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Drache trifft Elefant
Warum Unternehmen weiterhin in China tätig sind und warum Indien für sie immer interessanter wird, diese Fragen standen im Mittelpunkt der IHK-Veranstaltung „Drache trifft Elefant: Austausch zu den Riesen der asiatischen Wirtschaft“.
Standpunkte oberfränkischer Unternehmen
- Warum Indien?
Indien spielt gegenwärtig und in der Zukunft eine tragende Rolle für die Entwicklung der Weltwirtschaft. Das Land zeigt eine stabile wirtschaftliche Entwicklung und gehört mittlerweile zu den Top 5 Automobilnationen der Welt. Folglich beschäftigen sich verstärkt europäische Autohersteller und Zulieferer mit dieser Region, wobei ein Engagement in diesem Markt enorme Besonderheiten mit sich bringt. Eine fundierte Abschätzung der Chance und Risiken bildet daher eine wesentliche Grundlage für einen Einstieg bzw. die Marktdurchdringung.Die Chance zeigen sich zunächst im sehr hohen Wachstumspotenzial des bevölkerungsreichsten Landes der Erde – und zwar nicht nur in der Automobilindustrie, sondern auch in anderen Branchen. Zusätzlich deuten viele Indikatoren darauf hin, dass ein enormes Wachstumspotenzial in der Zukunft vorliegt, da der Subkontinent einen stabilen Wachstumspfad mit geringerer Volatilität im Vergleich zur Vergangenheit beschritten hat. Des Weiteren verfügt das Land über ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an hoch motivierten, sehr lernfähigen und lernwilligen Human Ressourcen sowohl bei Akademikern als auch Fachkräften für den Shop Floor. Auch als Export Hub wird Indien in der Zukunft in Asien eine wichtigere Rolle spielen, da China hinsichtlich Direktinvestitionen kritischer betrachtet wird. Ein neuer Aspekt insbesondere für Mittelständler liegt darin, dass sich Indien als Beschaffungsmarkt für Betriebsmittel, Werkzeuge und Dienstleistungen anbietet. Große Konzerne bilden beispielsweise bei der Auslagerung von IT-Dienstleistungen oder Call Centern ein nachahmenswertes Vorbild. Nicht zuletzt besteht die Möglichkeit, dass Indien von einer restriktiven Handels- und Wirtschaftspolitik zwischen USA bzw. Europa und China profitiert. Als Folge besteht die Möglichkeit einer verstärkten Verlagerung von Produktion für globale Bedarfe von China nach Indien.
Neben den Chancen sind natürlich auch die Risiken eines Markteintritts gebührend zu beachten. Insbesondere deutsche Unternehmen weisen aktuell einen geringen Marktanteil in der Automobilindustrie aus, denn historisch bedingt dominieren indische, japanische und koreanische Unternehmen. Für deutsche Zulieferer erschwert sich damit die Marktbearbeitung, da es schwierig ist, in asiatisch geprägte Supply Chains einzudringen. Das größte Risiko bildet wohl die unglaubliche Preissensibilität des Marktes. Hieraus ergeben sich extreme Anforderungen an das Kostenmanagement, denn das Primat des Preises und der Kosten betrifft die gesamte Wertschöpfungskette. Die Vereinbarkeit von deutschem Know-how und Standards mit den lokal geforderten Marktpreisen erfordert in diesem Zusammenhang einen differenzierten Ansatz. Es geht nicht darum, das beste Resultat mit den besten Mitteln zu erzielen, sondern das geforderte Ergebnis mit einer optimalen Kostenstruktur zu erreichen. Bereits bei den Investitionen in Fertigungstechnologien und Fertigungsprozesse gewinnt nicht die beste, sondern die ausreichende Lösung. Nahezu ebenso bedeutend als Risikofaktor sollte man kulturelle Unterschiede einordnen, die zunächst kaum auffallen und peu à peu ans Licht treten. Insbesondere für die wirtschaftliche Tätigkeit wären diesbezüglich die große Bedeutung von Hierarchien, die geringere Eigeninitiative und weiniger offene Kommunikation zu nennen.
