Unternehmen fordern: Aufwachen!

Mehrkosten für den eingekauften Strom 2023 von bis zu 750 Prozent im Vergleich zu 2022 melden oberfränkische Unternehmen, so die Ergebnisse einer aktuellen Blitzumfrage der IHK für Oberfranken Bayreuth. Die befragten Unternehmen haben auch klare Vorstellungen darüber, wie dieser Preisschub zumindest teilweise aufgefangen werden könnte.
Ein Großteil der befragten Unternehmen bekommt die aktuelle Entwicklung der Energiepreise mehr als deutlich zu spüren. 59 Prozent haben Investitionen verschoben oder bereits ganz gestrichen, 14 Prozent melden einen eingeschränkten Geschäftsbetrieb, 19 Prozent der Befragten wird die Zahl der Mitarbeitenden reduzieren müssen. Immerhin drei Prozent der Befragten befürchten sogar eine Insolvenz.

Durch die geplante Abschaltung der Kernkraftwerke rechnen 84 Prozent der Befragten mit einem weiteren Preisanstieg beim Strom, 70 Prozent beim Gas. 53 Prozent schließen eine Gasmangellage nicht aus, 58 Prozent befürchten Blackouts in der Stromversorgung.

89 Prozent fordern eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke

Auf die Frage, welche Wege begangen werden sollten, um das Stromangebot zu erhöhen und die Preise dadurch zu reduzieren, fordern 89 Prozent der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer eine Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken.
Das Votum der Unternehmen ist klar: Wir müssen für eine Übergangszeit auf Kernenergie setzen,

so Dr. Michael Waasner, Präsident der IHK für Oberfranken Bayreuth.

83 Prozent fordern: Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben

Fast ebenso viele der Befragten (83 Prozent) fordern aber auch eine Beschleunigung beim Ausbau erneuerbarer Energien. Als sehr wichtig wird außerdem die Erschließung neuer Bezugsquellen angesehen, etwa über LNG-Terminals (68 Prozent). 42 Prozent sprechen sich dafür aus, Kohlekraftwerke bis auf weiteres zu aktivieren. Den Auf- und Ausbau von Fracking in Deutschland sehen 21 Prozent als sinnvolle Maßnahme.

77 Prozent fordern einen Abbau bürokratischer Hindernisse bei den Erneuerbaren

Dr. Waasner: „Als besonders wichtig wird außerdem – das zeigen auch die vielen Kommentare bei den Forderungen an die Politik – die Beseitigung bürokratischer Hemmnisse beim Ausbau erneuerbarer Energien gesehen.“ Diese Position vertreten 79 Prozent der Befragten. Ein Unternehmensvertreter fordert konkret „Abschaffen aller konzessionellen und steuerlichen Hemmnisse für Photovoltaikanlagen bis 30 Kilowatt-Peak, für Blockheizwerke bis 50 Kilowattstunden, eine Förderung von Biogasnetzen, eine Entbürokratisierung der Rückspeisevergütungen und eine Vereinfachung des Förderdschungels.“ Ein anderer Befragter fordert konkret „Keine Parteipolitik, sondern Realpolitik betreiben und echte Experten befragen und keine Wunschideologen!“

Weniger Abgaben auf Energie als Entlastungsmaßnahme für Unternehmen

Eine weitere Möglichkeit, die Kostenexplosion wenigstens teilweise in den Griff zu bekommen, wäre aus Unternehmenssicht die Reduktion der Abgaben auf Energie. 88 Prozent der Befragten sprechen sich in diesem Zusammenhang dafür aus, die Stromsteuer auf den EU-Mindestsatz abzusenken, 75 Prozent sind für ein Aussetzen der CO2-Bepreisung für Strom und Gas, 59 Prozent sprechen sich dafür aus, die Mehrwertsteuer auf Strom und Gas zu senken oder ganz auszusetzen.

