European Green Deal
Bedrohung oder Chance für Unternehmen?
© Fokussiert - stock.adobe.com
Es ist ein Jahrhundertprojekt, das für kontroverse Debatten sorgt: der European Green Deal. Bei den einen steht er für die Vision einer europäischen Wirtschaft, die sich zum globalen Vorreiter in Sachen Klimaschutz entwickelt. Bei den anderen für eine Bedrohung der heimischen Industrie und ihrer Arbeitsplätze. Um die unterschiedlichen Positionen auszuloten und gemeinsame Perspektiven zu entwickeln, wurde im Rahmen der IHK-Initiative Rheinland, zu der auch IHK Aachen gehört, ein Online-Talk mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik organisiert.
“Der European Green Deal betrifft besonders Unternehmen im Rheinland”, betont Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen. “Zum einen werden vor allem energieintensive Betriebe mit tausenden Arbeitsplätzen und Schlüsselfunktionen in wichtigen Wertschöpfungsketten vor enorme Herausforderungen gestellt. Zum anderen können Unternehmen aus der Region mit ihrer Expertise und mit Innovationen im Bereich erneuerbarer Energien und effizienter Zukunftstechnologien punkten. Die Politik muss jetzt die richtigen und verlässliche Rahmenbedingen schaffen und beide Unternehmenslager konsequent unterstützen.”
Welche Ziele der Green Deal hat und wie er umgesetzt werden soll, skizziert Heiko Kunst von der Generaldirektion Klima der Europäischen Kommission: “Im Jahr 2050 möchte die EU der erste klimaneutrale Staatenverbund der Welt sein. Es geht darum, dass der Klimawandel beherrschbar bleibt. Die ökonomischen Folgen eines unbegrenzten Wandels wären verheerend.” Die EU-Kommission wird im Laufe des Jahres konkrete Maßnahmen vorlegen. Im Juni sollen zahlreiche Gesetze angepasst werden – viele davon haben unmittelbare Auswirkungen auf die heimischen Betriebe. “Der Green Deal ist nicht nur ein Klimaschutz-Programm, sondern auch eine Wachstumsstrategie”, unterstreicht Kunst, der einräumt, dass die Industrie in Europa vor der Herausforderung eines grundlegenden Technologiewandels stehe, um CO2-frei produzieren zu können. “Aber wir haben auch schon große Erfolge erzielt: Die Emissionen im Kraftwerksbereich haben sich in den vergangenen drei Jahren halbiert”, sagt Kunst. “Der Wandel ist unumgänglich. Andere Wirtschaftsregionen werden diesen Weg auch gehen. Wer seine Wirtschaft jetzt zuerst umstellt und sich anpasst, wird die beste Position auf dem Markt haben.”
Vielversprechend ist zum Beispiel der Ausbau der Wasserstofftechnologie. Wesentliche Komponenten dafür sind Elektrolyseure und Kompressoren, die von der Neuman & Esser Group in Übach-Palenberg produziert werden. Geschäftsführerin Stefanie Peters – eine von 26 Mitgliedern im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung – plädiert dafür, rasch die notwendige Infrastruktur aufzubauen: “Wir brauchen schnellere Planungsverfahren und Anreizsysteme, damit wir endlich in die Umsetzung kommen.” Wasserstoff müsse in der Praxis erzeugt und genutzt werden, “in den Fabriken, nicht in den Reallaboren”, betont Peters und blickt optimistisch in die Zukunft: “Die deutschen Unternehmen haben die Chance, die dafür erforderlichen Anlagen und Komponenten in die ganze Welt zu exportieren.”
Die IHK Aachen setzt sich gezielt für Unternehmen aus Aachen, Düren, Euskirchen und Heinsberg ein, die innovative Technologien auf den Weg bringen wollen. Ihre Experten beraten beispielsweise bei Neugründungen oder Fördermöglichkeiten. Zugleich macht sich die IHK Aachen dafür stark, dass bürokratische Hürden für Unternehmer abgebaut und Planverfahren beschleunigt werden, damit die Wirtschaft in der Region wettbewerbsfähig bleibt.