Berufszugang Kraftverkehrunternehmen - Zusätzliche Verstöße
Die EU hat eine neue Verordnung veröffentlicht, in der zusätzliche Verstöße gegen die Unionsvorschriften aufgenommen und in Schweregrade klassifiziert wurden. Verkehrsunternehmen müssen sich auf weiterführende Risiken bei Nichteinhaltung der Vorschriften einstellen.
In der sogenannten Berufszugangsverordnung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers (EG) 1071/2002 war in Anhang IV bereits eine als “Liste der 7 Todsünden” bekannt gewordene Auflistung von Verstößen enthalten. Wurde gegen das Verkehrsunternehmen oder den Verkehrsleiter ein Urteil aufgrund von Verstößen gegen die dort genannten Tatbestände verhängt, musste die Genehmigungsbehörde ein Verwaltungsverfahren zur Überprüfung der Zuverlässigkeit durchführen. Die Zuverlässigkeit ist eines der wichtigsten Kriterien, um eine Erlaubnis für den gewerblichen Güter- oder Personenverkehr zu bekommen. Durch Artikel 6 der gleichen Verordnung wurde die EU-Kommission verpflichtet, eine über den Anhang IV hinausgehenden Liste der Kategorien, Arten und Schweregrade von möglichen Verstößen gegen die Gemeinschaftsvorschriften zu erstellen, die ebenfalls zur Aberkennung der Zuverlässigkeit führen können. Das Ergebnis war die Verordnung (EU) 403/2016.
Aufgrund mehrerer Änderungen verschiedener Verordnungen und Richtlinien im Rahmen des Mobilitätspakets I der EU war es notwendig, diese Verordnung zur Einstufung der Verstöße zu ändern. Die Änderungsverordnung wurde am 03.05.2022 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die neue Verordnung (EU) 694 2022 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 423 KB) wird ab dem 23.05.2022 wirksam.
Unter anderem mussten folgende Kriterien mit aufgenommen bzw. geändert werden:
- Schwerwiegende Verstöße gegen das auf vertragliche Schuldverhältnisse, Kabotage und die Entsendung von Arbeitnehmern im Kraftverkehr anzuwendende Recht.
- Bei der Festlegung des Schweregrads schwerwiegender Verstöße zu berücksichtigendes Kriterium, indem der Verweis auf die Gefahr von Wettbewerbsverfälschungen im Güterkraftverkehrsmarkt eingeführt wurde.
- Bei der festlegung der Häufigkeit, nach der Verstöße als schwerwiegende Verstöße (höhere Einstufung) eingestuft werden, wird statt der Anzahl der Fahrer die Anzahl der Fahrzeuge des Unternehmens berücksichtigt.
Darüber hinaus mussten die neuen Vorschriften aus der Verordnung zu den Lenk- und Ruhezeiten aufgenommen werden. Hierzu zählen u.a. Verstöße gegen folgende Bestimmungen, die als VSI (sehr schwerer Verstoß) gewertet werden:
- Keine Ausgleichsruhezeit für zwei aufeinenderfolgende reuzierte wöchentliche Ruhezeiten.
- Verbringen der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder einer wöchentlichen Ruhezeit von mehr als 45 Stunden in einem Fahrzeug.
Dagegen wurde der Verstoß “Keine Übernahme der Kosten für die Unterbringung außerhalb des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber” nur als SI (schwerer Verstoß) klassifiziert.
Durch die Änderung der Tachografenverordnung enthält auch diese neue Vorschriften zur Benutzung des digitalen Fahrtenschreibers. Daher waren auch Verstöße gegen diese neue Bestimmungen in die Liste aufzunehmen und deren Schweregrad zu bestimmen. Verstöße gegen folgende Vorgaben wurden als SI (schwere Verstöße) eingestuft:
- Falsche Benutzung oder Nichtbenutzung des Zeichens für “Fähre/Zug”.
- Aufzeichnungen ohne die Symbole der Länder, in denen die tägliche Arbeitszeit des Fahrers begann und endetet.
- Aufzeichnungen ohne die Symbole der Länder, deren Grenzen der Fahrer während der täglichen Arbeitszeit überquert hat.
Als Ergebnis der Verhandlungen wurden die genannte Verstöße, nicht wie ursprünglich vorgesehn als VSI, sondern “nur” als SI (schwerer Verstoß) eingestuft. Dies dürfte in besonderem Maße die Unternehmen und Fahrer freuen, da ein VSI nicht nur eine wesentlich höheres Bußgeld zur Folge gehabt hätte. Auch in der Risikobewertung des Unternehmens wirken sich VSI deutlich negativer aus. Gleiches gilt für ein mögliches Verfahren zur Überprüfung der Zuverlässigkeit.
Allerdings ist ein SI eben ein schwerer Verstoß und daher zwingend ernst zu nehmen. Bislang war der Verstoß einer fehlenden Eingabe des Landes nicht klassifiziert. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass in der eingangs genannten Änderungsverordnung über die Festlegung der Schwregrade gemäß Anhang II auch die Häufigkeit von Verstößen bei der Berechnung herangezogen wird.
3 SI pro Fahrzeug pro Jahr ergeben 1 VSI3 VSI pro Fahrzeug pro Jahr bedeuten die Einleitung eines Verfahrens zur Überprüfung der Zuverlässigkeit des Verkehrsleiters und Unternehmers
Bei dieser Berechnung wird die Gesamtanzahl aller Verstöße desselben Schweregrads durch die Anzahl der eingesetzten Fahrzeuge des Unternehmens geteilt.
Verkehrsleiter und Unternehmer können immer nur dann nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie das erforderliche Zumutbare getan haben, um Verstöße gegen Vorschriften zu verhindern. Dies gelingt in der Regel nur durch intensive Praxisschulungen und Kontrollen der Fahrer.
Quelle: Verkehrsrundschau