Als Schlussfolgerung bleibt festzuhalten, dass international aufgestellte Unternehmen den indischen Markt als Ergänzung und nicht als Substitut für China benötigen. Dabei erscheint jedoch eine Anpassung an lokale Besonderheit bei Fertigung, Kostenmanagement und Leadership unabdingbar. Eine angepasste Marktbearbeitungsstrategie, die langfristig ausgerichtet ist, ermöglicht sehr gute Rentabilitätsperspektiven. Indien stellt einen idealen Export Hub für die Belieferung weiterer Länder in Asien dar. - „Immer mehr Unternehmen profitieren von der großen Anzahl von Fachkräften“
„An Indien führt kein Weg mehr vorbei“: Davon ist Stefan Halusa, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Indischen Handelskammer (AHK Indien), überzeugt. Seit Ende der Corona-Pandemie empfängt der ehemalige Brose-Manager im Wochentakt Delegationen international tätiger Unternehmen.Premierminister Narendra Modi hat im Juni 2024 seine dritte Amtszeit angetreten. Was bedeutet der Wahlausgang für die rund 2.000 deutschen Unternehmen, die bereits in Indien aktiv sind, aber auch für solche, die jetzt erst starten wollen?Stefan Halusa: Für die deutsche und internationale Wirtschaft bedeutet der Wahlausgang, dass der wirtschaftspolitische Kurs fortgesetzt wird. Im Fokus werden weitere Investitionen in die Infrastruktur und in die verstärkte Schaffung von industriellen Arbeitsplätzen stehen. Damit verbunden sind auch Investitionsanreize der Regierung.
Wo locken künftig die besten Chancen für die deutsche Wirtschaft?Halusa: Neben der Infrastruktur sehe ich großes Potenzial für Maschinen- und Werkzeugbauer. Aber auch die anderen Traditionsbranchen wie Automotive, Chemie, Pharma, Medizintechnik, erneuerbare Energien und Wasserstoff werden vom Aufstieg der indischen Volkswirtschaft profitieren. Fortsetzen wird sich zudem der Trend, dass Indiens Bedeutung als Entwicklungsstandort wächst. Immer mehr Unternehmen richten vor Ort Global Capability Center ein und profitieren dabei von der großen Anzahl von Fachkräften.
Welche Funktionen lagern die Unternehmen nach Indien aus?Halusa: Neben Software und der Entwicklung von Software geht es inzwischen auch um Produkt- und Prozessentwicklung für die globale Organisation. Es gibt schon heute sehr viele KI-Spezialisten in Indien, mehr Expertise als in Deutschland und eine große Offenheit gegenüber künstlicher Intelligenz. Die Unternehmer fragen sich, wie sie den indischen Standort für ihre globale Organisation nutzen können.
Auf welche Herausforderungen müssen sich Newcomer und vor Ort bereits tätige Unternehmen einstellen?Halusa: Die Unternehmen hoffen vor allem auf einen weiteren Bürokratieabbau und erwarten eine weitere Vereinfachung des Steuersystems. Unverändert müssen sich die Firmen darauf einstellen, dass es nicht das eine Indien gibt, sondern 28 Bundesstaaten mit komplexer und individueller Regulatorik. Man muss die Standorte sehr genau vergleichen.
Die südkoreanische Hyundai hat in Indien den ersten Börsengang eines Automobilherstellers seit zwei Jahrzehnten angekündigt, das wäre einer der größten Börsengänge der Geschichte. Was bedeutet das für Indien?Halusa: Das ist ein sehr eindeutiges Signal für den Standort und zeigt, dass Hyundai und der Kapitalmarkt noch ein deutliches Wachstum auf dem Automobilmarkt erwarten. Anders als die deutschen Hersteller, die sich in Indien noch auf die Endmontage fokussieren, verfügt Hyundai aber bereits über die komplette Fertigung und wesentlich höhere Volumina.Interview: Eli Hamacher - Standbeine in China und Indien
Mit einer bis 1523 zurückreichenden Glasmacher-Familientradition und der Unternehmensgründung im Jahre 1622 gehört die HEINZ-GLAS Group heute zu den führenden Herstellern von Glas-Flakons und Tiegeln für die Parfüm- und Kosmetikindustrie. Ergänzt wird dieses Portfolio durch ein Angebot an verschiedenen Kunststoffbehältern und -Verschlüssen. Dazu kommen vielfältige Veredelungsmöglichkeiten wie Mattierung, ein- und mehrfarbige Besprühung, Siebbedruckung, (Teil-)Metallisierung, Heißprägung, Tampondruck, Digitaldruck, Lasern und auch Lasergravur, die jedem Flakon eine individuelle Note geben.Die Produkte werden von Kunden in aller Welt geschätzt. Gegründet in Piesau, mit Hauptsitz in Kleintettau, präsent an 18 Standorten in 13 Ländern der Welt, ist HEINZ-GLAS ein Familienunternehmen in der 13. Generation – und damit eines der ältesten in Deutschland.
HEINZ-GLAS ist in Asien mit einem Joint Venture in Kosamba/Indien, einem Produktionswerk in Changzhou/China und einem Sales Office in Shanghai vertreten. Unser Werk in China ist ein Neubau auf der grünen Wiese. Anfang 2022 lief hier die Produktion an.
Die Aktivitäten des Unternehmens in China und Indien unterscheiden sich signifikant. Während China in den urbanen Regionen durch eine effiziente Infrastruktur verbunden mit hoher Mobilität, Digitalisierung und einer sehr hohen Geschwindigkeit im Geschäftsleben geprägt ist, bleibt Indien momentan noch hinter den Wachstumserwartungen zurück und beginnt nur langsam aufzuholen. Trotz der zunehmenden Veränderungsgeschwindigkeit in Indien bleibt vor allem beim Thema Infrastruktur ein deutlicher Nachholbedarf des mittlerweile bevölkerungsreichsten Landes der Erde bestehen.
