Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Gewerbe- und Wohnflächensituation sowie zur Wohnungswirtschaft in der Region Stuttgart

Positionen:
Die gegenwärtige Gewerbe- und Wohnflächensituation wird von den Unternehmen der Region zunehmend als Standortnachteil wahrgenommen, denn die positive wirtschaftliche Entwicklung geht einher mit steigenden Flächenbedarfen. Unternehmen benötigen für nachhaltiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit schnell verfügbare, geeignete und finanzierbare Flächen für Produktion, Logistik, Verwaltung, Forschung und Entwicklung. Zudem steht die Automobilindustrie vor einem tiefgreifenden Wandel, bei dem Zukunftstechnologien heute schon eingeführt werden. Wenn hierfür keine Flächen bereitstehen, werden diese Investitionen am Standort vorbeigehen.
In gleicher Weise werden weitere Flächen für den Wohnungsbau benötigt, um insbesondere dringend gesuchten und vielfach von auswärts kommenden Fachkräften und ihren Familien bezahlbaren Wohnraum bieten zu können.
Dass dieses Thema für die weitere Entwicklung der Region von zentraler Bedeutung ist, zeigt die Studie „Gewerbe- und Industrieflächen Region Stuttgart 2017 – Umsetzungsinstrumente und Maßnahmen für das regionale Gewerbeflächenmanagement“ der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Region Stuttgart. Bei der Betrachtung der Nachfrage- und Angebotssituation für die nächsten fünf Jahre kommt sie zu dem Ergebnis, dass nachhaltig negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Bestandsunternehmen nicht mehr auszuschließen seien.
Das wird auch durch die Studie der IHK Region Stuttgart „Vom Plus ins Minus – Analyse der Verlagerung von Unternehmenssitzen“ aus dem Jahr 2017 unterstrichen. Erstmalig ist für die Region Stuttgart der Saldo aus Zu- und Fortzügen negativ. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen wandern ab, was zunehmend mit der als unzureichend empfundenen Gewerbe- und Wohnflächensituation zusammenhängt.

Die IHK Region Stuttgart fordert deshalb zur Gewerbeflächensituation:

  • Der Wohlstand in der Region Stuttgart beruht auf einer starken Wirtschaft mit ausdifferenzierten Wirtschaftszweigen, die auch zukünftig auf räumliche Entwicklungsmöglichkeiten angewiesen sind. Hier sind in besonderem Maße die Stadt- und Gemeinderäte sowie die zuständigen Planungsämter gefordert, durch die Möglichkeiten der Bauleitplanung einem Mangel an Gewerbeflächen entgegenzuwirken und Flächen für den Markt zu entwickeln beziehungsweise zu aktivieren. Es sollte in diesem Zusammenhang überprüft werden, ob ausreichend Ressourcen und gegebenenfalls Unterstützungsangebote zur Verfügung gestellt werden müssten. Insbesondere sollten auch Flächen mit der Nutzungskategorie GI (Industriegebiet) und für die Logistik Berücksichtigung finden. Auch wenn der Bereich der Logistik mit hohen Flächenbedarfen einhergeht, ist sie für die Versorgung des Wirtschaftsraumes und der Menschen von elementarer Bedeutung, der angemessen Rechnung getragen werden sollte.
  • Städte und Gemeinden sollten Vorratsflächen vorhalten und prüfen, ob ein aktives Liegenschaftsmanagement zur Verbesserung der Situation, auch in Bezug auf die Entwicklung von Gewerbebranchen, beitragen könnte.
  • Der Verband der Region Stuttgart wird aufgefordert, über den Regionalplan Spielräume für neue Gewerbeflächenentwicklungen zu definieren und weiterhin die Kommunen bei der konkreten Umsetzung von verfügbaren Flächenspielräumen zu unterstützen.
  • Gewerbegebiete sollten über eine entsprechende Qualität verfügen (gute Breitbandanbindung, gute Anbindung an die Verkehrsinfrastruktur, insbesondere auch an den ÖPNV, ausreichendes Maß der baulichen Nutzung).
  • Mit Offenheit und gestalterischem Willen sollten Optionen für weitere interkommunale Gewerbegebiete geprüft werden. Diese könnten richtungsweisend auch für interkommunale Wohnbauflächen sein.

Die IHK Region Stuttgart fordert deshalb zur Wohnflächensituation:

  • Die Mobilisierung von Bauland ist für die Schaffung zusätzlichen Wohnraums von zentraler Bedeutung, natürlich weiterhin vorrangig in der Innenentwicklung. Auch neue Baugebiete sind dafür notwendig. Sie sollten auch interkommunal und mit Blick auf eine gute Verkehrsanbindung, vorrangig an den ÖPNV, entwickelt und erschlossen werden.
  • Wichtig ist, dass der zusätzliche Wohnraumbedarf durch Zuzug von Arbeitskräften in die Region nicht ausschließlich durch Nachverdichtung und Lückenschließung bewältigt werden. Die Versiegelung von Flächen sollte durch ökologische Maßnahmen und neue Formen der Bebauung ausgeglichen werden. Bei der Erstellung neuen Wohnraums soll insbesondere ein Angebot an bezahlbarem Wohnraum geschaffen werden, auch im Wege eines verstärkten sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbaus.
  • Baugenehmigungsverfahren müssen bei den Genehmigungsbehörden dringend beschleunigt werden.
  • Regulierungen im Bereich der Kreditvergabe dürfen nicht zu Einschränkungen bei der Einzelkreditvergabe von Immobiliendarlehen führen.
  • Der weitere Anstieg von Baukosten muss gestoppt werden, Bauvorschriften (EneV, DIN) müssen überprüft und angepasst werden: Bei Einführung neuer Standards sollte das Wirtschaftlichkeitsgebot auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen. Bestehende Regelungen sollten immer wieder hinterfragt und auf Zweckmäßigkeit überprüft werden. Des Weiteren sind zum Teil praktizierte Vorgehensweisen der Kommunen (Kauf von Grundstücken) insbesondere auf wettbewerbsverzerrende Gesichtspunkte hin zu überprüfen.
  • Markteingriffe wie beispielsweise die Mietpreisbremse oder die Änderung der Vorgaben zur Erstellung von Mietspiegeln bringen keine Entlastung für die angespannten Wohnungsmärkte, sondern führen vielmehr zu einer Verschlechterung des Investitionsklimas für Immobilien. Stattdessen sollte das Angebot von bezahlbarem Wohnraum ausgeweitet werden.
  • Das Einnahmehoch sollte zur Prüfung von flankierenden Maßnahmen auf allen staatlichen Ebenen genutzt werden (z.B. Zuschussprogramme, Senkung der Grunderwerbssteuer, Senkung der Grundsteuerhebesätze).
Weder Logistikflächen noch verdichtete Wohngebiete werden von den Gemeinden als Wunschlösungen favorisiert. Gleichwohl sind beide Nutzungsarten für die Gesamtregion von herausragender Bedeutung. Daher sollten neue Formen des Interessenausgleichs diskutiert und eingeführt werden.
Die IHK Region Stuttgart fordert mit Blick auf die Gesamtsituation bei den Gewerbe- und Wohnflächen die Erstellung eines gemeinsamen regionsweiten Gesamtkonzepts, wie dem anstehenden und sich verschärfenden Wohnraumproblem und der Knappheit an Gewerbeflächen in der Region Stuttgart insgesamt wirksam und vor allem zeitnah entgegengetreten werden kann.