Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen im globalen Seefrachtverkehr

Aktuelle Entwicklungen im Seefrachtverkehr haben erheblichen Auswirkungen auf die globalen Lieferketten und die globale Logistik. Über die Herausforderungen, denen sich der Seeverkehrssektor gegenübersieht, sprachen wir mit Olaf Schaefer, Mitglied im Außenhandelsausschuss der IHK für Oberfranken Bayreuth.
Seit Ende des Jahres 2023 sind die Frachtraten im Seeverkehr erneut deutlich angestiegen und weisen generell eine große Volatilität auf.

Entwicklung der Frachtraten im letzten halben Jahr und Ausblick

Bei den Frachtraten (Containerpreisen) muss immer die Route in Betracht gezogen werden. Auf dem sogenannten Westbound-Trade (von Asien nach Europa) bewegen sich aktuell – im September 2024 – die Frachtraten nach unten.“

Olaf Schaefer

Mit dem Westbound-Trade in der Schifffahrt bzw. der Transport-Logistik sind die Schiffsrouten von den asiatischen Häfen, u.a. aus China zu den North Continent Main Ports gemeint. Dazu gehören: Hamburg, Bremerhaven, Rotterdam, Antwerpen, Felixstowe und Le Havre.

Die Hauptgründe für den ursprünglichen Anstieg sind die Umgehung des Suezkanals aufgrund der erhöhten Sicherheitsrisiken im Roten Meer und die damit verbundenen Umwege um das Kap der Guten Hoffnung. Diese etwa 6.000 Kilometer längere Route rund um Afrika führt zu höheren Treibstoffkosten und verlängerten Transportzeiten, was die verfügbaren Kapazitäten reduziert und die Frachtraten weiter in die Höhe treibt. Hin- und Rückweg verlängern sich so um bis zu 21 Tage.
Das Risiko eines Zwischenfalls, wie in den letzten Wochen mehrfach erlebt, ist einfach zu groß und das Leben und die Sicherheit der Schiffsbesatzungen geht vor. Die Route um das Kap der Guten Hoffnung hat längere Transit-Zeiten zur Folge, was aber auch den Vorteil eines schwimmenden Lagers haben kann. Je nach dem, wann die Güter in Europa gebraucht werden.

Olaf Schaefer

Die vermehrte Nutzung der alternativen Route entlang des Kaps der Guten Hoffnung führt zu Engpässen in den Häfen und einem Nachfrageüberschuss, der die Frachtraten weiter steigen lässt. Während die Lieferzeiten sich deutlich verzögern, sind Materialknappheiten bislang nicht aufgetreten. Dennoch erhöhen die steigenden Frachtraten die Inflationsrisiken in Deutschland, was sich bereits in steigenden Importpreisen und möglichen Produktengpässen im Einzelhandel zeigt.

In den kommenden Monaten ist eine Entspannung der Frachtraten wenig wahrscheinlich. Die geopolitischen Unsicherheiten, insbesondere im Roten Meer, bleiben bestehen. Während im Sommer 2024 eine leichte Entspannung durch die Reduzierung der stillstehenden Containerschiffe zu beobachten war, treibt das beginnende Weihnachtsgeschäft die Nachfrage erneut an, was die Frachtraten weiter erhöhen könnte.
Die Reedereien gehen immer mehr zu den sogenannten ,blank sailings‘ über, das heißt Schiffe fahren Häfen oder Regionen nicht an, um die Kapazitäten zu verknappen und die Raten stabil zu halten. Wir haben Informationen, dass es einen PSS (Peak Season Surcharge: „Hochsaison-Zuschlag“) zum Herbst geben wird. Des Weiteren ist geplant, Schiffe aus dem Europa-Trade nach Asien in den Transpazifik-Trade zu verlegen. Letzterer ist von den Frachteinnahmen lukrativer als der Europa-Trade. Das würde eine weitere Verknappung des Schiffsraumes bedeuten und eine eventuelle Ratenerhöhung für den Westbound-Trade zur Folge haben. Die nächsten Wochen werden auf jeden Fall noch sehr spannend werden.

Olaf Schaefer


Olaf Schaefer ist Mitglied im Außenhandelsausschuss der IHK für Oberfranken Bayreuth, gelernter Speditionskaufmann und seit 38 Jahren in der internationalen Transport-Logistik tätig. Er hat in Asien und Südafrika für internationale Logistikunternehmen gearbeitet. Aktuell ist der Niederlassungsleiter der M&M air sea cargo GmbH in Nürnberg.

Transportalternativen und Diversifizierung

Unternehmen reagieren auf die angespannte Situation im Seeverkehr mit der Suche nach Alternativen, um ihre Lieferketten stabil zu halten. Hierbei bieten sich verschiedene Optionen:
  • Alternative Seerouten: Die Umfahrung des Suezkanals über das Kap der Guten Hoffnung ist eine gängige, jedoch kostspielige und zeitintensive Alternative. Eine komplette Umgehung von Krisenregionen ist jedoch oft nur begrenzt möglich.
  • Landwege (Eurasische Korridore): Der nördliche Landkorridor über Russland und Kasachstan sowie der Mittlere (transkaspische) Korridor bieten wichtige Alternativen zum Seehandel. Obwohl der nördliche Korridor aufgrund der Sanktionen gegen Russland volatil bleibt, gewinnt er an Bedeutung, da er schneller als die Seeroute ist. Der Mittlere Korridor über Zentralasien und das Kaspische Meer wird durch europäische und chinesische Investitionen in Infrastrukturprojekte gefördert, hat aber derzeit noch mit erheblichen Hindernissen zu kämpfen. Auch der südliche Korridor, der von der tadschikisch-chinesischen Grenze über Zentralasien und Iran in Richtung Türkei verläuft, ist wegen internationaler Sanktionen gegen Iran derzeit keine Option.
  • Neue Lieferanten und Produktionsstandorte: Unternehmen könnten auch verstärkt auf europäische Zulieferer oder Standorte in geopolitisch stabileren Regionen setzen, um die Abhängigkeit von asiatischen Lieferketten zu verringern.
  • Schienengüterverkehr und Luftfracht: Für dringend benötigte Waren bietet der Schienengüterverkehr eine schnellere, jedoch teurere Alternative. Die Luftfracht bleibt die teuerste Option, ist aber für besonders zeitkritische Lieferungen unverzichtbar.
Wir empfehlen die Benutzung des Bahn-Produktes für den Warenverkehr von Asien nach Europa. Die Transit-Zeiten sind wesentlich kürzer als über den Seeweg und es ist ein sicherer Transportweg. Nachteil ist, dass Versicherungen aufgrund der geopolitischen Lage oft das Kriegsrisiko nicht absichern. Des Weiteren sind die Luftfrachtraten von Europa nach Asien enorm gefallen und bieten eine gute Alternative zum Seeschiff, natürlich kommt es auch hier auf das zu exportierende Produkt an.

Olaf Schaefer

Die aktuelle Situation im Welthandel zeigt, dass Unternehmen flexible und resiliente Lieferketten aufbauen müssen, um auf geopolitische Unsicherheiten und Störungen im globalen Seeverkehr besser reagieren zu können. Die Diversifizierung der Transportwege und die Erschließung alternativer Routen sind dabei entscheidende Maßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit auch in Krisenzeiten zu sichern.

Um sich über Alternativen für Ihre Lieferkette zu informieren, kontaktieren Sie uns gerne.
Quellen und weitere Informationen:
- Themen-Special GTAI
- Studie zu Frachtraten
Janina Kiekebusch
Europäischer Handel und EU-Politik