Beide Länder bieten einen großen Pool von zum Teil gut qualifizierten Arbeitskräften in den unterschiedlichsten Bereichen der Wirtschaft. In Indien sind die Lohnkosten verglichen mit Staaten der westlichen Welt sehr niedrig, während in China die Löhne in den Metropolregionen bereits fast das europäische Niveau erreicht haben.
Geopolitische Abwägungen in der Region veranlassen zurzeit viele Firme, ihre Strategien für den asiatischen Raum zu überprüfen. Hierbei kommen viele Firmen wie auch HEINZ-GLAS zu dem Schluss, dass lokale Diversifizierung, Differenzierung im Portfolio, Marktgröße und Wachstumspotenzial Standbeine bzw. Aktivitäten in beiden Ländern rechtfertigen. - RAPA goes China
Als Zulieferer der Automobilindustrie mit globaler Kundenstruktur hat man sich in den letzten Jahren zwangsläufig die Frage zu stellen, ob mit den aktuellen Rahmenbedingungen ein Footprint auf dem chinesischen Markt weiterhin einen sinnvollen Erweiterungsschritt darstellt. Mit einer über 100-jährigen Firmengeschichte am Standort Selb war RAPA zuletzt 2014 erfolgreich den Weg in die USA gegangen, um einen der wichtigsten Automobilmärkte vor Ort bedienen zu können. Nicht, um vor Ort günstiger zu fertigen, sondern um die Kundenbedürfnisse spezifisch abzudecken und auch dem Ruf nach individueller Produktentwicklung Rechnung zu tragen.Die erste Welle der Lokalisierung von deutschen Zulieferern in China liegt zeitlich weit hinter uns und war vor allem geprägt durch den starken Kapazitätsaufbau deutscher OEMs in China. Aufgrund der Konzentration auf Nischenprodukte aus dem High-End-Segment (z.B. aktive Fahrwerksregelsysteme) hat RAPA diese Bedarfe seither immer aus Selb bedient. Erst 2019 wuchs für uns die Erkenntnis, dass chinesische OEMs im Rahmen der „Made
in China 2025“-Offensive im Bereich der Premium Automobile massiv wachsen wollten. Automobilbau wird als Schlüsseltechnologie in China gesehen und gerade für deutsche „Hidden Champions“ sind die Rahmenbedingungen für Investitionen massiv verbessert worden. Das Ziel, deutsche Premiumtechnologie in chinesische Fahrzeuge zu bringen, hat den entscheidenden Anstoß für die Lokalisierung von RAPA gegeben.
Die markt- und produktspezifischen Rahmenbedingungen hätten dazu nicht besser sein können: Die staatliche Förderung der Elektromobilität in China mit ihrer hohen Korrelation zur Luftfederung im PKW sowie die Tatsache, dass RAPA in diesem Produktsegment Weltmarktführer war und ist, haben der Akquise für lokale Projekte massiv geholfen. In weniger als zwei Jahren konnte RAPA die Initialprojekte für das Lokalisieren drei verschiedener Produktfamilien generieren.
Die Standortfrage wurde mit Hilfe eines Kernteams aus Geschäftsleitung sowie eines lokalen Teams rund um den damals designierten China-Geschäftsführers, Dr. Zinan Wang, vorangetrieben. Im Technologiepark SGIP in Jintan in der Provinz Jiangsu hat man sich auf die Ansiedlung von deutschen Unternehmen aus dem Bereich Automotive, Biotechnologie und Maschinenbau spezialisiert und für perfekte Rahmenbedingungen zur Talentakquise (Technische Hochschule etc.), wissenschaftlicher Innovationen und hohen Ausbildungsstandards gesorgt. Mit einer Investition von ca. 45 Mio. EUR für den ersten Bauabschnitt sowie einem prognostizierten Jahresumsatz von ca. 75 Mio. EUR ab dem Jahr 2026 hat RAPA damit den Sprung zur Präsenz in der Triade erfolgreich umgesetzt.
Für ein traditionelles Familienunternehmen wie RAPA ist vor allem wichtig, dass der Spirit einer Familienfirma auch in China entsprechend umgesetzt wird und damit die interkulturelle Zusammenarbeit fordert und fördert. Mit regionaler Geschäftsführung und einem Expertenteam aus chinesischen High Potentials ist uns das analog unserer US-Erweiterung erfolgreich gelungen.
Kontakt
Dr. Johanna Horzetzky
Leiterin Stabsstelle International
Internationale Wirtschaftspolitik/Außenwirtschaftsrecht
Janina Kiekebusch
Europäischer Handel und EU-Politik