Branchen

Frauen müssen gründen

Mehr DeepTech-Innovationen braucht das Land für den ersehnten Aufschwung – und dafür auch mehr Start-ups von Frauen.
Die deutsche Wirtschaft könnte im Moment gut einen Schubser in Richtung Wachstum vertragen. DeepTech-Unternehmen sind dafür die Voraussetzung. Um diesem Ziel näher zu kommen, müssen mehr Frauen Start-ups aufbauen können.
Dafür engagiert sich die Berliner Wirtschaft vielfältig. Ein Highlight der letzten Wochen war das Vernetzungsfrühstück zwischen Stipendiatinnen des EXIST-Women-Programms und Unternehmerinnen und Investorinnen. Gemeinsam mit der Hochschule für Wirtschaft und Recht (Startup Incubator Berlin), der Hochschule für Technik und Wirtschaft sowie der Berliner Hochschule für Technik sowie unterstützt vom Business Angel Club Berlin-Brandenburg, brachte die IHK im Ludwig Erhard Haus hochschulische Gründerinnen mit erfahrenen Businesswomen in Kontakt.

Den Schritt zum Unternehmen wagen

Die engagierten Frauen teilten ihre Erfahrung, ihr Netzwerk, gaben Tipps und Tricks weiter, wie aus einer Idee ein erfolgreiches Geschäft werden kann. Sonja Jost, Vizepräsidentin der IHK, eröffnete den Morgen mit einer deutlichen Botschaft: „An unseren Hochschulen gibt es zahlreiche großartige und ambitionierte Frauen. Mit tollen Forschungsergebnissen und Ideen. Wir müssen sie ermutigen, den Schritt zum eigenen Unternehmen zu wagen – und wir müssen sie dabei unterstützen!“ Sie appellierte an die Gründerinnen, sich zu vernetzen und Mentorinnen zu suchen, und bedankte sich für deren Engagement. Das sich anschließende intensive Networking zeigte, dass es daran keiner der Beteiligten mangelte. Die Berliner Wirtschaft und die Berliner Hochschulen werden das Format im Herbst daher noch einmal ausrichten.
Wissenschaftlerinnen mit gründungsfähigen Innovationen gibt es in Berlin zahlreiche. Wird die Start-up-Welt für Gründerinnen offener, werden mehr und mehr den Schritt zum eigenen Unternehmen wagen. Diesen bereits gegangen ist Dr. Uta Höpken mit ihrem Co-Founder Dr. Armin Rehm. Beide entwickelten am Max-Delbrück-Centrum vielversprechende Therapien für Knochenmark-, Blut- und Lymphknotenkrebs und gründeten die CarTemis Therapeutics GmbH zusammen mit zwei weiteren Co-Foundern, Dr. Anthea Wirges und Dr. Mario Bunse, um diese Therapien aus der Forschung zur Marktreife zu bringen. Das am Campus Berlin-Buch arbeitende Life-Science-Start-up steht beispielhaft für radikale Innovationen, die aus der Forschung hervorgehen können. „Wir haben früh daran gedacht, unsere Forschungsergebnisse zu kommerzialisieren“, erklärt Höpken. Doch sind die Hürden dafür im Life-­Science-Bereich hoch. „Es war bereits anspruchsvoll, Partner und Geld für die klinischen Studien zu bekommen.“
Das Gründungsteam machte schnell die Erfahrung, dass private Investoren in Deutschland rar gesät sind. Es gebe, sagt Höpken, eine große Risikoscheu in Deutschland bei ihnen, die sie so aus den USA nicht kenne: „Dort investiert man in zehn Start-ups und sagt, eines schafft es. Bei uns ist man sehr darauf bedacht, dass alles sicher ist.“ Dazu kommt ein Kapitalbedarf, wie er für Life-Science-Gründungen typisch, für den deutschen Venture-Capital-Markt aber noch immer schwer abbildbar ist: In der Seed-phase benötigt man circa drei Mio. Euro, in der A-Runde werden es gut 40 Mio. Euro sein. Demnächst wird CARTemis Therapeutics einen erfahrenen Geschäftsführer an Bord holen.

Gründung als Karriereoption

Frauen gründen häufiger mit dem Ziel, einen sozialen oder ökologischen Impact zu erzielen – DeepTech-Gründungen sind dafür das Mittel der Wahl. Doch zusätzlich zu hohen Investitionen benötigen diese Start-ups Forschungsinfrastruktur und eine enge Einbindung in die wissenschaftliche Community. Beides bietet der Campus Berlin-Buch. Hier sind vier Forschungseinrichtungen sowie 76 Unternehmen aktiv, darunter 17 Start-ups.
„Die Gründung als Karriereoption ist in der Wissenschaft inzwischen präsenter als noch vor Corona“, weiß Dr. Christina Quensel, Geschäftsführerin der Campus Berlin-Buch GmbH. In der Life-Science werde nicht selten 20 Jahre geforscht, bis ein kommerzialisierbares Ergebnis vorliege. „Und dann kann es noch einmal zehn Jahre dauern, bis ein Produkt auf den Markt kommt.“ Daher, so Quensel, sei ein Campus, auf dem Forscher, Entrepreneure und Unternehmen eng vernetzt arbeiten, so wichtig. „Junge Start-ups lernen von Grown-ups. Sie müssen nicht jede Lernkurve selbst durchmachen.“
Die Gründungen wachsen und sollen künftig in Buch auf der sogenannten Brunnengalerie vor den Toren des Campus geschaffen werden. Der Berliner Life-Science-Standort gedeiht also. Christina Quensel weiß aber auch, woran es weiterhin mangelt: „Bezahlbare Laborflächen sind, berlin- oder gar bundesweit, immer noch knapp. Das ist ein Flaschenhals für Start-ups.“
von Christan Nestler