Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Rahmen für wettbewerbsorientiertes und ressourcenschonendes Verkehrssystem setzen

Positionen:
  • Die Wirtschaft setzt darauf, dass bei jeglicher Befriedigung von Mobilitätsbedürfnissen die freie Wahl des Verkehrsträgers und des ggf. eingesetzten Mobilitätsdienstleisters eine Grundkonstante unserer freiheitlichen Grundordnung ist und bleibt.
  • Auch der Verkehr und damit die Verkehrspolitik haben einen Beitrag zur Verminderung von Schadstoff-, Klimagas- und Lärmemissionen zu leisten. Dies sollte primär über den technischen Fortschritt sowie den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und nicht über die Verteuerung und die Erschwerung des Verkehrs zu Lasten einzelner Verkehrsträger erfolgen. Schließlich sollte im Rahmen der Abwägung von Maßnahmen berücksichtigt werden, dass Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und Versäumnisse beim Ausbau der Infrastruktur zu Umwegverkehren, längeren Transportzeiten, geringerer Zuverlässigkeit und erhöhten Kosten führen.
  • Die IHK wünscht sich ein entschiedenes Handeln der EU Kommission bei einzelstaatlichen Maßnahmen, die den freien Warenverkehr oder den faktischen Netzzugang behindern.
  • Auf europäischer Ebene werden rechtliche Rahmenbedingungen zur Internalisierung externer Kosten für alle Verkehrsträger erarbeitet. Dabei sollte besonderes Augenmerk auf das „Verursacherprinzip“ gelegt werden. EU-einheitliche Regelungen könnten in Nutzerfinanzierungskonzepte integriert werden.
  • Falls es zu einer Anlastung externer Kosten als Konsequenz aus dem Prinzip der Kostentragung durch die Verursacher kommt, sollte darauf geachtet werden, dass dies nicht wettbewerbsverzerrend geschieht. Hieraus generierte zusätzliche Mittel sollten zweckgebunden in Maßnahmen zur Beseitigung oder Vermeidung externer Kosten fließen. So würde auch der beschleunigte Ausbau der Infrastruktur zu weniger Stau, Lärm und Umweltbelastung führen.
  • Neue Fahrzeugtechnologien im Straßenverkehr sollten gefördert werden.
  • Auch im Schienengüterverkehr gilt es aus Sicht der Wirtschaft, innovative Technologien sowohl am Fahrzeug als auch am Fahrweg zu fördern. Es sollten Preissysteme entwickelt werden, die die Attraktivität des Schienengüterverkehrs für die Nutzer erhöhen.
  • Der Markt für Schienenverkehrsleistungen ist grundsätzlich geöffnet. Umso wichtiger ist es zur Vermeidung von Marktabschottungsversuchen, dass Trassenvergabe und technische Vorschriften in ganz Europa in hohem Maße transparent sind. Grundvoraussetzung für den Wettbewerb auf der Schiene ist es, dass die Netze ausreichend Kapazitätsspielräume für Wettbewerber bieten. Für die EU bedeutet dies, dass darüber gewacht werden sollte, dass nicht in einzelnen Mitgliedstaaten die Infrastruktur und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu sehr auf die Bedürfnisse einzelner Nutzer ausgerichtet werden.
  • Es sollte auch eine Lösung für das Problem der Trassenkonflikte zwischen Güter- und Personenverkehr herbeigeführt werden. Nach der EU-Verordnung Nr. 913/2010 zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes sind bei der Festlegung von Zugtrassen im internationalen Schienengüterverkehr gewachsene Taktverkehre des Personenverkehrs angemessen zu berücksichtigen. Trassenkonflikte zwischen Schienenpersonenverkehr und Schienengüterverkehr sollten deshalb zumindest dort, wo möglich, durch eine stärkere Entmischung reduziert werden. Auch eine „Grüne Welle“ für grenzüberschreitende Schienengüterverkehre könnte zur Entzerrung beitragen.
  • Im Luftverkehr sollte der Luftfahrtbinnenmarkt vollendet werden. Leitmotiv sollte dabei weiterhin die Realisierung des „Single European Sky“ sein.
  • Verkehrspolitische Maßnahmen im Luftverkehr und in der Seeschifffahrt sollten auf internationaler Ebene abgestimmt werden. Vorsicht erscheint bei allen Alleingängen der EU geboten, da dadurch die Gefahr einer Schwächung der Wettbewerbsposition der EU-Fluggesellschaften und Reeder im globalen Wettbewerb gegenüber ihren Konkurrenten aus anderen Teilen der Welt besteht. Speziell im Luftverkehr sollten die bereits bestehenden wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen zulasten europäischer Unternehmen, z. B. aufgrund des Emissionshandels, geprüft und neue vermieden werden. Für internationale Verhandlungen sollte die EU-Kommission ein starkes Mandat erhalten.
  • Einschränkungen des freien Warenverkehrs auf der Straße durch einzelne Staaten, z.B. über sektorale Fahrverbote, die sich auf Warengruppen beziehen, sollte die EU-Kommission entschieden entgegentreten. Problematisch sind in diesem Zusammenhang auch Kontingentierungen für Lkw-Durchfahrten zu sehen. Gleiches gilt für generelle Nachtfahrverbote für Lkw. Zwar sieht die IHK das Problem der Belastung der Bevölkerung durch Verkehrslärm gerade in den Nachtstunden. Da der nächtliche Fernverkehr aber weit überwiegend auf den Bundesfernstraßen und hier vor allem auf den Autobahnen abgewickelt wird, hält die IHK generelle Verbote für überzogen. Dort, wo Kommunen im Einzelfall besonders von solchen nächtlichen Fernverkehren betroffen sind, sollten in Abhängigkeit vom konkreten Einzelfall Umfahrungen oder bauliche Lärmschutzmaßnahmen realisiert werden. In Einzelfällen, nach sorgfältiger Abwägung und wenn keine anderen Lösungen infrage kommen müssen als ultima ratio auch tageszeitabhängige Sperrungen für den Durchgangsverkehr in Kauf genommen werden. Dabei gilt es jedoch immer zu beachten, dass die Erschließung von Gewerbestandorten - ihre Belieferung und Entsorgung - dadurch nicht beeinträchtigt werden sollte.
  • Die EU sollte die europaweite Liberalisierung im Fernbusmarkt vorantreiben.
  • Es sollte weiter an einer qualitativ vergleichbaren Fahrerqualifizierung in der gesamten EU gearbeitet werden. Dabei sollte im Blick bleiben, dass die Kosten und der Aufwand für den Fahrer und/oder die Unternehmen akzeptabel und angemessen sein müssen. Ansonsten würde sich das Problem des Fahrermangels nochmals verschärfen.
  • Klare Regeln und deren konsequente Durchsetzung sollten für gleiche Bedingungen im EU-Straßengüter- und Straßenpersonenverkehr sorgen. Dies gilt beispielsweise für die Durchführung von Kontrollen und die Ahndung von Verstößen.


