Mexiko
Verhandlungspraxis in Mexiko
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Mexiko macht auf den ersten Blick vielerorts einen europäischen Eindruck, doch der Umgang im Geschäftlichen ist oft formeller und weniger direkt als in Deutschland. Durch die Internationalisierung der Wirtschaft setzt sich ein an die USA angelehnter Geschäftsstil zwar immer weiter durch, aber deutsche Firmenvertreter sollten sich trotzdem auf einen langsamen Verhandlungsfortgang einstellen. Aufgrund des generellen Misstrauens ist Vertrauen wichtiger als Fakten. Germany Trade & Invest (GTAI) hat einige Unterschiede und Verhaltensregeln zusammengefasst.
Kultureller Hintergrund
Mexiko macht auf deutsche Geschäftsleute im ersten Moment einen bekannten Eindruck, denn der Umgang der Menschen, Architektur und Religion (vorwiegend katholisch) vermitteln einen west- beziehungsweise südeuropäischen Eindruck. Das Land funktioniert im Kern jedoch anders, denn Werte wie Höflichkeit und Ehre, aber auch Vorsicht und Zurückhaltung sind stärker ausgeprägt als in Europa.
Die direkte deutsche Art kann daher mit den eher indirekten und formellen Verhaltensmustern kollidieren. Das kulturelle Konfliktpotenzial sollte aber nicht überbewertet werden. Von mexikanischer Seite wird in der Regel von ausländischen Besuchern keine vollständige Anpassung an einen mexikanischen Verhaltenskodex erwartet. Offenheit und Neugier herrschen vor. Auch hat sich die mexikanische Unternehmenslandschaft in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt.
Mit der Internationalisierung großer mexikanischer Konzerne und umfangreichen ausländischen Investitionen ist auch ein Stück internationale Unternehmens- und Arbeitskultur nach Mexiko gekommen. Deutsche Unternehmer können auf sehr unterschiedliche Verhandlungspartner treffen. Es gibt mexikanische Wirtschaftsvertreter mit großer Erfahrung im Umgang mit anderen Kulturen und solche, die aus mangelnder persönlicher Erfahrung stärker traditionelle Wertevorstellungen und Verhaltensweisen erwarten und selber leben.
Manager in großen heimischen Unternehmen oder den Tochterfirmen ausländischer Konzerne haben meist an den angesehenen Privatuniversitäten des Landes oder im Ausland studiert, häufig in den USA. Sie sind geübt im international üblichen, US-geprägten Verhandlungsstil. Anders ist die Situation in Familienunternehmen: Die meist ausschließlich aus Familienmitgliedern bestehende Geschäftsführung pflegt eine vordergründig offene, jedoch auch sehr formelle und wenig transparente Verhandlungsführung.
Mitarbeiter unterer Ebenen haben in der Regel kein Mitspracherecht bei vertraglichen Entscheidungen. Insbesondere in mittelständischen Unternehmen ist zumeist das Wort einer einzigen Person, in der Regel des Eigentümers, ausschlaggebend. Selten wird Verantwortlichkeit delegiert, ebenso wenig verbreitet ist Teamarbeit. Dies impliziert absolute Kontrolle, aber auch eine große Schwerfälligkeit im Entscheidungsprozess. Verhandlungen können sich so in die Länge ziehen.
Indirekte Kommunikation herrscht vor
Deutsche Geschäftsleute sollten sich auf ein grundsätzlich anderes Kommunikationsverhalten einstellen. Während in Deutschland oft die direkte Kommunikation gewählt wird, um Informationen schnell und klar zu vermitteln, dient sie in Mexiko auch immer einem sozialen Zweck. Gespräche sind oft dazu da, um eine Vertrauensbasis zum möglichen Geschäftspartner aufzubauen. Das konkrete Geschäftsinteresse rückt zeitweilig in den Hintergrund - soweit, dass es beispielsweise erst in den letzten 15 Minuten eines zweistündigen Treffens angesprochen wird, wie deutsche Firmenvertreter teilweise berichten.
Aufgrund der geografischen Distanz und geringer geschichtlicher Verflechtungen besteht unter den Mexikanern vielfach kein sehr differenziertes Deutschlandbild. Deutschland wird vor allem mit Bier, Fußball und Autos (insbesondere dem Volkswagen-Käfer, genannt "Vocho") assoziiert und hoch geschätzt. Deutsche Personen gelten als fleißig, wenn auch als eher humorlos.
