Fachkräfte

„Bewusstsein und Erfahrung fehlen“

Agile Transition & Leadership Coachin Kristina Müller über die Herausforderungen und Vorbehalte beim Führen von hybrid und remote arbeitenden Teams.

Berliner Wirtschaft: Frau Müller, was sind die größten Herausforderungen beim Führen von Teams, die teils im Büro und teils im Homeoffice arbeiten?

Kristina Müller: Für mich sind vor allem Gleichbehandlung beim hybriden Führen und das Fairnessgefühl von Mitarbeitenden beider Arbeitsorte eine Herausforderung. Ich sehe mir vor allem den Informationsfluss und die Beziehungsgestaltung an. Das Arbeiten im Büro bringt oft Vorteile: Mitarbeitende bekommen ohne böse Absicht mehr Informationen, häufiger informelle Gespräche, sie erhalten einen Vertrauensvorschuss und entwickeln eine engere, vertrauensvollere Beziehung zu Vorgesetzten. Das Bewusstsein und die Erfahrung für unterschiedliche Logiken der Arbeitswelten fehlen. Es entstehen unbewusste Urteilsverzerrungen, die persönlich wie betriebswirtschaftlich nachhaltigen Schaden anrichten können.

Wo oder wann erleben Sie die größte Offenheit für hybrides Führen?

Erfolgreiches hybrides Arbeiten habe ich in Unternehmen gesehen, die schon lange global aufgestellt sind. Hier ist es normal, verteilt zu arbeiten. Viel Offenheit erlebe ich vor allem in kleinen Unternehmen, in denen die Hierarchien flach sind und 1:1-Beziehungen noch möglich sind. Sie sind Flexibilität gewohnt, probieren gerne Neues aus und erforschen hybrides Arbeiten mit viel Spaß.

Und wo die stärksten Vorbehalte?

Vor allem regulierte und der öffentlichen Hand nahe Unternehmen tun sich oft mit neuen technischen Lösungen schwer. Von 1:1-Begegnungen geprägte Führungsstile erschweren das Verständnis für remote und hybrid. Immer noch findet Ablehnung durch Führungskräfte statt, was oft als Findungsphase in Hinblick auf hybrides Arbeiten getarnt wird. Das verursacht betriebswirtschaftliche Schäden und Frustration auf allen Ebenen.

Mit welchem Insider-Tipp erreichen Sie in Ihren Trainings den größten Aha-Effekt?

Ich erzähle gern die Geschichte eines hybriden Meetings mit Menschen aus Asien und Europa im Jahr 2019. Hier wurden vor Ort auf Flipchart und Post-its Ideen festgehalten. Diese waren für die Online-Teilnehmenden über die Kamera kaum erkennbar. Das änderte ich, indem wir auf ein Online-Tool umstellten und die Kolleginnen und Kollegen vor Ort genauso ihren Laptop nutzten. Das Feedback der Online-Teilnehmenden war: „Danke, wir haben das erste Mal richtig mitgemacht, statt nur zuzuschauen.“ Das zeigt eindrücklich, dass gemeinsames Arbeiten vor Ort einer anderen Logik folgt als hybride oder Remote-Arbeit.
Fünf Praxistipps von Kristina Müller jetzt hier lesen.
von Dr. Mateusz Hartwich