Recht und Steuern

Sachverständige: Voraussetzungen und Verfahren

Stand: August 2024

1. Bedeutung der öffentlichen Bestellung

Die IHK Ulm ist berechtigt, im Rahmen der § 36 Gewerbeordnung Sachverständige öffentlich zu bestellen und zu vereidigen. Die einzelnen Voraussetzungen und das Verfahren regelt die Sachverständigenordnung der IHK Ulm.
Öffentlich bestellte Sachverständige sind Fachleute, die über besondere Erfahrung auf einem bestimmten Gebiet verfügen und besonders zuverlässig sind. Sie genießen besonderes Vertrauen, weil ihre Fachkompetenz und Zuverlässigkeit nach gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien überprüft werden und weil ihre Tätigkeit überwacht wird. Sie können von Gerichten, Behörden, der Wirtschaft, aber auch der Allgemeinheit beauftragt werden. Aus diesem Grund werden ihre Namen und Kontaktdaten in Verzeichnissen geführt (IHK Sachverständigenverzeichnis) und auf Anfrage allgemein bekannt gegeben.
Die öffentliche Bestellung und Vereidigung ist nicht zwingend Voraussetzung für eine Tätigkeit als Sachverständiger. Zweck der öffentlichen Bestellung ist es, Gerichten, Behörden und der Öffentlichkeit besonders sachkundige und persönlich geeignete Sachverständige zur Verfügung zu stellen, deren Aussagen besonders glaubhaft sind. Dabei umfasst die öffentliche Bestellung die Erstattung von Gutachten und andere Sachverständigentätigkeiten wie Beratungen, Überwachungen, Prüfungen, Erteilung von Bescheinigungen sowie schiedsgutachterliche und schiedsrichterliche Tätigkeiten.
Die öffentliche Bestellung erfolgt deshalb ausschließlich im öffentlichen Interesse, nicht um den persönlichen Zielen oder Vorstellungen eines Bewerbers Rechnung zu tragen. Sie ist insbesondere keine Zulassung zu einem Beruf, sondern die Zuerkennung einer besonderen Qualifikation, die allerdings im Wirtschaftsleben einen hohen Stellenwert aufweist.
Die öffentliche Bestellung kann inhaltlich beschränkt, mit einer Befristung versehen und mit Auflagen verbunden werden. Die Bestellung wird bis zu fünf Jahre befristet und kann jeweils auf Antrag um bis zu fünf weitere Jahre verlängert werden.
Bitte nehmen Sie die Bestimmungen der Sachverständigenordnung (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 424 KB) (SVO der IHK Ulm) zur Kenntnis.

2. Voraussetzungen

Öffentliche Bestellung und Vereidigung erfolgen auf Antrag. Sie sind nach § 3 SVO der IHK Ulm an folgende Voraussetzungen geknüpft:
Die wesentlichen Voraussetzungen sind eine eingeschränkte Bedürfnisprüfung, die Feststellung der besonderen Sachkunde und der Rechtskenntnisse, die im Zusammenhang mit der Sachverständigenausübung erforderlich sind sowie die Feststellung der persönlichen Eignung.

2.1 Das öffentliche Bedürfnis

Es muss ein Bedarf an Sachverständigenleistungen für das Sachgebiet bestehen, für das eine Bestellung beantragt wird. Dabei darf aber nur geprüft werden, ob für ein bestimmtes Sachgebiet überhaupt ein Bedarf an öffentlich bestellten Sachverständigen besteht. Das ist immer dann der Fall, wenn Sachverständigenleistungen auf dem betreffenden Gebiet in nicht nur unerheblichem Umfang nachgefragt werden. Irrelevant hingegen ist, ob für ein bestimmtes Sachgebiet bereits genug Sachverständige bestellt worden sind, so dass hier konkret kein Bedarf mehr an Sachverständigen besteht.

