Titel - Ausgabe 03|2022

Innenstädte unter Druck

Nicht nur Corona hat den Gewerbetreibenden in Innenstadtlagen zugesetzt

Geschlossene Läden, trostlose Fußgängerzonen. Corona hat vor allem den Gewerbetreibenden in Einzelhandel, Gastgewerbe und Kulturwirtschaft stark zugesetzt. Doch nicht erst seit Corona stehen die Innenstädte unter Druck. Vielfach sind die Probleme von struktureller Natur, denn nicht nur das Konsumentenverhalten hat sich geändert, auch die Digitalisierung verändert den Markt. Die IHK für Oberfranken Bayreuth hat nun eine Kampagne „Attraktive Innenstädte“ gestartet. Den Startschuss gab die IHK-Vollversammlung mit der Verabschiedung einer Resolution, die in einem breiten Konsultationsprozess mit Vertretern verschiedener Branchen erarbeitet wurde.

Innenstädte und Ortszentren vital, attraktiv und zukunftsfähig zu halten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die weder die Wirtschaft noch die Kommunen allein bewältigen können.
„Mit unserer Initiative wollen wir Impulse für einen Transformationsprozess geben, aus dem zentrale Lagen in Städten als attraktive Standorte für Unternehmen, Bewohner, Arbeitnehmer und Besucher hervorgehen. Schließlich wollen wir alle Innenstädte, in denen Menschen gleichermaßen wieder wohnen, lernen, arbeiten und einkaufen“,

betont IHK-Hauptgeschäftsführerin Gabriele Hohenner.


Dafür braucht es ein intelligentes Zusammenwirken aller beteiligten Kräfte, wobei alle Akteure ihre Stärken ausspielen müssen: die Kommunen ihre Koordinierungs- und Bündelungsfunktion, die Gewerbetreibenden mehr Service- und Kundenorientierung, die Kulturschaffenden attraktive Aktionen für alle Zielgruppen. Gelingt es nicht, den Trend zu stoppen, droht eine Abwärtsspirale: Geschlossene Läden reduzieren die Attraktivität der Lagen, es kommen weniger Besucher, die weniger kaufen, woraufhin weitere Händler und Gastronomiebetriebe vor dem Aus stehen. Am Ende werden die Innenstädte noch trister und verlassener. 

Vielfalt und Lebendigkeit

Auf der Basis der Resolution will die IHK nun mit kommunalen Mandatsträgern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommunaler Verwaltungen sowie Unternehmen innenstadtrelevanter Branchen ins Gespräch kommen und vor Ort attraktivitätssteigernde Ansätze erarbeiten.
„Die Lösung ist eine Stadt der kurzen Wege. Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Kultur erleben und gastronomische Vielfalt müssen zusammengehören und dürfen sich nicht ausschließen. Die Kombination der verschiedensten Nutzungen sorgt für Vielfalt und damit für Lebendigkeit“,

so Stellvertretender Hauptgeschäftsführer Wolfram Brehm, in dessen Verantwortung die IHK-Kampagne liegt.

Innenstädte müssen für die Einwohnerinnen und Einwohner, aber auch für Tages- und Urlaubsgäste, einen attraktiven Mix aus Einkaufen, Kultur- und Kreativwirtschaft, Freizeit, Entspannung sowie Raum für Austausch und Begegnung bieten.

Ein Patentrezept zur Belebung der Innenstädte gibt es freilich nicht, aber einen Instrumentenkasten, aus dem sich die Verantwortlichen bedienen können. So plädiert die IHK in ihrer Resolution für mehr Handlungsfreiheit für Unternehmen in innenstadtrelevanten Branchen sowie den Abbau regulatorischer Schranken in der Stadtentwicklung.
„Unternehmen in Innenstadtlagen brauchen vor allem Chancengleichheit zu Wettbewerbern aus dem Online-Vertrieb und Stadtrandlagen“,

betont IHK-Projektleiter Thomas Zapf, und wirbt für niedrige finanzielle Belastungen durch Kommunalsteuern und Abgaben sowie schnelle Genehmigungsverfahren, etwa für Sondernutzungen.

Nur gemeinsam kommt man zum Ziel

Was vielen Innenstädten fehlt, ist die Besucherfrequenz. Früher galt der Handel als wichtigster Frequenzbringer einer Stadt. Die Menschen fuhren in die Stadt, um einzukaufen. Heute motivieren vor allem Erholungswert und Erlebnischarakter zu einem Besuch, sei es weil kulturelle „Events“ durchgeführt werden oder durch städtebauliche Maßnahmen Räume mit Erlebnisqualität entstanden sind.
„Mehr Frequenz ist immer gut, aber Events und Aktionen müssen aufeinander abgestimmt und koordiniert sein, damit es gelingt, Betroffene zu Beteiligten zu machen“,

meint Zapf.

Die Angebote einer Stadt müssen aus seiner Sicht zielgruppenspezifisch und emotional ansprechend gestalten werden.
„Das Ziel der Frequenzsteigerung muss im Sinne einer öffentlich-privaten Partnerschaft als gemeinsame Aufgabe von Kommunen, Immobilieneigentümern, Standortgemeinschaften, innerstädtischen Gewerbetreibenden sowie der Kultur- und Kreativwirtschaft verstanden werden. Nur gemeinsam kommt man zum Ziel“.

Auch den Gewerbetreibenden in Innenstadtlagen schreibt die IHK Hausaufgaben ins Stammbuch. Der Service muss exzellent sein und den Kunden Mehrwerte gegenüber dem „PC auf dem Sofa daheim“ bieten. Darüber hinaus kann der Innenstadthandel mit After-Sales-Services punkten, etwa online aussuchen/beraten – vor Ort anprobieren, digitale Terminvereinbarung oder Lieferung der vor Ort gekauften Ware nach Hause. Potenzial sieht die IHK zudem in der Möglichkeit der Verknüpfung von Leistungen in Form von branchenübergreifenden Kombinationsangeboten zwischen Handel, Gastro und Kultur.
„Einheitliche Öffnungszeiten wären ein guter Anfang“,

so Zapf.

