Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart
ÖPNV-Finanzierung sichern
Positionen:
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Basis für einen kundenfreundlichen, effizienten und zukunftsfähigen Nahverkehr sollte auch in Zukunft ein innovativer, unternehmerisch initiierter ÖPNV sein.
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Die ÖPNV-Finanzierungsreform in Baden-Württemberg sollte auf keinen Fall dazu führen, dass sie eigenwirtschaftliche Verkehre behindert. Es gilt, die unternehmerische Gestaltungsfreiheit zu erhalten. Auch für alle weiteren Mittel zur Absicherung der Verbundtarife, d.h. für alle Tarifvergünstigungen außerhalb des Ausbildungsverkehrs, gilt, dass ein Weiterreichen an die Unternehmen über die auch nach EU-Beihilferecht zulässigen sogenannten allgemeinen Vorschriften zielführend wäre. Dies würde aus Sicht der IHK sicherstellen, dass die Verbundlandschaft erhalten bliebe. Eine Ausnahme stellt die Sicherstellung der Rabattierung an kommunale Verkehrsunternehmen dar, die ihre Verkehre durch Direktvergabe erhalten haben. Hier kann die Rabattierung auch über öffentliche Dienstleistungsaufträge gewährleistet werden.
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Der fehlende Differenzbetrag zwischen den Fahrgeldeinnahmen und Fahrgeldsurrogaten und den Kosten, die zur Sicherstellung der Zukunftsfestigkeit des ÖPNV notwendig sind, sollte auch künftig durch ausreichende öffentliche Mittel aufgebracht werden. Für die künftige Mittelverteilung nach einem weiterentwickelten Verteilungsschlüssel ab 2021 erscheint die im Eckpunktepapier unter Haushaltsvorbehalt angekündigte Mittelaufstockung unerlässliche Voraussetzung zu sein. Ein neuer Verteilungsschlüssel sollte der Transparenz halber frühzeitig auch mit der betroffenen Wirtschaft abgestimmt werden, einfach zu ermitteln und nachprüfbar sein.
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Unternehmer sollen ein einklagbares subjektives Recht eingeräumt bekommen, wenn sie die Mittelausstattung nicht als angemessen betrachten.
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Die Wirtschaft setzt sich dafür ein, die Taktung des öffentlichen Personennahverkehrs auf Schiene und Straße immer wieder zu überprüfen und gegebenenfalls nachfragegerecht zu optimieren. Eine derart regelmäßige Überprüfung empfiehlt sich beispielsweise für das Regiobuslinienkonzept des Landes, damit dort bei entsprechendem Bedarf mit einer Anpassung der Linien reagiert werden kann. Hierzu sollten seitens der öffentlichen Hand angemessene Mittel bereitgestellt werden.
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Die von der Landesregierung vorgesehenen Programme (u.a. Sonderprogramm Digitalisierung und Innovation, Bahnhofsmodernisierungsprogramm II, Regiobuslinienkonzept) im Rahmen einer Zukunftsoffensive für Bahnen und Busse können wichtige Bausteine für einen zukunftsfähigen ÖPNV sein und sollten daher weiter konkretisiert werden.
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Die IHK begrüßt die Zusage einer Verlängerung des Bundesprogramms der Gemeindeverkehrsfinanzierung für größere Investitionen in den ÖPNV. Besonders wichtig erscheint die Dynamisierung der Finanzmittel in Höhe von mindestens der Inflationsrate. Unabhängig davon regt die IHK an, die Mittelzuteilung an die einzelnen Länder nach festen Quoten zu überdenken und möglichst rasch zu reformieren.
Hintergrund:
Mit den Verkehrsmitteln des ÖPNV erreichen viele Kunden des Handels in der Region Stuttgart die Innenstädte. Viele Mitarbeiter der regionalen Unternehmen nutzen den ÖPNV auf dem Weg zum Arbeitsplatz. Ein schneller und leistungsfähiger ÖPNV verbessert die Pendlersituation und erweitert den Radius, in dem die Unternehmen erfolgreich Fachkräfte anwerben können. Der ÖPNV leistet einen wichtigen Beitrag zur Entlastung der vielfach überlasteten Straßen in der Region. Das nutzt wiederum dem Wirtschaftsverkehr, der zum größten Teil nicht auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen kann. Insbesondere der Stadtverkehr vor allem in Stuttgart selbst, aber auch in den Mittelzentren der Region könnte ohne einen leistungsfähigen ÖPNV kaum bewältigt werden. Ein konsequenter Ausbau des ÖPNV würde zur Verkehrsentlastung beitragen.
Der ÖPNV wird nur teilweise durch Fahrgeldeinnahmen finanziert. Soweit mehr Steuermittel für die Finanzierung verwendet werden, kann dies dazu beitragen, den ÖPNV für den Nutzer preislich attraktiver zu gestalten. Aus Gründen der Daseinsvorsorge und zur Ausgestaltung eines flächendeckenden und vielfach vertakteten ÖPNV-Systems werden bereits erhebliche öffentliche Mittel zur Finanzierung des ÖPNV in der Region verwendet. Einen wesentlichen Aspekt bei der ÖPNV-Finanzierung stellt dabei die Erstattung sogenannter Ausgleichsleistungen zur Kompensation staatlich gewollter Tarifvergünstigungen für bestimmte Fahrgastgruppen - unter anderem im Ausbildungsverkehr - sowie für verbilligte Verbundtarife allgemein (Höchsttarife für alle Fahrgäste) dar. In Baden-Württemberg wurde 2016 ein Paradigmenwechsel eingeleitet, wie diese Mittel in Unternehmerhand gelangen sollen. In einem gemeinsamen Eckpunktepapier des Ministeriums für Verkehr, des Städtetags, des Landkreistags Baden-Württemberg sowie der Verkehrsverbände VDV und WBO verständigte man sich darauf, dass seit 2018 erstmals die Aufgabenträger diese Mittel erhalten, die sie dann an die Unternehmen weitergeben. Die Mittel für rabattierte Zeitkarten im Ausbildungsverkehr, die rund fünfzig Prozent des Volumens ausmachen, werden dann über so genannte allgemeine Vorschriften an die Unternehmen ausgeschüttet. Von erheblicher Konsequenz für die Rolle von Aufgabenträgern einerseits und der ÖPNV-Unternehmen andererseits ist jedoch, auf welchem Weg und in welchem Umfang die restlichen Ausgleichsmittel beansprucht werden können. Vor allem private Verkehrsunternehmen fürchten dabei eine zunehmende Kommunalisierung des ÖPNV. In dem Eckpunktepapier wurde auch vereinbart, dass die heute zur Verfügung stehenden Mittel auch künftig vollständig zweckgebunden für ÖPNV-Verkehrs- und Tarifleistungen eingesetzt werden müssen und Personal- und Verwaltungskosten nicht abgezogen werden dürfen. Ab 2021 sollen zudem die Mittel unter den Aufgabenträger nach einem weiterentwickelten Verteilungsschlüssel neu aufgeteilt werden. Als Voraussetzung dafür wird eine Mittelaufstockung seitens des Landes und der Kommunen als Voraussetzung genannt.