Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Engpässe im Güter- und Fernverkehrsschienennetz beseitigen

Positionen:
  • Um die prognostizierten Zuwächse im Verkehrsaufkommen bewältigen zu können, bedarf es einer Anpassung der Schieneninfrastruktur an die künftigen Anforderungen. Planfestgestellte Aus- und Neubauvorhaben sollten zügig umgesetzt werden.
  • Neben Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm bedarf es auch eines Fortgangs bei den Ausbauvorhaben auf den anderen Hauptverkehrsachsen des Landes - die Rheintal-, Gäu- und Südbahn. Dabei gilt es, deren Finanzierung sicherzustellen.
  • Trassenkonflikte zwischen Schienenpersonenverkehr und Schienengüterverkehr sollten dort, wo möglich, durch eine stärkere Entmischung reduziert werden.
  • Baden-Württemberg sollte sich kontinuierlich gegenüber den Bahnen des Personenfernverkehrs für eine attraktive Anbindung und Bedienung auf der Schiene einsetzen.
  • Um überhaupt Güter auf der Schiene zu transportieren sind entweder auf Seiten des Verladers Schieneninfrastrukturen vorzuhalten oder Umschlagterminals in regionaler Reichweite notwendig. Anlagen des Kombinierten Verkehrs, auch dezentrale Umschlagsanlagen, werden von der Wirtschaft unterstützt und sollten von der Politik gefördert werden.
  • Soweit Güterverkehrsstellen im Zuge des Programms „Zukunft Bahn“ der DB AG nicht mehr bedient werden, plädiert die IHK dafür, dass die Schieneninfrastruktur erhalten bleibt, soweit sie sich im Eigentum der öffentlichen Hand oder der DB Netz AG befindet. So hätten die anliegenden Unternehmen selbst oder ein von ihnen beauftragtes Eisenbahnverkehrsunternehmen die Möglichkeit, den Schienenanschluss zu einem späteren Zeitpunkt und bei entsprechenden Rahmenbedingungen erneut zu nutzen.
  • Die Erreichbarkeit mit dem Lkw im Vor- und Nachlauf zum Schienentransport ist von besonderer Bedeutung. Unter raumplanerischen Gesichtspunkten gilt es, die bestehenden Terminals weiträumig und endgültig vor einer „nicht-logistischen“ Nutzung zu schützen.
  • Funktionierende Seehafenhinterlandverkehre sind die Voraussetzung dafür, dass Rohstoffe und Komponenten zuverlässig in die Region gebracht und die hier produzierten und veredelten Güter schnell auf die internationalen Märkte gebracht werden können. Ihr Ausbau trägt damit maßgeblich zur Sicherung des Standorts bei. Leistungsfähigere Hinterlandanbindungen auf der Schiene für alle deutschen Seehäfen sowie zwischen dem Ruhrgebiet und den Rheinmündungshäfen sollten vorangetrieben werden.
In Baden-Württemberg erscheint aus Sicht der IHK für ein zukunftsfähiges Schienenverkehrsnetz und zur Engpassbeseitigung der Ausbau folgender Strecken erforderlich zu sein:
  • Stuttgart 21 und Neubaustrecke Wendlingen - Ulm
  • durchgehender Ausbau der Gäubahn Stuttgart - Singen auf zwei Gleise
  • Elektrifizierung der Südbahn Ulm - Friedrichshafen - Lindau
  • Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn, damit durchgehende Verbindungen zwischen Südbahn und Hochrheinstrecke (Basel–Singen) auch nach deren Elektrifizierung weiterhin möglich sind.
  • viergleisiger Neu- und Ausbau Karlsruhe - Basel mit Rastatter Tunnel
  • Neubaustrecke Frankfurt - Mannheim mit Einbindung des Hauptbahnhofs Mannheim für den Schienenpersonenfernverkehr, Steigerung der Leistungsfähigkeit der bestehenden Schienenstrecken im Korridor Frankfurt - Mannheim insbesondere auch für den Schienengüterverkehr
  • Umsetzung der Maßnahmen der 2. Baustufe der Hochgeschwindigkeitsstrecke Paris - Ostfrankreich - Südwestdeutschland über Saarbrücken - Mannheim (Nordast) und Straßburg - Karlsruhe (Südast) sowie weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Geschwindigkeit
  • direkte Anbindung des Flughafens Karlsruhe/Baden-Baden an das überregionale Schienennetz
  • Ausbau der Strecke Mannheim - Heidelberg und des Knotens Mannheim
  • Ein weiterer Wunsch der IHK ist die Stärkung des Schienenpersonenfernverkehrs zwischen Stuttgart und Nürnberg, insbesondere durch eine zeitgemäße Vertaktung. Dies auch vor dem Hintergrund der 2017 in Betrieb gehenden ICE-Neubaustrecke Nürnberg - Erfurt, mit der die Erreichbarkeit von Mitteldeutschland und Berlin verbessert wird.
  • Vorteilhaft speziell für den Güterverkehr erscheint auch der Ausbau der Alternativstrecke Kornwestheim - Schorndorf - Aalen - Donauwörth - Augsburg mit ausreichenden und entsprechend langen Kreuzungsmöglichkeiten in den eingleisigen Abschnitten. Dies würde Möglichkeit zum Umfahren der Geislinger Steige mit ihrer Begrenzung der Anhängelast bzw. der Notwendigkeit des zeit- und kostenaufwändigen Nachschiebens verbessern.
  • Eine wirkungsvolle Reduktion der Lärmemissionen des Schienenverkehrs ist vor allem durch die Ausrüstung der Fahrzeuge mit Verbundstoffbremssohlen zu erreichen. Dabei sollte auch der bestehende Fuhrpark umgerüstet werden. Staatliche Förderprogramme könnten die Umrüstung beschleunigen, außerdem sollte der Einsatz von Rollmaterial mit Graugussbremsen auf deutschem Hoheitsgebiet baldmöglichst beendet werden. Insoweit ist das Gesetz zum Verbot des Betriebs lauter Güterwagen (Schienenlärmschutzgesetz - SchlärmschG) ab Ende 2020 zu begrüßen. Problematisch erscheint jedoch die Regelung, wonach nicht umgerüstete laute Güterwagen danach noch mit geringerer Höchstgeschwindigkeit eingesetzt werden dürfen. Diese Langsamläufer reduzieren die Netzkapazität.
  • Gegebenenfalls sollte dort eine Mitfinanzierung seitens des Landes an Mehrkosten erwogen werden, wo zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen beim Neu- oder Ausbau wichtiger Schienenprojekte notwendige Voraussetzung für die Akzeptanz in der Bevölkerung sind.