Nachholbedarf im Online-Bereich

Vielfach besteht im Online-Bereich Nachholbedarf, insbesondere hinsichtlich der Auffindbarkeit im Internet. Dabei ist der Online-Handel nicht nur Konkurrenz, er bietet auch Umsatzpotenziale, etwa durch Cross- oder Multi-Channel-Strategien, vom Außerhausverkauf bis zum „ghost-kitchen“, mit deren Hilfe sich Unternehmen neue Absatzkanäle und Kundenkreise erschließen können. Innenstadtlage und Online-Auftritt können sich gegenseitig befruchten. Und ist über die Perspektive des Einzelunternehmers dann auch noch eine Werbegemeinschaft oder ein Stadtmarketing online aktiv, werden Angebote sichtbar gemacht. Für den Ausbau digitaler Lösungen gibt es vom Staat oft finanzielle Unterstützung. Lotsenfunktion bei der Inanspruchnahme von Förderprogrammen übernimmt die IHK und veranstaltet Schulungen mit Top-Partnern wie Google und eBay.

Die Kommunen sieht die Industrie- und Handelskammer vor allem in der Verantwortung, die Leerstände zu verringern.
„Bei der Revitalisierung von Leerständen und Brachen ist die effektive Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure gefragt, um zeitnah auch unkonventionelle Geschäftsideen entstehen zu lassen. Multifunktionalität muss oberstes Ziel sein“,

betont Wolfram Brehm.

Pop-Up-Konzepte, Co-Working-Spaces und andere Formate könnten interessante Zwischennutzungen darstellen. Daher müsse man bestehende Flächen auch unbürokratisch für neue Nutzungen umwidmen können. Förderlich ist dafür eine integrierte Stadtentwicklung und -planung nach dem Motto „innen vor außen“. Auch dafür gibt es staatliche Förderung von Bund, Land und EU.

Oberfranken ist ein ländlich strukturiertes Gebiet, das durch zahlreiche vitale Ortszentren geprägt ist. Doch was für die Städte gilt, gilt im Kleinen auch für die Ortszentren. Sie müssen ihre Attraktivität erhalten, damit Menschen den ländlichen Raum gerne bewohnen. Wichtig ist es, in den Gemeinden vor allem die Daseinsvorsorge zu sichern, etwa Breitband-Internet sicherzustellen und Nahversorgungsangebote für den Einkauf, Arzt und Apotheke, vorzuhalten.

Nicht nur mit den Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen will die IHK nun ins Gespräch kommen. Auch die große Politik wird eingebunden. So hat man Finanz- und Heimatminister Albert Füracker zu einem Kommunalforum eingeladen, um weitere Unterstützungsmöglichkeiten durch den Freistaat abzufragen. Auch diese Veranstaltung wird unter dem Motto der IHK-Kampagne stehen: „Attraktive Innenstädte“.

10 Anregungen zur Attraktivierung der Innenstädte:

  1. Regulatorische Schranken in der Stadtentwicklung müssen abgebaut und Anreize zur Kooperation zwischen Gewerbetreibenden geschaffen werden.
     
  2. Innenstadtentwicklung geht alle an, alle Gewerbetreibenden müssen sich engagieren. Branchenübergreifende Digitalisierung ist dabei die wichtigste Aufgabe, denn digitale Sichtbarkeit eröffnet neue Märkte, digitale Services generieren neue Kunden.
     
  3. Standortmarketing und Webegemeinschaften sollten digitale Schaufenster und Marktplätze realisieren. Dazu müssen sie ausgestattet und im Geiste einer öffentlich-privaten Partnerschaft geführt werden.
     
  4. Die Gewerbetreibenden sollten sich auf einheitliche Öffnungszeiten einigen und branchenübergreifende Kombinationsangebote zwischen Handel, Gastro und Kultur entwickeln. Betriebszeiten von Küchen müssen flexibler werden, Gewerbemieten sich an der Rentabilität der Betriebe orientieren.
     
  5. Innenstadtakteure müssen mit Mehrwerten Attraktivität zu schaffen (z.B. kostenloser Museumsbesuch beim Einkauf). Das setzt die Vernetzung und Koordination der verschiedenen Leistungsanbieter und den Willen zur Zusammenarbeit voraus.
     
  6. Nicht mehr benötigte Flächen müssen unbürokratisch für neue, andersartige Nutzungen umgewidmet werden können. Zur Inanspruchnahme staatlicher Förderung ist dazu ein ganzheitliches Innenstadtentwicklungskonzept (ISEK) unerlässlich.
     
  7. Es muss ausreichend günstig gelegener Parkraum geschaffen werden, speziell auch für Fahrzeuge mit nachhaltigen Antriebstechnologien.
     
  8. Öffentlicher Nahverkehr muss im Zentrum der Maßnahmen zur Frequenzsteigerung stehen, die Innenstadt regional und überregional an den ÖPNV angebunden sein.
     
  9. Alle Akteure aus Stadt und Umland müssen zusammenarbeiten und innerstädtische Angebote und Umland-Attraktionen auf einer gemeinsamen Plattform sichtbar machen.
     
  10. Die Kommune muss finanzielle Belastungen der Gewerbetreibenden durch Kommunalsteuern und Abgaben so gering wie möglich halten und das Geld besser in den Betrieben lassen. Wichtig ist es, Chancengleichheit zu Wettbewerbern aus dem Online-Vertrieb und Stadtrandlagen herzustellen.
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