„Aufholen müssen wir in Sachen Risikobereitschaft“

Für viele innovative Start-up spielt Venture Capital ins Spiel, zu Deutsch: Risiko- oder Wagniskapital eine große Rolle. Im Gespräch mit der „Oberfränkischen Wirtschaft“ plädiert Dr. Jannik Lockl, Gründer mehrerer Unternehmen und Experte für Venture Capital, für mehr Risikofreude im deutschen Mittelstand.

Was fasziniert Sie an Start-ups?
Start-ups stehen wie kein anderes Konstrukt für Neues, Innovatives und die Zukunft. Mich faszinieren die Arbeit an der Innovation und damit einhergehend das Disruptive, die extreme Pace, die man in diesen Unternehmen findet - die leidenschaftlichen Mitarbeitenden, die Lust haben etwas umzusetzen. Dabei herrscht natürlich ein hoher Druck, insbesondere, wenn andere gerade an einer ähnlichen Technologie arbeiten. Jedermanns Sache ist das nicht, darauf muss man Bock haben. Ich selbst fühle mich in solchen Settings wohl und mich pusht das auch, wenn ich Nachtschichten einlege und mit unseren Programmierern Energydrinks trinke (lacht).

Sie bewegen sich nun seit einigen Jahren im Bereich Venture Capital. Worin sehen Sie Stärken und Schwächen der deutschen Venture-Capital- bzw. Start-up-Landschaft?
Wir sind international angesehen für unsere Forschung. Aufholen müssen wir in Sachen Risikobereitschaft, bzw. dem Transfer aus der Forschung in die marktwirtschaftliche Umsetzung. Am liebsten würden, finanziert durch öffentliche Mittel, wir erst ganz lange forschen, jegliches Risiko minimieren und dann – wenn’s „a gmahde Wiesn“ ist – loslegen. Dazwischen ist in der Realität aber meist eine große Lücke, und da kommt dann Venture Capital ins Spiel, zu Deutsch: Risiko- oder Wagniskapital ins Spiel. In anderen Ländern wird es übrigens Chancenkapital genannt, was schon sehr vielsagend ist.

Es wird hierzulande also mehr als Wagnis denn als Chance gesehen?
In der Tat besteht bei Venture-Capital-Finanzierungen ein hohes Ausfallrisiko. Es kann sein, dass bei einer hochinnovativen Technologie der Transfer von der Forschung in die Praxis und später die Profitabilität womöglich nicht gelingt. Das führt leider dazu, dass viele potenzielle Geldgeber, deren Hilfe notwendig wäre, sich in dieser Phase zurückhalten. Der klassische deutsche Mittelständler investiert vor allem in Steine und Maschinen; also insbesondere Investitionen rund um das Kerngeschäft. Er investiert aber in der Regel beispielsweise nicht in einen Venture-Capital-Fonds. Das ist in anderen Ländern anders, nicht nur in den USA und Großbritannien, sondern z.B. auch in Frankreich, Skandinavien, Benelux - eigentlich überall um uns herum. Das hat nicht zuletzt dazu geführt, dass wir in der Technologieentwicklung in den letzten 20 Jahren in den meisten Bereichen abgehängt wurden.

Welche Gedankenanstöße möchten Sie dem Mittelstand mitgeben, wenn dieser an Start-ups bzw. Venture Capital-finanzierte Unternehmen denkt?
Um Hochtechnologie zu fördern, braucht man in der Regel auch Risikokapital. Die Zeiten vor der globalisierten Welt, in denen man wirklich noch Zeit zum Tüfteln hatte, sind vorbei. Dessen muss man sich bewusst sein. Ja, es kann sein, dass man in fünf, sechs Start-ups investieren muss, bevor das Siebte dann funktioniert. Dann stößt man aber oft auf überproportional hohe Renditen und das Siebte macht die Verluste der vorherigen wieder wett. So kann man am Ende – insgesamt gesehen – eine vernünftige Rendite erzielen und hat dabei gleichzeitig bei einem hochinnovativen Unternehmen den Fuß in der Tür. Und die Innovation im Haus.

Beim IHK-Kooperationsforum „Start-up meets Mittelstand“ ist Dr. Jannik Lockl als Teilnehmer der Podiumsdiskussion und Fachpanel-Experte zu Gast.
© Wear It Berlin
Zur Person: Der mehrfach ausgezeichnete Gründer Dr. Jannik Lockl konnte in seinen bisherigen Gründungen sowohl öffentliche Förderungen (z.B. Medical Valley Award, EXIST FT) als auch VC-Runden (u.a. HTGF, Bayern Kapital, Carma Fund) erfolgreich abschließen. Aktuell ist er CEO & Co-Gründer des VC-finanzierten MedTech-Startups inContAlert GmbH und Geschäftsführer des mittelständischen Familienbetriebs Gebr. Lockl GmbH.
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