BW 11/2021 - SERVICE
So gelingt die Nachfolge
Jedes inhabergeführte Unternehmen steht früher oder später vor der Frage, wer den Betrieb künftig leiten soll. Dafür gibt es auch professionelle Unterstützung
Barbara Jaeschke, Inhaberin des GLS Campus Berlin, empfindet es als Luxus, zwei ihrer Kinder im Unternehmen zu wissen. Seit vier Jahren ist Verena, ihre älteste Tochter, an Bord: Die promovierte Kulturwissenschaftlerin führt als Direktorin das zur Firma zählende Boutique-Hotel Oderberger in Prenzlauer Berg sowie das historische Stadtbad, das auch als Veranstaltungsort dient. Seit einem Jahr ist zudem Tochter Reemda mit von der Partie. Die promovierte Betriebswirtin und ehemalige Unternehmensberaterin ist Director Finance & Controlling des GLS Campus Berlin, zu dem auch die Bereiche internationale Sprachschule und GLS Sprachreisen zählen.
Die Mutter bereitet momentan den Übergang des gesamten Unternehmens auf die nächste Generation gemeinsam mit ihren Kindern vor, zu denen auch Sohn Hauke zählt, der als Volljurist bei einem Wirtschaftsprüfer arbeitet. Um die betrieblichen Teile noch besser voneinander abzugrenzen und so dem Unternehmen mehr Struktur zu geben, ist eine Umfirmierung mit allen steuerlichen und haftungsrechtlichen Aspekten nötig. „Dafür empfiehlt es sich, eine gute, externe Beratung einzubinden“, sagt Barbara Jaeschke.
Viele Unternehmer, deren Rückzug kurz bevorsteht, halten auch in Corona-Zeiten an ihren Plänen fest. Das hat eine repräsentative Studie der KfW-Bank ergeben. Wer das Projekt im eigenen Betrieb angehen will, kann sich dafür professionelle Hilfe sichern und unter bestimmten Voraussetzungen öffentliche Zuschüsse von bis zu 20.000 Euro online beantragen (siehe rechte Seite, „Coaching BONUS“).
Beim Finden der richtigen Profis für den Nachfolgeprozess bekam Barbara Jaeschke die entscheidenden Tipps aus ihrem Netzwerk: „Wir haben fünf Beratungen gebeten, sich vorzustellen, und uns letztlich für ein Unternehmen mit Sitz in Berlin entschieden.“ Als ein Ergebnis der ersten Gespräche scheint der Mutter wie auch ihren Kindern folgende Umfirmierung ratsam: Aus der Einzelfirma GLS Campus Berlin mit uneingeschränkter Haftung soll zukünftig eine GmbH & Co. KG werden. „Das sind Aspekte“, sagt Barbara Jaeschke, „auf die uns die Beratung gebracht hat.“
Unternehmerin Barbara Jaeschke mit ihren Töchtern Dr. Verena Jaeschke (l.) und Dr. Reemda Jaeschke
© GLS CAMPUS BERLIN, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG
Die Firmeninhaberin besuchte mit ihren drei Kindern auch ein Strategieseminar, das auf inhabergeführte Familienunternehmen spezialisiert ist. Die Zeit hat sich aus Sicht aller Beteiligten gelohnt. „Zum einen“, wie die Mutter sagt, „weil wir dabei zu viert an einem Tisch saßen, was im Alltag selten gelingt.“ Zum anderen, wie Tochter Reemda ergänzt, „weil wir hilfreiche Anregungen bekommen haben – beispielsweise zum gemeinsamen Erstellen einer Familienverfassung, die sehr klar die Verantwortlichkeiten im Rahmen der Nachfolge festschreibt.“ Die Familienverfassung, so Barbara Jaeschke, die auch in der Vollversammlung der IHK Berlin aktiv ist, sei für sie auch deshalb wichtig, „weil die beiden Töchter in der Geschäftsleitung sind, wenn ich an die nächste Generation abgebe, und der Sohn nach heutigem Stand wahrscheinlich nicht“. Deshalb müsse die Familienverfassung auch festlegen, ob und wie Hauke Jaeschke in die Geschäftsleitung einbezogen werden könnte. Verena Jaeschke ergänzt: „Wir haben die vorteilhafte Situation, dass wir uns jetzt in Einigkeit darum kümmern, die Familienverfassung zu formulieren und zu unterschreiben.“
Die drei Frauen haben auch – ganz im Sinne der IHK-Empfehlungen – einen Notfallordner erstellt mit Checklisten, die festschreiben, was von wem zu machen ist, wenn der Firmeninhaberin zwischenzeitlich etwas passieren sollte.
Coaching Bonus
Für Beratung zur Unternehmensnachfolge gibt es unter bestimmten Voraussetzungen nicht rückzahlbare Zuschüsse
Voraussetzung
Das Förderprogramm „ Coaching Bonus“ können Berliner technologieorientierte Betriebe, solche der Kreativwirtschaft, des produzierenden Gewerbes, des produktionsnahen Dienstleistungsgewerbes und der sozialen Ökonomie beantragen, wenn sie die KMU-Kriterien der EU erfüllen.
Das Förderprogramm „ Coaching Bonus“ können Berliner technologieorientierte Betriebe, solche der Kreativwirtschaft, des produzierenden Gewerbes, des produktionsnahen Dienstleistungsgewerbes und der sozialen Ökonomie beantragen, wenn sie die KMU-Kriterien der EU erfüllen.
Vorgehen
Alle Informationen zum „Coaching Bonus“ gibt es unter ibb-business-team.de, wo auch eine Liste der Beraterinnen und Berater veröffentlicht ist. Als Erstes müssen aber die Fördermittel online beantragt werden.
Alle Informationen zum „Coaching Bonus“ gibt es unter ibb-business-team.de, wo auch eine Liste der Beraterinnen und Berater veröffentlicht ist. Als Erstes müssen aber die Fördermittel online beantragt werden.
Für solch einen Notfallordner können Geschäftsleitungen sich auch beraten lassen. Darauf weist Thomas Fink hin. Der Geschäftsführer der Portus Corporate Finance GmbH unterstützt Unternehmen im Rahmen von Nachfolgeprozessen und sagt: „Wenn die entscheidenden Personen eines Familienbetriebs die für den Ernstfall nötigen Unterlagen frühzeitig erstellen, gemeinsam abstimmen und an einem sicheren Ort bereithalten, eröffnet das die Chance, sich mit dem Thema Nachfolge schon mal auseinanderzusetzen.“ Das sei auch deshalb so wichtig, weil Studien gezeigt haben, dass in jedem fünften Fall die Firmennachfolge aufgrund eines plötzlichen Ernstfalls nötig wird. Und in solchen Fällen sei der Beratungsbedarf entsprechend groß.
von Rudolf Kahlen