Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

EU: Innovationspolitik marktnah und innovationsfördernd gestalten

Positionen:

  • Durch marktnahe Ausgestaltung und unternehmensfreundliche Anforderungsprofile der europäischen Forschungsförderung kann die Unternehmensbeteiligung bei EU-Förderprogrammen erhöht werden. Als Beispiele können hierbei das „Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand ZIM“ aus Deutschland sowie die EU Förderinstrumente „Fast Track to Innovation“ und das „KMU-Instrument“ dienen. Es handelt sich hierbei um technologieoffene, unbürokratische Förderinstrumente, die auf die Bedürfnisse der KMU zugeschnitten sind. Die positiven Erfahrungen mit den beschleunigten und weniger bürokratischen Antragsverfahren könnten für andere Bereiche der EU-Forschungsförderung übernommen werden.

  • Der Anreiz sich als KMU um eine EU-Forschungsförderung zu bewerben würde durch eine Entbürokratisierung und Vereinfachung der Antragsverfahren und Abrechnungsvorschriften deutlich steigen. Ebenso ist die Erfolgsquote einer Antragstellung für ein KMU mit entscheidend, ob ein Förderprogramm als attraktiv empfunden wird. Ein ungünstiges Verhältnis von gestellten Anträgen zu tatsächlich geförderten Projekten (gerade beim KMU-Instrument) kann mit ein Grund sein, warum sich nicht eine höhere Anzahl an KMU um europäische Forschungsförderung bemüht.

  • Die EU-Förderkulisse schließt durch die europäische KMU-Definition (Unternehmen bis einschließlich 249 Mitarbeiter) wichtige Teile des deutschen Mittelstands aus. Die Wirtschaft setzt sich deshalb für eine Erweiterung der Zielgruppe ein, die auch Unternehmen zwischen 250 und 500 Mitarbeitern miteinschließt. Dies könnte bei der Neugestaltung von Förder(rahmen)programmen zu mehr Unternehmensbeteiligung führen. Außerdem kann die Teilnahme größerer und innovativer Unternehmen auch die Beteiligung von kleinen Unternehmen an EU-Förderprojekten begünstigen, da diese von größeren Projektpartnern mit mehr Erfahrung in der Antragstellung und Ressourcen hinsichtlich Projektkoordination profitieren können und dadurch die Beteiligungshürden für kleine Unternehmen sinken.

  • Die IHK setzt sich generell für eine technologieoffene Gestaltung der Innovationsförderprogramme ein. Zudem sollte auch Anträgen mit niedrigerer Innovationshöhe, aber vorhandener Marktrelevanz der angestrebten Innovation, der Zugang zur öffentlichen Forschungsförderung ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang würde die Prüfung, welchen realistischen positiven Einfluss das Vorhaben auf die Unternehmensentwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens vermuten lässt, zu einem wichtigen Kriterium werden.

  • Die IHK begrüßt, dass die EU-Kommission künftig verlangt, die Wirkung der Maßnahmen vorher aufzuzeigen und regt an, die Wirtschaft in diese Evaluierung sowie bei der Projektauswahl, Implementierung und ex-post-Bewertung einzubinden.

  • Zur Förderung des grenzüberschreitenden, europaweiten Zugangs von Unternehmen zu Wissen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen sollte ein Ausbau der Wissens- und Technologietransferstrukturen sowie eine adäquate Koordination von vorhandenen Netzwerken angestrebt werden.

  • Die Wirtschaft plädiert für eine konsequente Weiterentwicklung des einheitlichen EU-Patents und die entsprechende Gerichtsbarkeit. Beides dient dazu den Unternehmen einen günstigen Schutz(raum) für ihr geistiges Eigentum in der Europäischen Union bereitzustellen.

  • Innovationsvorhaben benötigen zum Erfolg die passende Finanzierung. Ein breites Angebot verschiedene Finanzierungsformen ermöglichen den innovierenden Unternehmen schneller zu einer passenden Finanzierung zu gelangen und dadurch neue Entwicklungen auch schneller auf dem Markt platzieren zu können, was im Innovationswettbewerb entscheidend ist. Die Rahmenbedingungen entscheiden, ob einzelne Finanzierungsformen ihre Vorteile ausspielen können und durch die Unternehmen sinnvoll nutzbar sind. Die IHK schlägt vor, dass bestehende Rahmenbedingungen immer unter diesem Gesichtspunkt hinterfragt werden und offensichtliche Hürden und Hemmnisse (z.B. grenzüberschreitende Anerkennung der rechtlichen Form von Wagniskapitalfonds, Vermeidung von Doppelbesteuerung) thematisiert werden. Wichtig ist auch die Anschlussfähigkeit mit weiteren Finanzierungsinstrumenten, wie etwa Beteiligungsfinanzierungen oder traditionelle Darlehen. Auch die EU-Strukturfonds könnten verstärkt für Innovationsprojekte nutzbar gemacht werden.

Hintergrund:

Um im internationalen Wettbewerb der großen Wirtschaftsregionen zu bestehen, hat sich die EU mit der „Europa 2020“-Strategie unter anderem das Ziel gesetzt, drei Prozent des Bruttosozialprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben, was jedoch bisher nicht erreicht wird. Gleichzeitig sollen hierdurch wichtige Wachstumsimpulse gesetzt werden, denn es sind besonders die innovativen Unternehmen und insbesondere KMU, die mit neuen Produkten und Prozessinnovationen überproportional für Wachstum und Beschäftigung sorgen.
Es zeigt sich jedoch, dass immer weniger Unternehmen eine EU-Forschungsförderung beantragen. Ihr Anteil an den Fördermitteln ist seit 1991 von über 60 Prozent auf unter 25 Prozent gesunken. Gründe hierfür sind beispielsweise lange Wartezeiten bis zum Projektstart verglichen mit nationalen Förderprogrammen, thematische Ausschreibungen mit scheinbar nicht ausreichend großer Marktrelevanz sowie bürokratische Hürden beim Antrags- und Abrechnungsverfahren. Umfrageergebnisse belegen zudem, dass Förderprogramme der EU gegenüber nationalen oder regionalen (insbesondere von KMU) als weniger attraktiv bewertet werden und überwiegend von Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern genutzt werden. Die Zielgruppe der KMU wird in der bestehenden EU-Förderkulisse nur unzureichend erreicht, das Innovationspotenzial durch den Wissens- und Technologietransfer über Ländergrenzen hinweg somit nur unzureichend ausgeschöpft. Gerade für die Unternehmen der im Zentrum Europas gelegene Innovationsregion Stuttgart könnten adäquat und marktnah gestaltete EU-Förderprogramme als Stimulus wirken, um neue Innovationspartnerschaften zu anderen Regionen Europas aufzubauen. Eine auf einzelne Technologien ausgerichtete EU-(Forschungs-) Förderung würde dies erschweren und zudem die Wettbewerbsneutralität gefährden. Die EU-Mitgliedstaaten haben verschiedene wirtschaftliche Strukturen sowie gänzlich unterschiedliche Stärken im Technologiebereich und Technologieniveaus.
Neben der Unterstützung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten gibt es weitere durch die EU-Innovationspolitik beeinflussbare Rahmenbedingungen, welche sich auf die Region Stuttgart innovationsfördernd auswirken können, etwa durch effizienteren Schutz geistigen Eigentums oder bei der Finanzierung grenzüberschreitender Innovationsaktivitäten.