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„Energiewende und Umweltschutz wirtschaftsvertraglich gestalten“
IHK-Umwelt- und Energieausschuss-Vorsitzender August Wagner im Interview
Herr Wagner, Sie sind schon jahrzehntelang im IHK-Ehrenamt aktiv, schwerpunktmäßig zu den Themen Umwelt und Energie. Wie hat sich die Ausschussarbeit in den vergangenen Jahren entwickelt?
In den 90er-Jahren haben in der IHK noch zwei Ausschüsse zu diesen Themen gearbeitet, es gab den Umweltausschuss und den Energieausschuss. In den 2000er-Jahren haben beide Ausschüsse fusioniert, denn die Themen Umwelt und Energieerzeugung haben doch viel miteinander zu tun. Derzeit, spätestens seit der Energiekrise in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine, ist der Fokus des Ausschusses stark auf die Energiethemen ausgerichtet. In kommenden Sitzungen wollen wir den Blick aber auch verstärkt wieder auf die Umweltthemen richten.
Wer ist alles im Umwelt- und Energieausschuss aktiv?
Im Ausschuss sind die Industrie, die Energieversorger, Netzbetreiber, die Kreislaufwirtschaft sowie Sachverständige vertreten. Die ehrenamtliche Arbeit des Ausschusses zielt darauf ab, im Rahmen seiner Möglichkeiten die umwelt- und energiepolitischen Rahmenbedingungen mitzugestalten – mit dem Ziel, die Energiewende und den Umweltschutz wirtschaftsverträglich zu gestalten. Die wichtigen Entscheidungen in diesen Fachbereichen fallen ja auf Bundes- oder auf europäischer Ebene, in Bayern haben wir wenig Einflussmöglichkeiten. Deswegen tragen wir unsere Ideen und Verbesserungsvorschläge über die DIHK an die Bundes- und EU-Politik heran.
Sind die Energiepreise die größte Herausforderung für Unternehmen derzeit?
Ja, das ist aus meiner Sicht definitiv so. Die Strompreise sind seit 2021 drastisch gestiegen – und werden auf Sicht auch kein niedrigeres Niveau erreichen. Allein die Netzkosten werden, wie wir in unserer Ausschusssitzung bei TenneT erfahren haben, weiter stark anziehen. Die DIHK rechnet bis 2030 mit einem Anstieg der Stromnetzentgelte um bis zu 30 Prozent. Das Problem trifft vor allem die mittelständischen, energieintensiven Industrieunternehmen. Deren Wettbewerbsfähigkeit leidet enorm unter den hohen Energiekosten.
Das zeigt auch der Blick ins Ausland…
In Frankreich liegt der Industriestrompreis bei gut 4 Cent pro Kilowattstunde, hierzulande beim 3- bis 4-fachen. Ich wüsste nicht, wie man solche Preise hier kurzfristig realisieren sollte, ohne sie zu subventionieren. Es wird viel Zeit in Anspruch nehmen die Strompreise in Deutschland über den Erneuerbaren-Ausbau und die Implementierung innovativer Versorgungskonzepte wieder auf ein initial wettbewerbsfähiges Niveau zu bringen. Zeit, die die Unternehmen, die hier und heute unter Druck stehen, nicht haben. Die dauerhafte Stromsteuerabsenkung für Teile der Wirtschaft ist immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Allzu groß sind die Effekte aber nicht. Handel und Dienstleister bleiben gänzlich außen vor.
Wie beurteilen Sie als Wirtschaftsvertreter die Arbeit der Politik?
Die derzeitige Politik hört die Stimmen aus der Wirtschaft zwar, reagiert aber nicht auf die Nöte der Unternehmen – es passiert einfach zu wenig, es fehlen grundlegenden Verbesserungen. Kompensationsmaßnahmen gibt es zum Teil für sehr große Industrieunternehmen, der Mittelstand wird vergessen. Alles in allem ist die Politik der Bundesregierung nicht wirtschaftsfreundlich. Zumindest die überbordende Bürokratie könnte man abbauen, den Behördenwust reduzieren – das läge in der eigenen Hand, wenn der politische Wille da wäre.
Wie sehen Sie das Thema Versorgungssicherheit?
Die Versorgungssicherheit ist, verglichen mit der Preisentwicklung, nicht das größte Problem. Aber: Eine Befragung der DIHK hat ergeben, dass 2023 fast jeder dritte von rund 1.000 Betrieben aus verschiedenen Branchen und Regionen Stromausfälle von mehr als drei Minuten erlebt hat. Davon sind auch Unternehmen in Oberfranken betroffen. Künftig sollten auch Stromausfälle von unter drei Minuten von der Bundesnetzagentur erfasst werden. Denn diese werden vom offiziellen Monitoring bislang nicht dokumentiert, was Blödsinn ist, denn sie sind genauso fatal. Das ist wie bei der Bahn, wo ein Zug auch erst ab einer Verspätung von sechs Minuten als unpünktlich gilt.
Was motiviert Sie persönlich, sich über einen so langen Zeitraum in der IHK-Organisation einzubringen?
Man sollte sich im Ehrenamt engagieren, wenn man für die Unternehmen etwas bewirken möchte. Man kann die Sicht aus der Praxis einbringen, das ist bei Entscheidungsträgern gefragt. Als stellvertretender Vorsitzender des gleichnamigen DIHK-Ausschusses habe ich viele Gespräche mit Politikern und politisch Verantwortlichen auf Bundes- und EU-Ebene geführt. Bei Vorgängerregierungen konnten so Veränderungen im Sinne der mittelständischen Wirtschaft erreicht werden. Und nicht zuletzt waren die Jahre im Ehrenamt eine schöne Zeit, ich habe viele Menschen getroffen und interessante Kontakte geknüpft.
Zur Person: Seit drei Jahrzehnten engagiert sich August Wagner (J. K. Knopf’s Sohn GmbH & Co. KG, Helmbrechts) für die IHK und damit für den Standort Oberfranken und die Region Hof. Mitglied im IHK-Gremium war er von 1991 bis 2022, von 1995 bis 2022 war er Mitglied der Vollversammlung. Von 2003 bis 2012 war er sowohl Vorsitzender des IHK-Gremiums Hof als auch Vizepräsident der IHK für Oberfranken Bayreuth, von 2012 bis 2022 stellvertretender Vorsitzender des IHK-Gremiums. Wagner ist seit 1991 im Umwelt- und Energieausschuss und seit 1995 Ausschussvorsitzender. 2012 wurde August Wagner für sein außerordentliches Engagement und für seine Verdienste um den Standort Oberfranken mit der Ehrenmedaille der IHK für Oberfranken Bayreuth ausgezeichnet. Auch bei der DIHK, der Deutschen Industrie- und Handelskammer, engagiert er sich. Von 2008 bis 2020 war er stellvertretender Vorsitzender des dortigen Ausschusses für Umwelt und Energie, dem er noch immer angehört.
Kontakt
Johannes Neupert
Energie/Dekarbonisierung
Frank Lechner
Umwelt/Energie