Wettbewerb auf der Schiene verbessern und nationale Fernbusverkehre mittelstandsfreundlich ausgestalten

Positionen:
  • Aus IHK-Sicht sollte alles für einen diskriminierungsfreien Zugang zum Schienennetz und den Stationen getan werden. Jedoch birgt allein schon die Konstruktion des integrierten Bahnkonzerns ein Diskriminierungspotenzial. Dies könnte weitgehend reduziert werden, wenn doch noch eine Privatisierung der Verkehrs- und Logistiksparten der DB AG vorgenommen würde. Das Schienennetz sollte dagegen in staatlicher Verantwortung bleiben. Die Ausgestaltung der Preise für die Nutzung von Trassen und Stationen sollte weiterhin als Staatsaufgabe angesehen werden. Damit könnte den negativen Auswirkungen für die Qualität des Netzes vorgebeugt werden, die bei einer reinen Gewinnorientierung bestünde.
  • Die Wirtschaft unterstützt die Liberalisierung des nationalen Fernbusverkehrs. Im Falle einer Bemautung des Fernbusverkehrs sollten aus wettbewerblichen Gründen auch die Vorteile des Schienenfernverkehrs bei der Stromsteuer aufgehoben werden, da der Bus bei der Energiebesteuerung in vollem Umfang belastet wird. Die Streichung dieses Privilegs zugunsten der Bahn würde jedoch den von der Kerosinsteuer befreiten Luftverkehr auf den nationalen und europäischen Verbindungen gegenüber dem Schienenfernverkehr stark begünstigen. Konsequent wäre es somit unter diesem Gesichtspunkt, auch die nationalen Luftfahrtunternehmen mit einer Kerosinsteuer zu belasten. Da diese Branche jedoch in einem scharfen internationalen Wettbewerb steht und Airlines anderer Staaten von der Kerosinbesteuerung befreit sind, würde dies wiederum einen erheblichen Wettbewerbsnachteil zu Lasten der deutschen Fluggesellschaften bedeuten. Deshalb empfiehlt die IHK aktuell, von einer Veränderung des komplexen Gefüges abzusehen. Langfristig ist eine entsprechende Initiative für einen fairen Wettbewerb unter allen Verkehrsträgern auf europäischer Ebene wünschenswert.


Hintergrund:

Als Ergebnis der Bahnreform findet auf dem Schienennetz der DB Netz AG als Tochter der Deutsche Bahn AG vor allem im Schienengüterverkehr und vereinzelt im Personenfernverkehr Wettbewerb statt (Anmerkung: Planung, Organisation und Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs sind auf die Länder übergegangen). Allerdings sind die beiden größten Eisenbahnverkehrsunternehmen im Güter- und Personenfernverkehr die in den staatseigenen Bahnkonzern integrierten Unternehmen DB Cargo AG und DB Fernverkehr AG. Aufgrund dieser Konstellation wird von Wettbewerbern immer wieder auf das bestehende Diskriminierungspotenzial hingewiesen, das dadurch vergrößert werde, dass die DB AG auch die Kontrolle über Stationen und Abstellanlagen ausübe. Im Gegenzug verweist die DB AG in ihren jährlich erscheinenden Wettbewerbsberichten auf das hohe Maß an Wettbewerb, das insbesondere im Schienengüterverkehr herrsche. Dort stieg der Marktanteil der rund 180 Wettbewerber mittlerweile auf fast 40 Prozent. Angeführt wird auch die Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor durch die Bundesnetzagentur. Dennoch kommt es immer wieder zu Streitigkeiten über die Billigkeit der Trassen- und Stationsentgelte zwischen einzelnen Zugangsberechtigten und der DB Netz AG vor den Zivilgerichten.
Von den Auswirkungen der Regelungen über den Wettbewerb im Bahnverkehr sind im IHK-Bezirk Region Stuttgart nicht allein die rund ein halbes Dutzend Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Sitz in der Region betroffen, sondern auch die Verlader und Spediteure, die sich des Verkehrsmittels Bahn bedienen. Der Schienengüterverkehr von und in die Region Stuttgart lässt sich (ohne die derzeitigen Verkehre für den Bau des Projekts „Stuttgart 21“) auf etwa acht Millionen Tonnen pro Jahr beziffern. An Bedeutung haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten die containerisierten Transporte von und zu den Seehäfen gewonnen. Diese Hinterlandverkehre sind für den exportstarken Wirtschaftsraum Stuttgart besonders wichtig. Gerade im Marktsegment dieses kombinierten Verkehrs gibt es von und zu den Umschlagterminals in Kornwestheim und Stuttgart-Hafen Zugverbindungen mehrerer konkurrierender Betreiber. Die Wettbewerbsbedingungen wirken sich auf deren Angebote und Preise aus.
Mit der Liberalisierung des Fernbusverkehrs ist 2013 ein neuer Wettbewerber in den Markt des Personenverkehrs eingetreten. Geschaffen wurde ein neuer, äußerst dynamischer Markt. Mittlerweile kann der nationale Fernverkehr auf der Straße als flächendeckend bezeichnet werden. Gleichzeitig kommt es aber bereits zu Marktbereinigungen und Marktkonsolidierungen. Besonders umstritten sind nach wie vor die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb zwischen den Bussen und dem Schienenverkehr, da circa 30 Prozent der Fernbuskunden vom Fernverkehr der Bahn abwandern. So wird angeführt, der Schienenfernverkehr müsse Trassenentgelte bezahlen, wohingegen der Fernbus die Autobahnen mautfrei nutzen könne. Dafür wird der Fernbus bei der Energiesteuer voll belastet, wohingegen die Schiene begünstigt wird. Im Gegenzug deckt der Schienenpersonenfernverkehr seine Infrastrukturkosten etwa zur Hälfte. Ebenfalls kritisiert wird ein möglicher Kannibalisierungseffekt gegenüber dem mit öffentlichen Mitteln finanzierten Schienenpersonennahverkehr. Daraus wird abgeleitet, dass das für den Fernbus geltende gesetzliche Verbot einer Beförderung von Passagieren unter 50 km oder in Konkurrenz zu öffentlichem Schienenpersonennahverkehr mit weniger als einer Stunde Reisezeit nicht ausreichend sei. Für die Wirtschaft ist der Fernbus von zweifacher Relevanz. Zum einen hat er inzwischen auch im Bereich der Geschäftsreisen Fuß gefasst. Dies gilt insbesondere im Fernbusverkehr zwischen deutschen Mittel- und Großstädten, wo inzwischen ein hoher Versorgungsgrad erreicht wird. So nutzten 2015 15 Prozent der Unternehmen mit 10 bis 250 Mitarbeitern Fernbusse bei Geschäftsreisen. Bei den Großunternehmen mit mehr als 1.500 Mitarbeitern sind es immerhin neun Prozent. Aufgrund des großen Fernbusangebots aus der und in die Region Stuttgart ist dies auch für die regionalen Unternehmen von Belang. Zum anderen bedienen sich die Fernbusbetreibergesellschaften für die Durchführung der Verkehre regionaler Busunternehmen als Partner. Auch Busunternehmer aus Baden-Württemberg sind hier eingebunden und sehen diese Verkehre als neues Standbein des sich verändernden Marktes, in dem sich insbesondere die Nachfrage im klassischen Reisebusverkehr eher rückläufig entwickelt.