2.2 Die „besondere Sachkunde“

Diese ist auf dem betreffenden Sachgebiet durch den Bewerber zur Überzeugung der IHK Ulm nachzuweisen.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind überdurchschnittliche Kenntnisse, Fähigkeiten und praktische Erfahrungen auf dem betreffenden Sachgebiet erforderlich. Die ordnungsgemäße Ausübung des Berufs ist noch kein ausreichender Nachweis besonderer Sachkunde. Eine nähere Konkretisierung enthalten die „Fachlichen Bestellungsvoraussetzungen“, die es für eine Reihe von besonders bedeutenden Sachgebieten gibt und auf die wir besonders hinweisen.
Wir bitten insbesondere von der jeweiligen notwendigen Vorbildung und praktischen Erfahrung auch als Sachverständiger Kenntnis zu nehmen und vor der Antragstellung zu berücksichtigen.
Die besonderen Bestellungsvoraussetzungen erhalten Sie im Internet unter folgender Website www.svv.ihk.de. Sie können diese auch direkt bei uns anfordern.
Zur „besonderen Sachkunde“ gehört auch, und besonders die Fähigkeit, das Fachwissen in Gutachtenform so darzustellen, dass die Ergebnisse und Überlegungen nachvollziehbar sind. Nachvollziehbarkeit bedeutet, das Gutachten so aufzubauen und zu begründen, dass ein Laie (z. B. Richter) es versteht und auf seine Plausibilität überprüfen kann. Die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift und die Ausdrucksfähigkeit sind ebenso Inhalt der „besonderen Sachkunde“ wie die Kenntnis und Berücksichtigung der für die Gutachtertätigkeit wichtigen rechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. gerichtliche Verfahren).
Wir empfehlen Ihnen, sich für die öffentliche Bestellung sorgfältig, gründlich und gezielt vorzubereiten. Grundsätzlich ist es erforderlich, dass Sie vor Antragstellung als Sachverständiger auf dem beantragten Sachgebiet tätig waren. Die weitere Vorbereitung kann in unterschiedlichen Formen wie dem Selbststudium, dem Besuch von Seminaren oder Fachtagungen oder durch die Mitarbeit/Hospitanz bei erfahrenen Sachverständigen geschehen.
Bitte beachten Sie, dass zu Überprüfung Ihrer besonderen Sachkunde auf dem beantragten Sachgebiet ein Fachausschuss hinzugezogen werden kann.

2.3 Die persönliche Eignung

Die persönliche Eignung des Bewerbers muss gewährleistet sein. Dies setzt voraus, dass der Bewerber nicht nur auf Grund seiner persönlichen Eigenschaften Gewähr dafür bietet, die Gutachtertätigkeit objektiv und unparteiisch auszuüben, sondern diese Anforderung unter Berücksichtigung seines gesamten Umfeldes auch erfüllen kann.
Wesentliche Eigenschaften sind in diesem Zusammenhang: uneingeschränkte persönliche Zuverlässigkeit, Charakterstärke, Unparteilichkeit, Sachlichkeit auch in Bezug auf die Ausdrucksweise sowie ferner wirtschaftliche und persönliche Unabhängigkeit und Neutralität.
Interessenbindungen jeder Art stellen die persönliche Eignung grundsätzlich in Frage, weil nicht auszuschließen ist, dass der Sachverständige möglicherweise nicht unabhängig tätig sein kann und damit Objektivität und Unparteilichkeit in den Augen der Öffentlichkeit nicht mehr gewährleistet. Zur persönlichen Eignung gehören auch der Ruf und das Ansehen des Bewerbers in der Öffentlichkeit und bei seiner Berufsausbildung.
Schon geringe Bedenken hinsichtlich der persönlichen Eignung reichen aus, um die öffentliche Bestellung zu versagen, da der Schutz der Öffentlichkeit und das Vertrauen auf öffentlich bestellte Sachverständige Vorrang vor den privaten Interessen des Bewerbers haben.

2.4 Weitere Voraussetzungen

  • Der Schwerpunkt der Niederlassung muss im Bezirk der IHK Ulm liegen.
  • Der Bewerber muss zur Ausübung der Tätigkeit als öffentlich bestellter Sachverständiger über Einrichtungen verfügen, die das betreffende Sachgebiet erfordert.