Die steigende Präsenz deutscher Unternehmen vor allem in den Sektoren Kfz, Pharmazeutika und Petrochemie führt jedoch zu immer häufigeren Kontakten und damit zu besseren Kenntnissen über das wirtschaftliche und politische Geschehen in Deutschland. Maßnahmen wie das Deutschlandjahr in Mexiko 2016/2017 vermitteln zusätzliche Informationen.
Regeln für den Geschäftskontakt
Das Verhalten bei persönlichen Geschäftskontakten unterscheidet sich in Mexiko nicht grundsätzlich von der deutschen Praxis. Allerdings können sich Kontaktanbahnung und Geschäftsverhandlungen länger hinziehen. Dies hängt zum einen mit der in Mexiko verbreiteten Flexibilität im Umgang mit Terminen und Pünktlichkeit zusammen. Verspätungen bis zu einer Viertelstunde sind selbst bei wichtigen Meetings völlig normal. Aber auch hier hat die Globalisierung der mexikanischen Wirtschaft dazu geführt, dass eine allgemeingültige Regel schwierig ist. Von Deutschen wird in jedem Fall Pünktlichkeit erwartet, daher sollte stets genügend Zeit im zähen Verkehr Mexiko-Stadts und anderer Metropolen des Landes eingeplant werden.
Auch im Selbstbild der Menschen gibt es Unterschiede zwischen den beiden Ländern. Mexikaner denken in erster Linie positiv und neigen daher häufig zu einer nach mitteleuropäischem Empfinden übertriebenen Selbstdarstellung der persönlichen, beruflichen oder materiellen Erfolge. Negative Sichtweisen sind unüblich und allenfalls dem engsten Familienkreis vorbehalten.
Grundsätzliche Verhaltensweisen
Kultur, Küche, Fußball sind beliebte Themen für den Gesprächseinstieg, letzteres vor allem, seitdem die mexikanische "Selección" überraschend die deutsche Nationalmannschaft in der Vorrunde der Weltmeisterschaft 2018 bezwang. In kultureller Hinsicht können besonders die präkolumbianische Hochkultur und die Schönheit vieler mexikanischer Städte für den Smalltalk dienen. Vorsicht ist hingegen geboten bei sensiblen Themen wie Politik, Korruption und Kriminalität. Hier wachsen zwar Problembewusstsein und Kritikfähigkeit der Mexikaner. Kommt das Gespräch auf diese Punkte, tut man trotzdem gut daran, nicht in die Beschwerden des Gegenübers einzufallen, sondern die Konversation möglichst schnell in eine andere Richtung zu lenken.
Schneller beim "Du"
Zur Geschäftsetikette gehört, dass das "Duz-Angebot" von mexikanischer Seite kommen sollte. Sind beide Gesprächspartner etwa gleich alt, wechselt man zum Teil auch einfach während des Gesprächs, wobei das mexikanische "Du" mehr dem unverbindlichen US-amerikanischen Stil entspricht als der deutschen Vertraulichkeit. Wichtig sind professionelle Titel wie "doctor", "abogado", "ingeniero" und "licenciado" - beziehungsweise mit "a" am Ende für die weibliche Form. Was die Bekleidung angeht, dominieren in der Geschäftswelt für Männer konservative Anzüge und Krawatten in gedeckten Farbtönen; für Frauen Kostüm und Bluse. Kurze Hosen und Tennisschuhe sind tabu, ebenso wie die in der Karibik oder Zentralamerika salonfähigen "Guayabera" (leichte Baumwollhemden).
Geschenke gehören nicht zum Geschäftsalltag, werden aber als Geste des guten Willens akzeptiert. Auch bei Abendeinladungen werden Präsente nicht erwartet, es sei denn bei Geburtstagen oder anderen Anlässen. Besser ist in der Regel eine Erwiderung der Einladung in ein gutes Restaurant. Geeignete Geschenke sind unter anderem Konfekt, Blumen, Spirituosen, Firmengeschenke oder Souvenirs aus der Heimat wie beispielsweise Bildbände. Teure Präsente sind gewöhnlich ungeeignet. Für Assistenzkräfte empfehlen sich kleine Mitbringsel, dies aber erst beim zweiten oder dritten Besuch und etablierter Geschäftsbeziehung.
