsleiterin Tanja Schirmann, die die Firma mit ihrem Vater Matthias führt, findet in Deutschland aber kaum noch junge Menschen, die sich für den Beruf interessieren. Ein wichtiger Teil der Lösung im Kampf gegen den Fachkräftemangel sind für sie Migranten und Geflüchtete. Der Umgang mit den Kulturunterschieden ist nun aber eine feste Aufgabe im Personalmanagement.
Berliner Wirtschaft: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Auszubildende über eine Sprachschule in Harare, der Hauptstadt von Simbabwe, zu suchen?
Tanja Schirmann: Ich habe von der Sprachschule rein zufällig erfahren. Die Schule bemüht sich, Ausbildungsstellen in deutschsprachigen Ländern für ihre Schüler zu finden. In der Regel geht es dabei aber eher um akademischen Nachwuchs und nicht um körperliche Arbeit wie bei uns. Die Schule hat auf meine Anfrage allerdings prompt reagiert, und ich hatte ein sehr gutes erstes Gespräch mit dem Schulleiter. Er meinte, dass sie auch junge Männer haben, die Interesse am Beruf der Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice haben könnten.
Sind Sie nach Harare geflogen, um die Bewerber und die Schule kennenzulernen?
Bis heute leider nicht. Das werde ich aber bald machen. Wir haben über Zoom Gespräche mit 14 Bewerbern geführt. Das war oft eher in einer Mischung aus Deutsch und Englisch, aber wir konnten uns gut verständigen. Und die Jungs waren sehr überzeugend und wirkten sehr tatkräftig. Eigentlich hätte ich alle gern sofort eingestellt.
Zunächst haben Sie sich für fünf entschieden.
Genau. Die waren so herzlich und konnten sehr plausibel erklären, warum sie zu uns kommen möchten. Die Motivation stimmte, und die Lebensläufe und die B1-Zertifikate in Deutsch haben mich auch überzeugt.
Welche Erfahrungen haben Sie mittlerweile mit den Azubis aus Simbabwe gemacht?
Vier sind noch da und gehen jetzt ins dritte Ausbildungsjahr. Einer wollte lieber studieren. Wir haben auch schon weitere fünf Azubis aus Simbabwe geholt, die im ersten Lehrjahr sind. Und aktuell führen wir Gespräche mit Bewerbern für den dritten Jahrgang.
Das klingt so einfach. War es nicht kompliziert, die Männer nach Deutschland zu holen?
Wir mussten auch Herausforderungen bewältigen. Die größte war, Unterkünfte zu finden. Das wird in Berlin immer schwerer. Und unsere Azubis brauchten natürlich ein Visum und eine Ausbildungserlaubnis. Unkompliziert war das nicht. Es hängt immer vom jeweiligen Sachbearbeiter in den Ämtern ab. Mir scheint, dass jeder seine eigenen Regeln macht. Mal geht es schneller, mal dauert es länger. In einem Fall hat es fast ein Jahr gedauert, bis wir alle Papiere zusammenhatten. Aber am Ende hat es immer funktioniert. Sehr hilfreich war der Business Immigration Service von der IHK, Berlin Partner, dem Landesamt für Einwanderung, der Bundesagentur für Arbeit, der Handwerkskammer und dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf.
War es schwierig für Sie, die neuen Auszubildenden in den Betrieb zu integrieren?
Für die Jungs aus Simbabwe ist es natürlich zunächst nicht einfach, sich in Deutschland in eine ganz andere Kultur einzuleben. Das zeigt sich in vielen Alltagssituationen. Sie wollen Sport treiben, verstehen aber nicht, dass sie sich zunächst in Vereinen anmelden müssen. Sie verstehen nicht, warum es für gleiche Waren unterschiedliche Preise gibt, wenn sie einkaufen gehen. Unsere Mülltrennung ist für sie natürlich auch etwas Neues.
Mit ihrer Arbeit sind Sie zufrieden?
Ja, sehr. Ich bin auch überrascht, wie gut sich die meisten in der Berufsschule machen. Einige kommen dort besser zurecht als unsere einheimischen Azubis. Aber sie haben in Simbabwe auch eine gute Schulbildung genossen. Und sie wissen, dass es ihren Familien zu Hause wichtig ist, dass sie es hier schaffen. Deshalb legen sie sich hier mächtig ins Zeug.
Wie viele Nationen kommen bei Ihnen zusammen?