3. Der Antrag auf öffentliche Bestellung

Das Verfahren auf öffentliche Bestellung wird durch einen förmlichen schriftlichen Antrag eingeleitet, der bei der IHK Ulm einzureichen ist. Das beizufügende Anschreiben muss die genaue Umschreibung des Sachgebiets mit einer eingehenden Erläuterung und Abgrenzung enthalten. Hierzu beraten wir Sie gerne vorab. Der Antrag ist im Hinblick auf das Vorliegen der „besonderen Sachkunde“ unter Berücksichtigung etwaiger fachlicher Bestellungsvoraussetzungen und die Motive für die Antragstellung eingehend zu begründen. Nähere Informationen erhalten Sie bei der IHK Ulm auf Anfrage.
Dem Antrag sind die folgenden Unterlagen beizufügen:
  • Lebenslauf in Tabellenform, der neben den üblichen Angaben zur Person eine genaue Darstellung der Schul- und Berufsausbildung im Einzelnen und der beruflichen Tätigkeit enthalten muss
  • Abschriften oder Kopien der Berufsabschlüsse und berufsbezogenen beziehungsweise sachgebietsbezogenen Qualifikationen zum Beispiel Diplome, Promotion
  • Kopien von Arbeits- und Dienstbescheinigungen, soweit vorhanden
  • Teilnahmebestätigungen über erfolgte fachliche Fortbildung für das beantragte Sachgebiet und für die Sachverständigentätigkeit allgemein, Kopien ausreichend
  • bei Bewerbern in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis eine Zustimmungs- und weitgehende Freistellungserklärung des Arbeitgebers, die auf einem gesonderten Formblatt abzugeben ist. Dieses ist Bestandteil der Antragsunterlagen. Bei Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes ist die Frage der Nebentätigkeitsgenehmigung zu klären.
  • polizeiliches Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde neuesten Datums
  • allgemeine Bescheinigung in Steuersachen, erhältlich bei Ihrem Finanzamt
  • ein digitales Passfoto
  • den besonderen Bestellungsvoraussetzungen für das beantragte Sachgebiet entsprechende Anzahl von selbst erstatteten Gutachten oder soweit keine besonderen Bestellungsvoraussetzungen bestehen, wenigstens 3 selbst erstattete Gutachten auf dem beantragten Sachgebiet
  • sonstige zum Nachweis der besonderen Sachkunde geeignete Unterlagen
  • Adressen von mindestens 5 Personen, die über Sie in fachlicher und/oder persönlicher Hinsicht Aussagen gegenüber der Kammer machen können, diese werden von uns direkt kontaktiert.
Bitte vereinbaren Sie mit uns vor Antragstellung einen Beratungstermin.

4. Weiteres Verfahren bis zur Entscheidung

4.1 Überprüfung der eingereichten Unterlagen

Die IHK überprüft durch Einschaltung geeigneter Fachleute die eingereichten Unterlagen.

4.2 Anhörung des Sachverständigenausschusses

Vor der Entscheidung hört die IHK Ulm den Sachverständigenausschuss, der zu jedem Antrag eine Stellungnahme abgibt.
Der Sachverständigenausschuss wird von der Vollversammlung der IHK Ulm berufen und setzt sich aus Vertretern der Wirtschaft, öffentlich bestellten Sachverständigen und weiteren besonders sachkundigen und/oder lebenserfahrenen Personen zusammen.
Erforderlichenfalls wird der Bewerber zu einem Gespräch vor dem Sachverständigenausschuss eingeladen.

4.3 Überprüfung durch Fachgremien

Für die Sachgebiete, für die besondere „Fachliche Bestellungsvoraussetzungen“ festgelegt sind, wird die „besondere Sachkunde“ in aller Regel durch eine zusätzliche schriftliche und/oder mündliche Überprüfung nachgewiesen. Hierfür sind bei verschiedenen IHKn, teilweise auch außerhalb Baden-Württembergs, eigens unabhängige Fachgremien eingerichtet. Diese sind mit Fachleuten des entsprechenden Fachgebiets besetzt. Nähere Informationen hierzu erteilen wir Ihnen gerne auf Anfrage.

5. Entscheidung

Das Ergebnis der Überprüfung wird dem Bewerber grundsätzlich schriftlich in Form eines Bescheides, auf Wunsch auch in einem Gespräch bekannt gegeben. Die öffentliche Bestellung ist auf maximal fünf Jahre befristet, kann aber auf Antrag wiederum um bis zu fünf Jahre verlängert werden. Die öffentliche Bestellung kann mit Auflagen versehen und unter bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen bzw. widerrufen werden.
Der Antrag auf öffentliche Bestellung und Vereidigung kann jederzeit zurückgenommen werden.

6. Gebühren und Auslagen

Nach dem Gebührentarif der IHK Ulm (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 174 KB) beträgt die Gebühr für die Bearbeitung des Antrages zur Bestellung und Vereidigung - auch bei Nichtbestehen der Überprüfung der besonderen Sachkunde - 700,00 Euro bis 2.500,00 Euro.
Weitere Auslagen, die ggf. durch die Überprüfung des Antrags anfallen, sind zusätzlich zur oben genannten Gebühr für die Bearbeitung des Antrags zur Bestellung und Vereidigung zu erstatten und gegebenenfalls durch einen Kostenvorschuss abzudecken. Sie können insbesondere durch die Einschaltung eines Fachgremiums entstehen.
Für die Vereidigung als Sachverständiger fällt zusätzlich eine Gebühr in Höhe von 200,00 Euro an.

7. Auskunft

In diesem Merk- und Informationsblatt können wir nicht jede Besonderheit eines Einzelfalls berücksichtigen. Für ergänzende Auskünfte im Zusammenhang mit der öffentlichen Bestellung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wenn Sie einen Antrag auf öffentliche Bestellung als Sachverständiger stellen möchten, empfehlen wir Ihnen, sich zunächst mit uns in Verbindung zu setzen.

8. Auszug aus der Gewerbeordnung

§36 öffentliche Bestellung von Sachverständigen