BW 06/2022 - Schwerpunkt
„Wir wollen Menschen aus dem Beruf sehen“
Wie erleben Schülerinnen und Schüler das Thema Berufsorientierung? Nachgefragt bei Gymnasiastin Jule Edzards
Jule Edzards will im nächsten Jahr ihr Abitur machen. Seit der 10. Klasse macht sie sich Gedanken über ihren späteren Beruf. Noch weiß sie nicht, ob sie zunächst studieren wird oder mit einer dualen Berufsausbildung beginnen will. Vorstellen kann sie sich beides. Vor allem interessiert sie sich für ein Psychologiestudium oder eine Ausbildung zur Tierpflegerin. Die Berufsorientierung in Schulen könnte noch besser werden, meint sie.
Berliner Wirtschaft: In welcher Form hat Berufsorientierung in Ihrer bisherigen Schulzeit stattgefunden?
Julle Edzards: Es gab mehrere Veranstaltungen, aber leider kein Praktikum. Das war für die 10. Klasse vorgesehen, fiel aber in die Zeit der Corona-Pandemie. Dafür hatten wir eine Ersatzleistung, die in einem langen Aufsatz bestand. Wir sollten über verschiedene Berufen schreiben, die wir gern ausüben würden, und dafür auch Menschen interviewen, die in diesen Berufen arbeiten. Es gibt auch Veranstaltungen, die wir freiwillig besuchen können und die sich mit bestimmten Berufsfeldern beschäftigen – wie zum Beispiel Psychologie oder Medizin.
Hätten Sie sich mehr Informationen gewünscht?
Grundsätzlich ist das Angebot, das wir bekommen, ausreichend. Aber ich hätte mir gewünscht, dass wir mehr Menschen erleben können, die direkt aus den Berufen kommen. Ich hätte gern selbst von jemandem, der das beruflich macht, was ich auch machen möchte, gehört, wie der Alltag verläuft und was man bei der Arbeit konkret macht.
Haben sich Firmen in Ihrer Schule vorgestellt?
Nein, das habe ich nicht erlebt. Das würde ich aber sehr gut finden. Wir wollen Menschen aus dem Beruf, der uns interessiert, direkt sehen. Allgemeine Informationen lassen sich problemlos im Internet finden. Aber wenn die Informationen direkt von einem Unternehmen kommen, wird es sehr viel anschaulicher. Einen Betriebsbesuch würde ich auch spannend finden. Vor längerer Zeit haben wir das mal gemacht, aber nur für ein paar Stunden.
Jule Edzards geht in die 11. Klasse des Georg-Herwegh- Gymnasiums in Hermsdorf
© PRIVAT
Welche Vorteile haben Ihrer Ansicht nach Studium und eine duale Ausbildung?
Ich finde beides interessant. Den Vorteil eines Studiums sehe ich darin, dass man sich mehr auf sich selbst fokussieren kann und sich erst mal mit der Theorie beschäftigt. An einer dualen Berufsausbildung gefällt mir, dass man gleich praktische Erfahrungen sammelt. Aber auch ein duales Studium würde mich reizen, um Theorie und Praxis zu kombinieren.
Wie denken Sie über die Berufschancen Ihrer Generation?
Ich glaube, unsere Chancen, nach einem Bewerbungsgespräch genommen zu werden, sind sehr gut. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, mal arbeitslos zu werden.
Was ist Ihnen wichtig an einem Job?
Ich möchte, dass mir mein Job Spaß macht. Das Gehalt spielt auch eine wichtige Rolle, schließlich muss man den Lebensunterhalt finanzieren. Aber ich würde meine Job-Wahl nicht in erster Linie darauf abstellen. Am wichtigsten ist mir, dass mich der Job erfüllt. Ich glaube, so sehen das sehr viele von uns.
In welchem Fall ist Ihnen eine Firma sympathisch?
Mich interessiert die Einstellung – Firmen sollten für Veränderungen bereit sein und zulassen, dass Mitarbeiter auch mal Dinge kritisieren. Ein gutes Arbeitsklima der Kollegen untereinander, aber auch im Verhältnis zum Chef, ist mir ebenfalls wichtig. Und es geht mir darum, wofür die Firma steht. Wenn sie etwas verkörpert, wofür ich nicht stehe, dann würde ich dort auch nicht anfangen wollen.
von Michael Gneuss