Hintergrund:

Eine hochentwickelte arbeitsteilige Volkswirtschaft bedarf eines umfangreichen Verkehrsangebots zu angemessenen Kosten. Für die Wirtschaft in der Region Stuttgart mit ihren beiden Leitbranchen Automobil- und Maschinenbau mit ihren nationalen, europaweiten und internationalen Verflechtungen bei den Lieferantenbeziehungen und ihren weltweiten Absatzmärkten gilt dies in besonderem Maße. Im Weißbuch „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum - Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ bekennt sich die EU-Kommission grundsätzlich dazu, dass der Verkehr eine Grundlage unserer Wirtschaft und Gesellschaft ist. Dadurch, dass die EU mit ihrer Rechtssetzung inzwischen weite Teile des Verkehrsmarktes reguliert und harmonisiert, gestaltet und beispielsweise durch Fördermaßnahmen Impulse für seine weitere Entwicklung setzt, wirkt sie auf die Art, Menge und Qualität des Verkehrsangebots ein und bestimmt auch dessen Kostenstruktur in nicht unerheblicher Weise mit. Für die Verkehrs- und Logistikunter-nehmen in der Region sowie die verladende Wirtschaft und die Handelsunternehmen - um nur einige zu nennen - sind diese Auswirkungen unmittelbar spürbar. So hat die EU erheblichen Einfluss auf das Wettbewerbsgefüge der Verkehrsträger in der Luft, auf der Schiene, der Straße und zum Teil auch auf der Wasserstraße. Hier setzt die EU-Kommission auch mit dem von ihr verfolgten Ziel einer umfassenderen Anwendung des Prinzips der Kostentragung durch die Nutzer und Verursacher an.