Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart
EU-Zivilrecht optional, verständlich und schlank gestalten
Positionen:
- Der Gedanke eines europäischen Kaufrechts sollte als optionales Instrument weiterverfolgt werden. Ziel sollte eine schlanke, leicht verständliche, in sich schlüssige und wirtschaftsfreundliche Gesetzesalternative zu den jeweiligen nationalen Kaufrechten sein.
- Das europäische Kaufrecht sollte sich an den Wertevorstellungen des deutschen Rechts beziehungsweise mitteleuropäischen Rechtskreises orientieren und Unternehmen jeder Größe offen stehen.
- Sollte es zu einem einheitlichen europäischen Kaufrecht kommen, setzt sich die Wirtschaft für eine einheitliche Umsetzung in allen EU-Staaten ein.
- Um einheitliche AGBs in allen EU-Staaten zu ermöglichen, sollte auch eine Anwendung für rein nationale Fälle möglich sein.
- Wer das europäische Kaufrecht vereinbart, muss sicher sein können, damit alle gesetzlichen Anforderungen der EU-Mitgliedstaaten, insbesondere zum Verbraucherschutz und bezüglich der Informationspflichten, beachtet zu haben.
- Das Leitbild von Vertragspartnern auf Augenhöhe mit weitgehender Vertragsfreiheit muss Maßstab für das Kaufrechts zwischen Unternehmen sein.
- Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern dürfen nicht jeweils nach dem Verbraucherschutzgesetz ausgerichtet werden, das europaweit die höchste Regelungsdichte aufweist.
- Das europäische Kaufrecht darf keinerlei Elemente enthalten, die die Vertragsabschlussfreiheit einschränken oder sich im Sinne einer staatlichen oder richterlichen Preiskontrolle auswirken.
- Von der EU entwickelte Musterverträge werden abgelehnt. Der Staat sollte nicht vorgeben, welche Vertragsklauseln er für angemessen oder gerecht hält.
- Für die zwischenzeitlich diskutierte Idee eines einheitlichen Kaufrechts für digitale Produkte sollten ähnliche Maßstäbe angelegt werden. Allerdings dürfen die Überlegungen nach Meinung der Wirtschaft zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit nicht in Rechtsbereiche gehen, die – zumindest nach deutschem Rechtsverständnis – über den Rahmen eines Kaufrechts hinausgehen.
- Eine Initiative zur europaweiten Gestaltung eines Rechtsrahmens rund um die Themen einer Wirtschaft 4.0 würde seitens der Wirtschaft grundsätzlich begrüßt, wobei natürlich vor einer Bewertung die genauen Inhalte abgewartet werden müssten.
Hintergrund:
In allen europäischen Staaten hat das Zivilrecht als wichtige Säule des menschlichen Zusammenlebens eine über Jahrhunderte gewachsene Tradition mit zum Teil historisch begründeten Unterschieden. In allen europäischen Staaten, auch in Deutschland, hat insbesondere das Vertragsrecht durch eine Fülle von EU-Normen im Laufe der Zeit stark an Geschlossenheit, Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit verloren. Ein in Europa einheitlich geltendes und schlüssiges optionales Vertragsrecht könnte Vorteile bei der einheitlichen Vertragsgestaltung bieten.
Allerdings ist ein einheitliches europäisches Kaufrecht für die Wirtschaft nur dann interessant, wenn es bei Verträgen mit Verbrauchern und in allen Ländern gleichmäßig eingesetzt werden könnte. Dies würde den Weg für einheitliche AGBs bei Geschäften mit Verbrauchern in allen EU-Staaten eröffnen. Die Vorteile könnten so groß sein, dass sogar für die Unternehmen nachteilige Einzelbestimmungen hingenommen werden könnten, wenn sie sich in einem gewissen Rahmen halten.
Für Verträge zwischen Unternehmen ist kein Bedarf erkennbar, weil es insoweit schon das UN-Kaufrecht mit Geltung sogar über die EU hinaus gibt.
Bezüglich der Idee eines einheitlichen Kaufrechts in der EU für digitale Produkte muss aus Sicht der Wirtschaft kritisch hinterfragt werden, ob unter dem Begriff des Kaufrechts auch Materien in den Regelungsinhalt einbezogen werden, die – zumindest nach den Grundlagen des deutschen Rechts – dem gewerblichen Rechtsschutz sowie dem Datenschutz und dem Persönlichkeitsrecht zugerechnet werden müssten. Europaweite Gesetzesinitiativen sind zwar mit Blick auf eine Wirtschaft 4.0 grundsätzlich zu begrüßen, da Datenströme nicht an der Landesgrenze haltmachen, die Thematik müsste aber komplexer diskutiert werden, nicht nur unter dem Blickwinkel eines Kaufrechts.