Nicht weniger als 41 Prozent der Unternehmen arbeiten selbst an Absicherungsstrategien für den Fall einer Gasknappheit oder haben solche bereits erarbeitet, sei es durch einen „Fuel Switch“, also den Wechsel etwa von Gas auf Öl, oder durch verstärkte Energieeinsparungen, um zwei mögliche Maßnahmen zu nennen. Bei sieben Prozent scheitern solche Pläne allerdings an bürokratischen Hemmnissen. Weitere 38 Prozent haben Absicherungsstrategien durchgespielt, sehen aber keine Möglichkeiten, solche Maßnahmen zu realisieren.

Unternehmen melden gestiegene Gaskosten für 2023 um bis zu 1.300 Prozent

Wie stark die Kosten für Strom und Gas ansteigen, hängt nicht zuletzt davon ab, ob ein Unternehmen seinen Bedarf über die Grundversorgung abdecken kann oder den Energiebedarf im Vorfeld einkaufen muss. Letzteres schafft normalerweise Planungssicherheit, hat sich in der aktuellen Situation aber ins Gegenteil umgekehrt. Glück hat, wer seine Strom- und Gasverträge bis Ende 2022 und für 2023 bereits komplett unter Dach und Fach hatte, bevor die Energiepreise einen Rekordwert nach dem anderen erreichten.
Die Mehrheit der Unternehmen verzeichnet Kostensteigerungen zwischen 40 und 200 Prozent. Die Spanne reicht dabei bis 400 Prozent,

so Malte Tiedemann, Konjunkturreferent der IHK für Oberfranken Bayreuth.

„Für das Jahr 2023 verzeichnet der größte Teil der Unternehmen Preissteigerungen zwischen 100 und 450 Prozent, in Einzelfällen bis zu 1.300 Prozent.“

Dr. Waasner macht dazu eine einfache Rechnung auf: „Nehmen wir einmal an, ein Unternehmen hat zuletzt zwei Millionen Euro Gewinn gemacht, bei Gaskosten in Höhe von einer Million Euro. Wenn das Gas um den Faktor 10 teurer wird, beläuft sich die Gasrechnung für 2023 nicht mehr auf eine Million Euro, sondern auf 10 Millionen. Selbst wenn sonst alle Preise gleich blieben – was nicht der Fall ist – würde dasselbe Unternehmen statt zwei Millionen Euro Gewinn nun sieben Millionen Euro Verlust einfahren.“

Bis zu 750 Prozent mehr Stromkosten für 2023

Beim Strom lag die Preissteigerung von Januar bis August 2022 bei den meisten Unternehmen zwischen 30 und 300 Prozent, es gibt aber auch Unternehmen, die einen Anstieg von bis zu 450 Prozent verzeichnen. Ein Blick auf 2023 zeigt drei Gruppen von Unternehmen. Etwa ein Drittel rechnet mit Preissteigerungen von 20 bis 60 Prozent. Ein Großteil der Unternehmen hat Strom mit Mehrkosten zwischen 100 und 300 Prozent erworben, rund ein weites Fünftel der Unternehmen hat 400 bis 750 Prozent Mehrkosten.

Die Kostenbelastung der Unternehmen ist enorm, so Dr. Waasner. Sie liegt bei den meisten Unternehmen gemessen am geplanten Vorsteuerergebnis beim Gas meist bei zehn bis 60 Prozent, in Einzelfällen sogar bei 450 Prozent. Beim Strom kommen weitere zehn bis 35 Prozent dazu, in Einzelfällen sogar bis zu 800 Prozent.

Dr. Waasner macht deutlich, dass das Ruder sofort herumgerissen werden müsse und fordert von der Politik eine ideologiefreie Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien einschließlich eines sofortigen Abbaus bürokratischer Hemmnisse. Auch müssen die Abgaben auf Energie spürbar reduziert werden. Oder wie einer der Befragten von der Politik fordert: „Aufwachen!“
Malte Tiedemann
Stv. Leiter Bereich Standortpolitik
Standort- und Regionalpolitik
Qualitätsmanagementbeauftragter