Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Preise / Netzentgelt und Ausnahmeregelungen (Sichere Energieversorgung zu vertretbaren Preisen)

Positionen:
  • Unternehmen brauchen eine sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen. Staatliche Zusatzbelastungen des Strompreises sollten reduziert werden, da diese die kleinen und mittleren Unternehmen zunehmend mehr belasten und dies mit eigenen Energieeffizienzmaßnahmen der Unternehmen nicht aufgefangen werden kann. Energiekosten spielen gerade für den Standort Stuttgart mit den energieintensiven Betrieben eine zentrale Rolle. Die Anzahl der stromkosten- beziehungsweise handelsintensiven Unternehmen im Sinne der BesAR ist im Raum Stuttgart zwar gering, spielt aber im Gesamtkontext eine Rolle und sollte berücksichtigt werden.

  • Die Stromsteuer sollte auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden. Eine entsprechende Gegenfinanzierung sollte gegebenenfalls geprüft werden.

  • Die besonderen Belastungen energieintensiver Industrien oder besonders energieintensiver Produkte, die im internationalen Wettbewerb stehen, sollten dabei auch in Zukunft berücksichtigt werden. Es sollten flankierende Maßnahmen angedacht werden, um eine mögliche Verlagerung der Produktion ins Ausland zu verhindern.

  • KMUs sollten nicht aus dem Blick verloren werden, da diese von den Börsenstrompreisen durch Direkteinkauf oft nicht profitieren können. Insofern sollte soweit als möglich, ein gleitender Einstieg in Ausgleichsmaßnahmen ermöglicht werden.

  • Solange Steuern und Umlagen auf den Strompreis die Existenz von Unternehmen gefährden, sind Sonder- und Ausnahmeregeln - sowohl für direkte als auch indirekte auf den Strompreis überwälzte Kosten - weiterhin notwendig, um diesen Nachteil auszugleichen. Diese Regelungen sollten auf Basis der europäischen Umwelt- und Beihilferichtlinien erfolgen.

  • Die Landesregierung sollte sich auf Bundesebene für eine Reduzierung der Zusatzbelastungen auf Strompreise einsetzen, z. B. durch Abschaffung der Stromsteuer, sofern diese nicht zur Kompensation bei der EEG-Umlage o. ä. verwendet wird.

  • Das Nebeneinander der Instrumente führt aber zu Wirkungsverlusten. Stromsteuer, EEG, KWKG oder CO2- Emissionshandel sollten besser aufeinander abgestimmt und langfristig kalkulierbar gestaltet werden. So reduzieren sich Belastungen für die Unternehmen.

  • Angesichts der Komplexität der verschiedenen Instrumente sollte die Politik unverzüglich eine Reform der Strompreisbestandteile beginnen, nicht zuletzt damit diese auch für Unternehmen durchschaubar und für die Verwaltung administrierbar bleiben.

  • Im Hinblick auf eine nachhaltige und effiziente Verwirklichung der Energiewende bleibt es unerlässlich, Marktverzerrungen durch Subventionspolitik konsequent abzubauen und auslaufen zu lassen.

  • Alle energie- und klimapolitischen Maßnahmen sollten auf ihre Wirkung auf die Energiepreise für die deutsche Wirtschaft hin geprüft werden.

  • Die Landesregierung sollte die eigenen Landesziele - beispielsweise zum Ausbau der erneuerbaren Energien oder zur Kraft-Wärme-Kopplung - so anpassen, dass diese erreicht werden können, ohne zusätzliche Subventionierung notwendig zu machen, die die Strompreise weiter belastet.

  • Die Einführung der Kapazitätsreserve für den Strommarkt 2.0 sowie der Netzausbau sollten so kostengünstig wie möglich realisiert werden. Gegebenenfalls könnte eine Kompensation bei der Förderung der erneuerbaren Energien erfolgen.

  • Bei der Verknüpfung dieser Bereiche sollten insbesondere die unbundleden Unternehmensbereiche (Erzeugung und Netze) sowie die Umlage beachtet werden, um kontraproduktive Effekte auszuschließen.

  • Die Netzentgeltsystematik sollte daher zusätzlich so angepasst werden, dass Nachfrageflexibilität grundsätzlich honoriert und nicht durch erhöhte Netzentgelte konterkariert wird.

  • Zur Vermeidung von Standortnachteilen sollten weitere Erleichterungen für Unternehmen angestrebt werden, die nicht in den Genuss der besonderen Ausgleichregelung kommen.

  • Regionale Kostennachteile sollten begrenzt werden.

  • Die Netzentgeltverordnung sollte eine sachgerechte Verteilung der anfallenden Kosten für das Netz ermöglichen.

  • Auch künftig sollte bei insgesamt sinkender Stromabnahme aus dem öffentlichen Netz und bei einem steigenden Anteil der Eigenerzeugung eine breite Finanzierung durch die Nutzer der Stromnetzinfrastruktur und der Systemdienstleistungen sichergestellt sein.

