30.04.2024

Oberfränkische Konjunktur hat Talsohle durchschritten

Aber Industrie verliert zunehmend den Anschluss

Nach längerer Durststrecke startet die Wirtschaft in Oberfranken aus einer besseren Ausgangsposition in den Sommer. Der Konjunkturklimaindex der IHK für Oberfranken Bayreuth steigt um 11 auf 100 Punkte. Grund zur Entwarnung gibt es aber nicht, weil sich die Industrie vom leichten Aufwärtstrend spürbar abkoppelt.

"Der Zickzackkurs der Bundesregierung sorgt für eine massive Verunsicherung von Verbrauchern und Unternehmen. Wenig hilfreich ist auch die dynamisch wachsende Belastung durch immer mehr EU-Bürokratie", kommentiert IHK-Präsident Dr. Michael Waasner die aktuellen Befragungsergebnisse. "Deutschland und Europa laufen zunehmend Gefahr, sich als Wirtschaftsstandort ins Abseits zu katapultieren. In weiten Teilen der Industrie sprechen wir längst nicht mehr nur von einer konjunkturellen Delle, sondern vom Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit in Folge schlechter Rahmenbedingungen."

Aktuelle Geschäftslage etwas stabiler

Die gegenwärtige Geschäftslage wird von den Unternehmen im Einzugsgebiet der IHK für Oberfranken Bayreuth im Saldo leicht positiv bewertet. 29 Prozent der Befragten berichten von einer guten, 25 Prozent von einer schlechten Geschäftslage. Die oberfränkische Wirtschaft scheint ihren Tiefpunkt überwunden zu haben und erholt sich offensichtlich langsam wieder.

Industrie noch stärker unter Druck

"Besorgniserregend ist aber, dass sich die Industrie, das Rückgrat der oberfränkischen Wirtschaft, diesem positiven Trend zunehmend entzieht", zeigt sich Dr. Waasner besorgt. "Die Industrie bewertet ihre Lage sogar noch schlechter als zu Jahresbeginn." Auch der Großhandel weist eine im Saldo negative Geschäftslage auf. "Ein Grund hierfür ist, dass der Großhandel als Bindeglied zwischen Industrie und Einzelhandel von Entwicklungen in der Industrie unmittelbar betroffen ist", erläutert Wolfram Brehm, Hauptgeschäftsführer der IHK für Oberfranken Bayreuth.

Erwartungen nicht mehr so pessimistisch wie zuletzt

Während oberfränkische Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage inzwischen vorsichtig optimistisch einschätzen, blicken sie weiter mit Sorge in die Zukunft – wenn auch nicht mehr ganz so pessimistisch wie noch zu Jahresbeginn. 21 Prozent der Befragten rechnen für die kommenden zwölf Monate mit einer Verbesserung, 25 Prozent mit einer Verschlechterung. Bei den Dienstleistungen und im Tourismus fällt der Saldo inzwischen positiv aus. Dieser Aufschwung kommt aber weder in der Industrie noch beim Groß- oder Einzelhandel an. "Unsere Industrie steckt im Konjunkturtal fest", so Brehm. "Aber auch die Verbraucher sind sehr verunsichert und halten sich mit Ausgaben zurück, was unseren Handel weiter unter Druck setzt", so Brehm.

Unternehmen rechnen mit weiter sinkendem Auftragsvolumen

Ursache für die Zurückhaltung ist das erwartete Auftragsvolumen. Nur 21 Prozent der Unternehmen rechnen mit einem steigenden Auftragsvolumen, 33 Prozent dagegen mit einem Rückgang.

Auch beim Export überwiegen die negativen Erwartungen. Vor allem beim China-Geschäft sind die Unternehmen sehr zurückhaltend. Ganz anders die Erwartungen für Nordamerika: Knapp ein Viertel der Exportunternehmen rechnet dort mit einem steigenden Auftragsvolumen.

Industrie rechnet mit Stellenabbau

Angesichts der erwarteten Rahmenbedingungen fallen die erwarteten Beschäftigungsentwicklungen überwiegend negativ aus. 21 Prozent der Unternehmen rechnen mit einer Abnahme der Belegschaft am Standort Oberfranken, nur 11 Prozent mit einem Anstieg. Besonders zurückhaltend bewertet die Industrie die weitere Beschäftigungsentwicklung. Fast jedes dritte Industrieunternehmen rechnet mit einem Beschäftigtenabbau. Diese Entwicklung ist insbesondere deshalb besorgniserregend, da über ein Drittel der Beschäftigten Oberfrankens im Produzierenden Gewerbe tätig ist.

Unternehmen fahren Auslandsinvestitionen hoch

Bei den Investitionsplanungen im Inland zeigt sich auf den ersten Blick ein ausgeglichenes Bild. Jeweils 22 Prozent wollen ihre Investitionen herauf- bzw. herunterfahren. 24 Prozent der Unternehmen wollen dagegen gar keine Investitionen tätigen. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass es sehr deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen gibt. Während Baugewerbe und Tourismus ihre Investitionen im Saldo herunterfahren wollen, planen Industrie, Groß- und Einzelhandel und vor allem die Dienstleistungsbranche einen Anstieg.

Dieser Befund mag bei der aktuell schlechten Lagebeurteilung in der Industrie und im Großhandel verwunderlich sein. Ein Blick auf die Motive der Investitionsplanungen zeigt aber, dass nur bedingt Grund für Optimismus besteht. 69 Prozent aller Befragten wollen Ersatzbeschaffungen vornehmen und 30 Prozent Rationalisierungen. Nur 22 Prozent planen Investitionen in Produktinnovationen und 20 Prozent Kapazitätserweiterungen. Hinzu kommen 36 Prozent, die in Umweltschutz investieren wollen.

Ganz anders im Ausland: Dort stehen Kapazitätserweiterungen im Mittelpunkt der Planungen. "Dieses Ergebnis macht deutlich, dass der Standort Deutschland – und damit auch Oberfranken – zunehmend an Attraktivität verliert. Finden Innovation und Fortschritt vorwiegend im Ausland statt, besteht zunehmend die Gefahr, dass wir in Oberfranken als Wirtschaftsstandort abgehängt werden", warnt Dr. Waasner. "Die Politik in Brüssel, Berlin, München und vor Ort muss alles tun, um die Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft zu verbessern."