Wir haben zum Beispiel auch Mitarbeiter aus Mali, Afghanistan, Syrien, Iran und Polen. Im September werden zwei Azubis aus Aserbaidschan hinzukommen. Ich erlebe immer wieder, dass auch Mitarbeiter mit anderen Nationalitäten sehr begehrt in den einzelnen Teams sind, wenn sie gute Arbeit machen und Deutsch sprechen. Das zeigt: Wenn alle Seiten sich bemühen, kann die Zusammenarbeit vieler Nationalitäten sehr gut funktionieren. Interkulturelles Engagement zahlt sich aus.
Der Beruf, in dem Sie ausbilden, heißt Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice. Was wird dabei von den Azubis gefordert?
Sie müssen vielfältige handwerkliche Fertigkeiten, zum Beispiel Grundzüge der Tischlerei, der Elektrotechnik und der Sanitärtechnik, beherrschen. Sie müssen wissen, wie Lampen montiert und der Herd, die Waschmaschine sowie der Geschirrspüler angeschlossen werden. Sie müssen wissen, wie ein Lkw richtig beladen und die Papiere korrekt ausgefüllt werden. Was sie alles draufhaben, zeigt, dass die FMKUs, wie wir den Beruf abkürzen, später auch im Facilitymanagement sehr begehrt sind. Wir bilden übrigens auch Kauffrauen und -männer für Büromanagement, Fachlageristen und Kraftfahrer aus.
Warum mussten Sie überhaupt den Weg über Harare gehen. Finden Sie in Berlin keine Azubis?
Unsere Zielsetzung ist, zunächst Einheimische zu nehmen, weil es natürlich alles ein bisschen einfacher macht und weil wir ein Berliner Unternehmen sind. Und dann ist es nur fair, wenn man in erster Linie hier sucht. Das machen wir auch. Wir gehen in Schulen, wir sind auf Messen. Aber wir bekommen in Berlin nicht genügend Azubis und Arbeitskräfte. Körperliche Arbeit ist nicht mehr so sexy. Also suche ich mir internationale Möglichkeiten.
Wie schwer sind Sie insgesamt vom Fachkräftemangel betroffen?
Ich würde sofort 50 neue Leute einstellen, wenn ich sie bekommen könnte, für alle unsere Standorte insgesamt. Wir sind ja auch in Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen tätig.
Woher bekamen Sie früher die Mitarbeiter?
Früher haben sich mehr Quereinsteiger beworben, viele sind nach der Bundeswehr zu uns gekommen. Vielleicht ist Arbeitslosigkeit früher stärker als Stigma empfunden worden. Dabei können wir eigentlich jedem, der will, eine Chance geben. Wir können nicht aus jedem einen super Monteur machen, aber wir können jeden dazu bringen, ein guter Umzügler zu werden.
Können Sie Technologien einsetzen, um mit dem Fachkräftemangel besser zurechtzukommen?
Ja, das machen wir. Wir setzen Übersetzungssoftware ein. Wir schulen unsere Jungs darin, bei Verständnisschwierigkeiten einen Satz ins Handy zu sprechen, die Software übersetzen und in einer anderen Sprache wiedergeben zu lassen. Das klingt vielleicht trivial. Aber es ist nicht einfach, das ganz selbstverständlich in die Arbeitsabläufe zu integrieren.
Warum nicht?
Einige finden es hinderlich und sperren sich. Aber es ist immer noch besser, als wenn gar keine Kommunikation stattfinden kann. Wir beschäftigen oft Geflüchtete, die Sprachen sprechen, die kein anderer versteht. Da ist das dann sinnvoll. Wir haben auch mal Exoskelette ausprobiert, um das Tragen schwerer Gegenstände zu erleichtern. Aber die Lösungen sind für den Umzugsbereich noch nicht so ideal. Sie wurden von unseren Mitarbeitenden als zu schwer und hinderlich empfunden. Sie wollen es dann doch lieber allein machen. Im Lagerbereich wird das eher Vorteile bringen. Wir haben gehofft, damit vielleicht auch den Krankenstand wieder herunterzubringen und unsere Mitarbeiter schützen zu können.
Ist der Krankenstand denn gestiegen?
Ja, nicht nur bei uns. Das ist auch aus anderen Firmen zu hören. In der Corona-Zeit war der Krankenstand bei uns so niedrig wie noch nie. Seitdem steigt er rasant. Ich nehme eine gesellschaftliche Übermüdung wahr, die Menschen fühlen sich schneller überfordert. Ich weiß nicht, woran es liegt. Vielleicht stresst es uns, dass wir zu oft und zu viele Medien auf unseren Handys nutzen.
von Michael Gneuss