Die erste Begegnung mit dem Geschäftspartner
Bei einer Geschäftsaufnahme in Mexiko hilft die deutsche Auslandhandelskammer (AHK Mexiko) über ihre Dienstleistungstochter DEinternational. Sie kann in einem ersten Schritt Adresslisten potenzieller Geschäftspartner für deutsche Unternehmen erstellen. Im Rahmen der Dienstleistung "Geschäftspartnersuche" werden das Marktpotenzial und Geschäftspartner identifiziert. Das ebenfalls angebotene "Terminmanagement" umfasst die Kontaktaufnahme mit den Geschäftspartnern und die Erstellung einer Agenda mit Unternehmensbesuchen, Essensterminen sowie Transport und Unterbringung.
Auch die Teilnahme an Delegationsreisen, die unter anderem vom Bundeswirtschaftsministerium und den Bundesländern angeboten werden, sind gute Gelegenheiten, den mexikanischen Markt kennen zu lernen. Die Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft in Mexiko-Stadt steht für erste Informationsgespräche zur Verfügung.
Werden Termine direkt mit mexikanischen Geschäftspartnern vereinbart, ist es ratsam, die Feiertage in Mexiko im Blick zu behalten . Vor allem die Weihnachtszeit, die Karwoche vor Ostern und der Hochsommer (Juli/August) sollten bei der Reiseplanung großräumig vermieden werden. Termine können etwa einen Monat im Voraus vereinbart werden. Eine Woche vorher sollten diese zur Erinnerung noch einmal bestätigt werden.
Vertrauen ist wichtiger als Fakten
Zum Begrüßungsritual zwischen gut miteinander bekannten Männern gehört der "abrazo", der aus einem Handschlag, Umarmen, Schulterklopfen und erneutem Handschlag besteht. Er wird allerdings nur bei wiederholtem Treffen angewendet oder frühestens beim ersten Abschied. Zunächst gibt es zur Begrüßung ein klassisches Händeschütteln. Frauen werden anfangs per Handschlag begrüßt, bereits beim Abschied oder dem zweiten Treffen aber mit einem angedeuteten Kuss auf die rechte Wange.
Die erste Begegnung dient in der Regel dazu, den künftigen Partner und sein Unternehmen kennen zu lernen. Dazu gehören der Austausch von Visitenkarten sowie gegenseitige Unternehmenspräsentationen. Zu berücksichtigen ist eine im Vergleich geringere Transparenz der mexikanischen Seite, insbesondere bei mittelständischen heimischen Firmen. Details werden meist erst beim Lunch besprochen.
Geschäfte werden grundsätzlich nicht auf die Schnelle abgeschlossen. Das ausgeprägte allgemeine Misstrauen verhindert prompte Zusagen der Mexikaner. Der Aufbau und die Pflege einer persönlichen Beziehung kann den Verhandlungsprozess unterstützen.
Ablauf von Besprechungen
In den Metropolregionen von Mexiko-Stadt und Guadalajara, dem zentral gelegenen Bajío und dem Süden des Landes ist Spanisch die einzige Geschäftssprache. Nur im US-beeinflussten Norden wird in der Regel ein verhandlungssicheres Englisch gesprochen, in Einzelfällen auch in der Hauptstadt. Ohne Spanischkenntnisse sollte daher beim Erstkontakt ein Dolmetscher hinzugezogen werden. Bei längeren Geschäftsbeziehungen mit häufigen Besuchen oder gar einer ständiger Präsenz vor Ort ist das Erlernen der spanischen Sprache unabdingbar.
Die strenge Unternehmenshierarchie mexikanischer Mittelständler führt dazu, dass Erstgespräche auf unteren Managementebenen meist nur informativen Charakter besitzen und im Endeffekt manchmal als verschenkte Zeit erscheinen. Das letzte Wort hat in der Regel der Eigentümer oder Geschäftsführer. Aus diesem Grund können einige Konzessionen bis zum letzten Meeting mit dem Topmanagement zurück gehalten werden.
Verhandlungen brauchen Zeit
Mexikaner achten mehr als Deutsche darauf, dass das Gespräch in einer positiven, Vertrauen schaffenden Atmosphäre stattfindet. Deutsche Geschäftsleute wollen in der Regel eine klare Aussage, warten jedoch häufig vergebens darauf. Lateinamerikaner und insbesondere Mexikaner wählen oft den indirekten Weg der Kommunikation, um Konflikte zu vermeiden.
Daher bedeutet ein flüchtig oder zweifelnd ausgesprochenes "Ja" in der Regel keine Zustimmung. Ein direktes "Nein" ist indes so gut wie nie zu hören, da es als Affront verstanden wird. Entsprechend vorsichtig sollte man selber kommunizieren. Deutsche Geschäftsleute tun gut daran, eher auf Mimik und Körpersprache des Gegenübers zu achten, um zu erfahren, wie er beziehungsweise sie die Gesprächsinhalte wirklich einschätzt.