Hintergrund:

Leistungsfähige Schienenverkehrsnetze erhöhen die Standortqualität. Nur bei entsprechender Verfügbarkeit können attraktive Angebote zum Transport von Gütern und Personen geschaffen werden. Viele Geschäftsreisende nutzen regelmäßig die Fern- und Regionalverkehrszüge aus der und in die Region Stuttgart. Zahlreiche Unternehmen der exportorientierten Region Stuttgart sind auch für den Transport ihrer Güter stark auf eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur auch außerhalb der Region angewiesen. Dies gilt beispielweise für die Anbindung an die deutschen Seehäfen und die Häfen im Rheinmündungsgebiet. Nadelöhr dabei ist unter anderem die Schienenanbindung der deutschen Seehäfen.
Auf den Hauptverkehrsstrecken im Land und in der Region sind einige Abschnitte überlastet. So gibt es beispielsweise im Rheintal und auf der Gäubahn Überlastungsspitzen, die in Form von Zugverspätungen im Personen- und Güterverkehr ins Netz und damit auch in die Region Stuttgart ausstrahlen. Außerdem wird die Entwicklung des Schienenverkehrs im Land durch eingleisige und/oder nicht elektrifizierte Streckenabschnitte negativ beeinträchtigt. Das Gutachten der IHK Region Stuttgart „Die Weichen auf Zukunft stellen“ hat nachgewiesen, dass die Engpässe in der Schieneninfrastruktur im Land konkrete und quantifizierbare negative Auswirkungen auf die Wirtschaft in der Region Stuttgart haben. Die Unternehmen sind jedoch auf zuverlässige Transporte innerhalb ihrer Logistiklinien angewiesen, gerade in einer der industrie- und exportstärksten Regionen Europas. Unzuverlässigkeiten im System Schiene und dadurch verursachte Unpünktlichkeiten können ursächlich dafür sein, dass Verkehre auf die Straße rückverlagert werden. Dies widerspräche den politischen Zielsetzungen, denn die Zuwächse im Güterverkehrsaufkommen, die für die nächsten Jahre und Jahrzehnte prognostiziert werden, sollen nach dem Willen der Politik hauptsächlich über die Schiene transportiert werden.
Die Lärmbelastung durch den Schienenverkehr geht zum Großteil auf Güterzüge zurück. Hauptursache ist die technische Ausrüstung des Rollmaterials, dabei insbesondere die Graugussbremsanlagen. Die Anstrengungen, die bezüglich Lärmschutzmaßnahmen an der Infrastruktur erfolgen, können die emittierten Geräusche oft nur unzureichend reduzieren. Kommt es zu keiner Lärmreduzierung, ist mit einer erheblichen Zunahme des Widerstands der Anwohner von Güterverkehrstrassen - beispielsweise am Mittelrhein - zu rechnen. Angebotseinschränkungen bzw. Umwegverkehre stünden zu befürchten. Dies droht vergleichbar auch für den Aus- und Neubau von Strecken wie der Rheintalbahn oder der Strecke Karlsruhe - Mannheim -Frankfurt, wo die Akzeptanz der Bevölkerung für diese aus Sicht der Wirtschaft notwendigen Baumaßnahmen oft nur durch zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen erreicht werden kann. Eine gesetzliche Regelung zum Schutz vor Schienenlärm ist inzwischen auf den Weg gebracht.