Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart
Alternative Antriebe technologieoffen fördern
Positionen:
- Die IHK begrüßt es, dass die Landespolitik die Automobilbranche, angesichts ihrer weiteren Entwicklungsschritte im Bereich Digitalisierung und Nachhaltigkeit, und den damit zusammenhängenden Herausforderungen, unterstützen will. Die IHK weist nachdrücklich darauf hin, dass in einem freien marktwirtschaftlich-orientierten Ordnungsrahmen die Aufgabe der Politik in erster Linie darin bestehen sollte, Ziele vorzugeben, aber nicht den Weg zum Ziel zu definieren. Die Wahl der Technologien und die Art der Umsetzung, um diese Ziele zu erreichen, sollten den Forschungsabteilungen der Industrie überlassen werden. Mit der Fokussierung auf nur eine Art zukünftiger Fahrzeugtechnologie (wie beispielsweise das batteriebetriebene Fahrzeug) ist immer die Gefahr verbunden, dass die Entwicklung ergänzender oder gar überlegener Technologien verzögert oder verhindert wird. Die öffentliche Unterstützung umweltverträglicher Antriebstechnologien sollte daher technologieoffen und ohne Diskriminierung der vorhandenen und neuartigen, alternativen Technologien erfolgen.
- Aufgrund der großen Herausforderungen, vor denen die kleinen und mittleren Kfz-Zulieferer in der Region stehen, sollten bei der Finanzierung von FuE-Projekten für alternative Antriebe unterstützt werden, etwa durch speziell auf diese Zielgruppe zugeschnittene Förderdarlehen. Weiter sollte der Technologie- und Wissenstransfer in die Automotive-Zulieferbetriebe intensiviert werden, um den regionale FuE-Standort weiterhin stark zu halten, da die Gefahr besteht, dass eine Abschwächung einen sich selbstverstärkenden Negativtrend auslöst und in andere Regionen oder ins Ausland verlagerte FuE-Auftragsleistungen nicht mehr oder nur mit großer Mühe zurück in die Region geholt werden können. Hierbei spielt es eine wichtige Rolle, dass die regionalen Hochschulen und alle Partner in der Aus- und Weiterbildung ein ausreichendes Angebot an Fachkräften auf dem Gebiet künftiger Fahrzeugantriebe bereitstellen.
Hintergrund:
Die Automobilindustrie als eine der Leitbranchen Baden-Württembergs steht vor großen technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Neben der zunehmenden Digitalisierung sind es v.a. alternative Antriebs- und Hybridisierungstechnologien, die eine starke Erweiterung der eingesetzten Technologien im Kraftfahrzeugbau mit sich bringen. Das mittel- und langfristig benötigte Technologiekompetenzspektrum hat starke Auswirkungen auf das etablierte und weit verzweigte Zulieferernetzwerk und die Gefahr besteht, dass es zu gravierenden Verschiebungen und Verwerfungen innerhalb der Zuliefererstruktur kommt. Insbesondere für die Region Stuttgart als bedeutender Automobilstandort mit sehr hohem Anteil an kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die im Automotive-Sektor agieren, hat diese Gesamtentwicklung gravierende Auswirkungen. Aufgrund dessen, dass der technologische Wandel bei den Antriebstechnologien nur schrittweise erfolgen kann, werden noch weitere Jahrzehnte verschiedene Antriebstechnologien parallel zueinander Bestand haben. Wann einzelne alternative Antriebstechnologien eine starke Marktdurchdringung erreichen werden, ist schwer prognostizierbar. Dies führt zu zweierlei Problemstellungen: Zum einen sind viele Unternehmen gezwungen parallele Entwicklungen im Bereich optimierter Verbrennungsmotoren und der vielfältigen alternativen Antriebe zu vollziehen, was mit hohen finanziellen Vorleistungen für die Technikentwicklung einhergeht. Zum anderen entfallen bei alternativen Antriebstechnologien viele Systemkomponenten des Verbrennungsmotorkonzepts. Zulieferer, die heute den Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit in der Bereitstellung dieser Systemkomponenten haben, müssen frühzeitig diversifizieren, was ebenso hohe finanzielle Aufwendungen erfordert. Beides stellt große Belastungen gerade für die vielen KMU-Zulieferer in der Region Stuttgart dar.
Es ist unstrittig, dass der Verkehr generell und das Automobil im speziellen, nachhaltiger und umweltfreundlicher werden soll. Die Elektromobilität wird in diesem Zusammenhang von vielen Politikern und Interessensgruppen als Schlüsseltechnologie angesehen, um dieser Zielstellung gerecht werden zu können. Die Elektromobilität wird in der Diskussion dabei oftmals mit dem rein batteriebetriebenen Fahrzeug gleichgesetzt. Dieses kann zum aktuellen Entwicklungsstand jedoch noch nicht als diejenige Ideallösung dienen, die potenziell möglich ist und angestrebt wird. Viele Aspekte auf technischer, ergonomischer, infrastruktureller und betriebswirtschaftlicher Ebene sind, unter den Gesichtspunkten einer Life-Cycle-Bewertung und des Kundennutzens betrachtet, bei weitem noch nicht ausreichend bzw. wettbewerbsfähig. Die Prognosen darüber, wann das rein batteriebetriebene E-Fahrzeug in der Breite wettbewerbsfähig und deutlich ökologischer als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sein wird, reichen von Jahren bis zu mehreren Jahrzehnten. Auch wenn es Nischenanwendungen gibt, bei denen bereits beim heutigen Entwicklungsstand ein batteriebetriebene Spezialfahrzeug gegenüber anderen Marktlösungen die Nase vorn hat, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass das rein batteriebetriebene Elektrofahrzeug wohl auf absehbare Zeit in Europa und Deutschland nur begrenzte Marktanteile haben wird.