Den Geschäftspartner zu bedrängen oder auf eine völlige Klärung zu beharren, macht in der Regel wenig Sinn. Stattdessen ist es besser zu akzeptieren, dass offene Fragen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Dadurch sind Verhandlungen mit mexikanischen Firmen oft zeitintensiver als andernorts. Um Missverständnisse zu vermeiden, empfiehlt es sich häufig, mündliche Einigungen oder Zusagen unmittelbar zu protokollieren und schriftlich zu bestätigen.
Geschäftsessen
Wichtige Treffen werden häufig zum Mittagessen vereinbart. Die Bürozeiten liegen zwischen 9:00 und 18:00 Uhr. Lunchzeit ist zwischen 13:30 und 16:00 Uhr. Zunehmend wird auch das Frühstück zwischen 8:00 und 11:00 Uhr für Geschäftstermine genutzt. Die Abende sind für Treffen eher unüblich. Die Wochenenden sind der Familie vorbehalten.
Offizielle Begrüßungen sind bei größeren Essen üblich und vom Gast wird eine Erwiderung erwartet. Tischreden sollten kurz, prägnant und humorvoll sein. Ein wichtiges und beliebtes Merkmal mexikanischen Humors beziehungsweise mexikanischer Witze beruht auf der Zweideutigkeit der Worte. Ausländer können hier glänzen, wenn sie die Pointe verstehen oder gar selbst eine Anekdote beisteuern können.
Mexiko-Stadt bietet vor allem im Stadtviertel Polanco und entlang der Prachtmeile Paseo de la Reforma viele gute Restaurants aller Nationalküchen. Das übliche Trinkgeld liegt bei 10 bis 15 Prozent der Rechnungssumme. Es kann in bar nach Begleichung der Rechnung hinterlassen oder auf die Kreditkartenzahlung aufgeschlagen werden. Manchmal ist die sogenannte "Propina" bereits in der Rechnung enthalten. Wer einlädt, bezahlt in der Regel.
Der private Umgang
Mexikaner sind für ihre Gastfreundschaft bekannt, gesellschaftliche Ereignisse sind von großer Bedeutung und übertragen sich daher bis ins Geschäftsleben. Einladungen ins eigene Haus erfolgen meist erst ab einem höheren Vertrauensstatus. Geschäftliches ist bei derartigen Gelegenheiten nicht vorrangig und sollte nicht vom Gast angesprochen werden.
Bei Einladungen zum Abendessen im Privathaus sind Verspätungen von einer halben oder gar einer ganzen Stunde üblich und sogar angebracht, da in der Regel niemand pünktlich kommt. Bei abendlichen Partys ab 20:00 Uhr kommen mexikanische Gäste oft frühestens um 21:30 Uhr. Bei weniger formellen Anlässen kann es auch vorkommen, dass sich Gäste frühzeitig verabschieden, da sie noch eine weitere Einladung wahrnehmen wollen.
Das Outfit bei Abendeinladungen ist in der Regel formell mit dunklem Anzug und Krawatte beziehungsweise elegantem aber diskretem Abendkleid oder Kostüm. Bei eher freundschaftlichen Empfängen ist lässigere Kleidung (casual chic) angebracht. Auf den Einladungsschreiben wird häufig über den gebotenen Stil informiert. Als Geschenke empfehlen sich Wein oder Spirituosen beziehungsweise bei gehobenen Veranstaltungen Blumenbouquets.
Firmeninhaber und hochgestellte Manager verfügen oftmals über ein Wochenendhaus oder eine Hacienda auf dem Land. Einladungen dorthin sind besondere Ereignisse, bei denen nicht mehr der Geschäftspartner, sondern bereits ein Freund eingeladen wird. Da Freundschaft ein bedeutendes Element der mexikanischen Geschäftskultur darstellt, handelt es sich hierbei um einen hohen Vertrauensbeweis.
Dos and Don'ts
- Nicht erwarten, dass Verhandlungen schnell abgeschlossen werden und keinen Druck in diese Richtung ausüben.
- Auf die Körpersprache der Verhandlungspartner achten und direkte Absagen vermeiden.
- Kultur und Küche Mexikos sind gute Themen, mit denen ein einfacher Gesprächseinstieg gelingt.
- Nicht die kulturellen Unterschiede mit mexikanischen Geschäftsleuten überbewerten, sondern unbefangen auftreten.
Florian Steinmeyer, Germany Trade & Invest