  • Daher sollten die Netze stärker durch Leistungs-/ Anschlusspreise und entsprechend weniger durch Arbeitspreise finanziert werden.

Hintergrund

Die freie Preisbildung ist von höchster Bedeutung, damit die europaweit wirtschaftlichsten Flexibilitäten - bei Erzeugern, Nachfragern und durch Speicher - zum Einsatz kommen. Staatliche Eingriffe nehmen zu und der Anstieg staatlicher Strompreisbestandteile führt trotz sinkender Börsenstrompreise zu weiter wachsenden Kosten für die Wirtschaft und drängen damit den Markt immer weiter zurück. Eingriffe in den Strommarkt führen zu international wettbewerbsschädlichen Strompreisen für deutsche Unternehmen, insbesondere der Industrie. Während anzunehmen ist, dass Großhandelspreise durch ein Überangebot an erneuerbare Energien weiter sinken, ist damit zu rechnen, dass die Verbraucherpreise etwa durch Steigerungen bei EEG-Umlage, Netzentgelten, KWK-Umlage, Kosten für Reservekraftwerke und auch CO2- Zertifikate steigen werden, solange keine Änderungen in der jeweiligen Förder- bzw. Finanzierungssystematik erfolgt. Die staatlich verursachten Belastungen des Strompreises sind seit 1998 von zwei auf über 40 Milliarden Euro gestiegen, davon tragen Unternehmen rund die Hälfte. Ein Ende des Anstiegs scheint noch nicht in Sicht. Bis 2025 ist ein weiteres Anwachsen der jährlichen Belastung der Wirtschaft um fünf Milliarden Euro durch steigende Netzentgelte und Umlagen absehbar. Die im europäischen und internationalen Vergleich hohen Stromkosten belasten vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen der Region bezüglich ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen brauchen aber eine sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen. Dies wird untermauert durch Aussagen des IHK-Energieausschusses und aus dem Energiewendebarometer 2016/17 des DIHK. Die zweithäufigste Forderung der hiesigen Industrie an die Politik bleibt somit die Reduktion von Steuern und Abgaben auf den Stromverbrauch, da das Preisniveau im europäischen und internationalen Vergleich weiterhin hoch ist und die eigene Wettbewerbsfähigkeit belastet. Andere Gutachten (z. B. das SRU Gutachten) sprechen hingegen davon, dass Energiekosten nur für wenige energieintensive Branchen eine zentrale Rolle spielen würden. Als energieintensiv gelten beispielsweise die Sektoren Metallerzeugung, Nichteisenmetalle, Papier, Grundstoffchemie und Steine-Erden. Für besonders energieintensive Produkte, die einem starken internationalen Preiswettbewerb ausgesetzt sind, besteht ohne flankierende Maßnahmen die Gefahr einer Verlagerung der Produktion ins Ausland. Die Vielzahl sich überlagernder regulatorischer Eingriffe durch Stromsteuer, Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und CO2-Emissionszertifikatehandel stehen einem kosteneffizienten Klimaschutz entgegen. Markt und Wettbewerb können in diesem regulatorischen Umfeld ihre positiven Effekte kaum entfalten. Die Netzentgeltstruktur begünstigt bisher eine gleichmäßige Stromabnahme. Dies passt immer weniger mit der volatilen Einspeisesituation zusammen. Eine temporäre Lastverschiebung kann unter Umständen sogar netzdienlich sein. Diverse Unternehmen bemängeln, dass Bezugsspitzen in Zeiten eines hohen Stromangebots zu höheren Netzentgelten führen und damit damit ihre Flexibilität beschränken.
Kapazitätsmarkt:
Bei der Einführung der Kapazitätsreserve für den Strommarkt 2.0 sowie der Netzausbau erscheint die Verknüpfung dieser drei Bereiche problematisch, da sie einerseits unbundlede Unternehmensbereiche (Erzeugung und Netze) sowie die Umlage betreffen.
Strombeschaffung an der Börse:
Eine Back-to-back-Beschaffung steht allen Sondervertragskunden offen (> 30 kW, 100.000 kWh). Dies betrifft den größten Teil der KMUs. Für den reinen Energiepreis ist somit der Beschaffungszeitpunkt und die Verbrauchsstruktur entscheiden. Ob Stromfonds, gemanagtes Beschaffungsportfolio (Unternehmen > 10 GWh) oder eigener Stromeinkauf (betrifft nur wenige Unternehmen in Deutschland, die an der EEX gelistet sind) einen wesentlichen Kostenvorteil erwirtschaften, darf hinterfragt werden.
Übertragungsnetzentgelte: Die Übertragungsnetze erfüllen eine überregionale Funktion für eine sichere Versorgung, die Integration erneuerbarer Energien, die breite Verfügbarkeit der Leistung konventioneller Kraftwerke und das Funktionieren eines Strommarkts mit einheitlichen Börsenpreisen. Das Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur (NEMoG) wurde beschlossen. Die Übertragungsnetzentgelte sollen von 2019 bis 2022 schrittweise angeglichen werden und belasten Unternehmen in den Regelzonen von Amprion und TransnetBW.