Konjunkturbarometer Rheinland, Herbst 2024
Die Politik hemmt das Wachstum
Die Lage der Wirtschaft im Rheinland ist im Herbst 2024 schlecht und für die kommenden Monate sind keine Wachstumsimpulse zu erwarten. Erstmals seit Anfang 2021 melden mehr Unternehmen eine schlechte als eine gute Geschäftslage. Zwar sind die Erwartungen nicht mehr so pessimistisch wie zu Jahresbeginn. Doch das negative Gesamtbild deutet darauf hin, dass die Talsohle insgesamt noch nicht erreicht ist. Das sind wesentliche Ergebnisse des IHK-Konjunkturbarometers Rheinland für den Herbst 2024. An der Befragung haben sich rund 2.300 Betriebe beteiligt. Die Industrie- und Handelskammern Aachen, Düsseldorf, Bonn/Rhein-Sieg, Mittlerer Niederrhein sowie die Bergische IHK und die Niederrheinische IHK Duisburg-Wesel-Kleve zu Duisburg erarbeiten diese Analyse regelmäßig.
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Im Hinblick auf die Umfrageergebnisse und das vorzeitige Aus der Ampelkoalition sagt Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen: "Die Mehrzahl der Unternehmerinnen und Unternehmer stellen der Regierung Scholz ein schlechtes Zeugnis aus. Die große Unzufriedenheit der Unternehmen mit der Wirtschaftspolitik zeigt, dass wir in diesem Politikfeld dringend einen Neuanfang benötigen." 56,4 Prozent der Unternehmen im Rheinland sehen in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ein erhebliches Konjunkturrisiko. "Die Politik stellt für unsere Unternehmen ein so großes Wachstumshemmnis dar, wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Die Betriebe leiden zunehmend unter der maroden Infrastruktur, den hohen Energiekosten und der wachsenden Bürokratielast", macht Bayer deutlich. "Die Bürokratieabbaugesetze, die für Entlastung der Betriebe sorgen sollen, werden häufig sogleich durch neue EU-Vorgaben, wie die Nachhaltigkeitsberichterstattung, konterkariert. Das untergräbt das Vertrauen in die Politik", warnt Bayer.
Der IHK-Hauptgeschäftsführer weist darauf hin, dass sich die scheidende Regierung insbesondere in Wirtschaftsfragen häufig uneins war. Die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Vertrauensfrage zu stellen und damit den Weg für vorgezogene Neuwahlen freizumachen, begrüßt er: "Wir brauchen jetzt schnell Handlungsfähigkeit in wirtschaftspolitischen Fragestellungen, damit wir endlich das Problem der sich verschlechternden internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft angehen können", fordert Bayer.
"Die schlechte Lage bei wenig Aussicht auf Aufschwung betrifft viele Branchen im Rheinland", sagt Michael F. Bayer. Die energieintensive Industrie leidet weiterhin unter den hohen Energiepreisen im internationalen Vergleich. Die Hersteller von Investitionsgütern spüren die schwache Investitionsbereitschaft und damit die geringe Nachfrage nach Maschinen und Anlagen. Der Wohnungsbau wird durch hohe Kreditzinsen ausgebremst, während die geringe Kaufneigung der Konsumenten für schlechte Stimmung im Einzelhandel sorgt."
Lediglich 22,5 Prozent der Unternehmen berichten von einer guten Lage, während 29,5 Prozent die Situation als schlecht einstufen. Der Geschäftslageindikator liegt somit bei -7,0 Punkten und damit deutlich unter dem Wert von +1,1 Punkten zu Jahresbeginn. Auch für das kommende Jahr erwarten die Unternehmen keine Erholung: Nur 17,2 Prozent rechnen mit einer Verbesserung, während 27,3 Prozent eine weitere Verschlechterung erwarten.
"Die kritische Lage derzeit ist auch darauf zurückzuführen, dass unsere Wirtschaft international teilweise nicht mehr wettbewerbsfähig ist, was immer deutlicher auch die Exportfähigkeit deutscher Produkte und Dienste beeinträchtigt“, erläutert Bayer. "In vergangenen Krisen war der Export oft der erste Impulsgeber, der die Konjunktur wieder in Gang brachte." Diesmal scheint dieser Effekt vorerst auszubleiben: Die Weltwirtschaft wächst nur mäßig, deutsche Produkte sind vergleichsweise teuer und andere Industrieländer haben technologisch aufgeholt. Nur 19 Prozent der Unternehmen erwarten steigende Exportgeschäfte, während 27 Prozent mit einem weiteren Rückgang rechnen. Zwei Jahre in Folge negative Exporterwartungen – das gab es im Konjunkturbarometer Rheinland bisher noch nicht. Entsprechend sehen 37,7 Prozent der Industriebetriebe die Entwicklung der Auslandsnachfrage als wesentliches Geschäftsrisiko an.
Zum Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA sagt Bayer: "Der Sieg Donalds Trumps bereitet vielen Unternehmen Sorgen. Wir können davon ausgehen, dass er den Protektionismus fördern und seine America-First-Politik weiter vorantreiben wird." Wenn Trump seinen angekündigten Zollgrundtarif von mindestens 10 Prozent auf Importe in die Vereinigten Staaten tatsächlich einführt, würde dies deutsche Exportgüter vor Ort verteuern und das Außengeschäft weiter trüben. Bayer: "Unsere Betriebe müssten sich dann auf sinkende Nachfrage und geringere Margen einstellen, sofern sie nicht in den USA produzieren."
Schwer wiegt auch die schwache Inlandsnachfrage. Fast 59 Prozent der Unternehmen betrachten sie als großes Risiko für ihre Geschäftsentwicklung. Neben den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen kommt hinzu, dass die Arbeitskosten – durch hohe Tarifsteigerungen und drohende Anhebungen der Beitragsätze zu den Sozialversicherungen – die Unternehmen immer stärker belasten. "Besonders in der Metallindustrie betrachten mehr als zwei Drittel der Unternehmen die hohen Arbeitskosten als ernsthaftes Geschäftsrisiko", sagt Bayer.
Als Folge der angespannten Lage kürzen die Unternehmen Investitionspläne, und auch auf dem Arbeitsmarkt wird die Krise spürbar: Nur 13,5 Prozent der Betriebe möchten ihre Mitarbeiterzahl erhöhen, aber 21,2 Prozent senken. "Das führt noch nicht zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit, obwohl wir unter dem Strich mit Personalabbau rechnen müssen", sagt Bayer. "Trotz der geringeren Personalnachfrage bleibt der Fachkräftemangel weiterhin hoch. Viele Betriebe können ihre offenen Stellen teils monatelang nicht passend besetzen."
In der Metall- und die Elektroindustrie, im Maschinen- und Fahrzeugbau, im produktionsorientierten Großhandel und in der Medien- und Kommunikationsbranche ist die Geschäftslage der Unternehmen besonders schlecht. In diesen Branchen lag der Geschäftslageindikator bei knapp minus 20 Punkten und schlechter. Doch es gibt bei der Branchenbetrachtung auch Positives. Im Kredit- und Versicherungsgewerbe ist die Geschäftslage dank positiver Zinsen so gut wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Daneben meldet mit der IT-Wirtschaft eine weitere Branche sowohl eine positive Lage als auch positive Erwartungen.
Die Lage der Bauwirtschaft ist aufgrund der vielen Aufträge im Bereich des Tiefbaus in Summe noch positiv. Auch die Ernährungsindustrie und die Beratungsbranche haben noch eine positive Lagebeurteilung. Alle drei Branchen gehen aber davon aus, dass sich die Situation künftig verschlechtern wird.