30.10.2024
IHK-Gremium Marktredwitz-Selb fordert: Keine Realsteuererhöhungen
Jedes dritte Unternehmen wäre von Gewerbesteuererhöhungen betroffen
"Die aktuellen Rahmenbedingungen setzen unsere heimische Wirtschaft bereits enorm unter Druck", macht Dr. Roman Pausch deutlich, Vorsitzender des IHK-Gremiums Marktredwitz-Selb. "In der aktuellen Situation sind Gewerbesteuererhöhungen das letzte, was unsere Unternehmen brauchen können."
35 der 196 Kommunen im Einzugsgebiet der IHK für Oberfranken Bayreuth haben 2024 an der Steuerschraube gedreht und die Realsteuerhebesätze angehoben. Zu den Realsteuern zählen die Gewerbe- sowie die Grundsteuern A und B. Zum Vergleich: 2023 gab es insgesamt "nur" 22 Erhöhungen.
Die Gewerbesteuerhebesätze im Landkreis Wunsiedel liegen aktuell zwischen 340 (Nagel, Thiersheim, Thierstein, Weißenstadt) und 390 Punkten (Selb). Die Grundsteuer B, die alle Grundstücks- und Immobilieneigentümer betrifft, liegt zwischen 340 (Weißenstadt) und 500 Punkten (Bad Alexandersbad).
Zwei Kommunen haben ihre Gewerbesteuerhebesätze gegenüber 2023 erhöht, so die aktuelle Realsteuerumfrage der IHK für Oberfranken Bayreuth (Nagel und Selb). Bei der Grundsteuer B gab es keine Erhöhungen.
Gewerbesteuerhebesätze: Wichtiger Standortfaktor
"Harte Standortfaktoren, wie verfügbare Gewerbeflächen, die Verkehrsanbindung, aber auch die Gewerbesteuerhebesätze, spielen eine wichtige Rolle sowohl für potenzielle Neuansiedlungen als auch für bestehende Unternehmen", macht Dr. Pausch deutlich, "Vielen Unternehmen geht es dabei genauso wie den Kommunen, sie vertragen keine weiteren Mehrbelastungen." Ein Verzicht auf eine Gewerbesteuererhöhung sei deshalb auch immer vorausschauende Standortsicherung, so Dr. Pausch. Er verweist dabei auf die Ergebnisse der jüngsten Konjunkturbefragung, wonach die IHK-Mitgliedsunternehmen Zukunftsinvestitionen und damit neue Arbeitsplätze vor allem im Ausland tätigen wollen. Er befürchtet, dass entsprechende Gewerbe- und Grundsteuererhöhungen diesen Trend weiter befeuern.
Immer mehr kostenintensive Pflichtaufgaben für die Kommunen
Erhebliche Verantwortung dafür, dass immer mehr Kommunen finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen, tragen Bund und Land. Dr. Pausch: "Ohne zusätzliche finanzielle Mittel wird es für die Kommunen immer schwieriger oder gar unmöglich, immer neue Pflichtaufgaben zu übernehmen." Er nennt beispielhaft den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder, eine bessere ÖPNV-Anbindung oder Investitionen für den Klimaschutz. Werden daraufhin die Gewerbe- oder die Grundsteuer erhöht, bleibe die Mehrbelastung letztendlich an den Unternehmen und den Immobilieneigentümern hängen. Er appelliert an die Kommunen, das Instrument einer Steuererhöhung unbedingt nur dann einzusetzen, wenn es gar nicht anders gehe.
Hat eine Gewerbesteuererhöhung Auswirkungen auf Unternehmen?
Dr. Pausch verweist einige "Binsenweisheiten" ins Reich der Fabeln. So sei die immer wieder gehörte Aussage, dass die Unternehmen von einer Gewerbesteuererhöhung nicht betroffen seien, nur die halbe Wahrheit, macht IHK-Steuerreferent Andreas Wandner deutlich: "Alle Kapitalgesellschaften, in erster Linie sind das die GmbHs, sind von einer Erhöhung der Gewerbesteuer vollumfänglich betroffen." Er verweist darauf, dass jedes dritte beitragspflichtige Mitgliedsunternehmen der IHK eine Kapitalgesellschaft ist.
"Die Unternehmenssteuerreform von 2008 liegt 16 Jahre zurück. Trotzdem müssen die Steuersenkungen von damals herhalten als Argument, dass man Kapitalgesellschaften über die Gewerbesteuerhebesätze stärker belasten könne", zeigt sich Dr. Pausch verwundert. "Wer bei der Erhöhung der Gewerbesteuerhebesätze mit dieser Unternehmenssteuerreform von 2008 argumentiert, macht sich unglaubwürdig.“ In diesem Zusammenhang verweist er darauf, dass die Gewerbesteuerhebesätze im IHK-Gremium Marktredwitz-Selb seit 2008 im Schnitt um 34,7 auf 333,8 Punkte angehoben wurden. Der Durchschnittswert stieg in Oberfranken spürbar mehr an, um 33,7 auf 356,7 Punkte
Während keine Kommune im Landkreis Wunsiedel den Gewerbesteuerhebesatz in den vergangenen 16 Jahren konstant gehalten und eine den Gewerbesteuerhebesatz gesenkt hat, gab es andererseits drei Kommunen mit einem Anstieg des Gewerbesteuerhebesatzes um 50 Punkte oder mehr.
Auch seien Modellrechnungen falsch, die belegen sollen, dass Personengesellschaften im Falle einer Gewerbesteuererhöhung letztendlich weniger bezahlen müssten. Bereits seit der Unternehmenssteuerreform 2008 gehören diese Modellrechnungen der Geschichte an, macht Wandner deutlich.
Grundsteuerreform aufkommensneutral gestalten
Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist eine Neuregelung der Grundsteuer-Hebesätze erforderlich geworden, die bundesweit ab 1. Januar 2025 gilt. Über die neuen Hebesätze entscheiden alle Kommunen in Eigenverantwortung. Dr. Pausch: "Ich fordere deswegen die Kommunen auf, das Versprechen der Politik umzusetzen, die Hebesätze für die Grundsteuer aufkommensneutral umzusetzen."