(Aus-)Bildungssystem und Arbeitswelt müssen flexibler und digitaler werden
Die Pandemie hat dem Bildungs- und Arbeitssystem in Deutschland endgültig die Grenzen aufgezeigt. Damit die Unternehmen in den nahenden Verrentungsjahren der Babyboomer zeitgemäß qualifizierte Fachkräfte finden, muss die nächste Bundesregierung das duale Ausbildungssystem attraktiver machen, die Systemdurchlässigkeit weiter erhöhen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen an die neue Arbeitswelt anpassen.
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Berufliche Ausbildung zeitgemäß gestalten
Um den rückläufigen Trend bei den Ausbildungszahlen umzukehren, muss das berufliche Bildungssystem in der nächsten Legislaturperiode attraktiver und zeitgemäßer gemacht werden. Bestehende Ausbildungsordnungen sollten spätestens alle drei Jahre auf Aktualität überprüft und entsprechend modernisiert werden. Neue Ausbildungsberufe müssen in maximal 1,5 Jahren entwickelt und in den Markt eingeführt sein. Außerdem sollte das IHK-Konzept „Dual mit Wahl“ konsequent umgesetzt werden, indem u.a. Ausbildungsberufe in Berufsgruppen geclustert, Ausbildungsinhalte bei Bedarf verschlankt und Fortbildungsinhalte bei Interesse in die Erstausbildung verlagert werden. Darüber hinaus sollte der Stellenwert nebenberuflicher betrieblicher Ausbilder/innen gestärkt werden, etwa durch eine neue bundeseinheitliche Berufsbezeichnung sowie verbindliche und kontinuierliche Weiterbildung.
Systemdurchlässigkeit erhöhen und Imageproblem der Beruflichen Bildung lösen
Die formale und in der Öffentlichkeit oftmals postulierte Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung wird von Berufsweg-Entscheidern oft nicht wahrgenommen. Karrierechancen und Aufstiegsoptionen werden unterschätzt oder sind nicht bekannt. Ziel der Bundesregierung muss es sein, die Systemdurchlässigkeit weiter zu erhöhen und eine Symbiose der Bildungswege zu erreichen. Hierfür sollten u.a. die neuen Abschlussbezeichnungen auch im IHK-Bereich zügig umgesetzt sowie freier Zugang zum Masterstudium aus der Höheren Berufsbildung ermöglicht werden. Um die berufliche Bildung bei den Zielgruppen als attraktiven Karrierestart zu positionieren, sollte die talentorientierte Berufsorientierung zum Standard ausgebaut und flankierend eine zeitgemäße Social Media-Kampagne durch das Bundesbildungsministerium umgesetzt werden.
New Work ermöglichen
Die Pandemie hat tradierte Strukturen in der Arbeitswelt aufgebrochen und einen Flexibilisierungsschub in den Unternehmen ausgelöst. Dem müssen zeitgemäße arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen, insbesondere die Liberalisierung des Arbeitszeitgesetzes, Vereinfachungen bei der Arbeitnehmerüberlassung und individuelle Lösungen beim mobilen Arbeiten Rechnung tragen. Zur weiteren Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte zudem der neu eingeführte Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder durch einen flächendeckenden Ausbau von Ganztagsangeboten in Rand- und Ferienzeiten unterfüttert werden. Um auf die sich ändernden Anforderungen und Qualifikationen zu reagieren, sollte die Bundespolitik Unternehmen und Beschäftigten noch stärkere Anreize für Weiterbildung und berufsbegleitendes Lernen setzen. Dazu zählen die Fokussierung von Bildungsprämien auf digitale Kompetenzen, flächendeckende Beratungsangebote und die bessere Bewerbung bestehender Fördermöglichkeiten.