Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Energieeffizienz

Positionen:
  • Die 2030-Energieeffizienzziele sollten vorerst unverbindlich bleiben. Kritisch ist daher eine Revision der Energieeffizienzrichtlinie mit potenziellen neuen Energieeinsparverpflichtungen zu sehen. Eine Überforderung der Unternehmen mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen kann die Folge sein.

  • Die von der EU vorgegebene Energieeinsparquote sollte durch marktbasierte Energieeffizienzmaßnahmen (Leitprinzip von Wirtschaftlichkeit und Freiwilligkeit) umgesetzt werden. Konkret heißt das: Die Politik sollte den Unternehmen die Nutzung von Energiedienstleistungen und Energiemanagementsystemen erleichtern, indem sie die Rahmenbedingungen z. B. für Contracting verbessert. Effizienzpotenziale in Industrie und Gewerbe sowie im Gebäudebereich lassen sich marktorientiert am besten heben.

  • Die Zielsetzung der Bundesregierung, Angebote und Anreize für Energieeffizienzinvestitionen, die Schaffung eines Energiedienstleistungsmarktes und somit die Eigenverantwortung der Akteure zu stärken, ist geeignet, bestehende Potenziale kosteneffizient zu heben.

  • Die angekündigte Grundausrichtung, Akteure durch positive Anreize zu individuell angepassten Energieeffizienzmaßnahmen zu stimulieren, sollte weitergeführt werden. Auch künftige Initiativen der Bundesregierung sollten sich an diesen Prinzipien orientieren.

  • Die Beratungs- und Fördermöglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz auf Bundesebene und in den Regionen sollten besser miteinander verzahnt und dadurch für die Unternehmen einfacher nutzbar gemacht und breiter kommuniziert werden.

  • Das Energiedienstleistungsgesetz sollte mit den Gesetzen anderer EU-Staaten hinsichtlich der KMU-Definition synchronisiert werden.

  • Absolute Stromeinsparziele sind in Zeiten der Energiewende nicht mit günstigem, CO2-freiem bzw. -armen Stromangebot kompatibel. Auch lassen sie effizienzsteigernde Substitutionseffekte außer Acht und stehen im Widerspruch zu anderen energiepolitischen Zielen (zum Beispiel eine Million Elektroautos bis 2020). Es sollten daher nur noch relative Stromeinsparziele zum Einsatz kommen - zum Beispiel Senkung des Stromeinsatzes je Euro Wertschöpfung. Reboundeffekte sollten dann bei der Definition von Einsparzielen mitbetrachtet werden.

  • Es sollte ein Pfad zur Effizienzsteigerung verfolgt werden, der die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen fördert und nicht beeinträchtigt. Dies gilt auch bei der Umsetzung der europäischen 2030-Energieeffizienzziele.

  • Von einer weiteren Verschärfung der bestehenden Energieeinsparungs- bzw. Effizienzvorgaben wird abgeraten. Zudem stehen technische Grenzen der Energieeffizienz gerade im Strombereich absoluten Einsparzielen entgegen und auch im Widerspruch zur gewollten Flexibilisierung der Nachfrage.

  • Investitionen der Unternehmen in Energieeffizienzmaßnahmen sollten für die Unternehmen keine nachteiligen Auswirkungen haben, etwa bei der Besonderen Ausgleichsregel.

  • Der gewünschte Ausbau der Elektromobilität oder die Digitalisierung der Wirtschaft können zu einem Anstieg des Stromverbrauchs führen. Daher ist die Landesregierung gehalten eigene politische Zielvorgaben im Klimaschutzgesetz für den Stromverbrauch an den angestrebten strukturellen Wandel anzupassen.

  • Der von der Landesregierung für 2025 angestrebte Bruttostromverbrauch von 75,6 Terrawattstunden erscheint aus augenblicklicher Sicht realistisch. Ob dies angesichts zunehmender Elektrifizierung auch künftig gilt, ist ungewiss. Deutschland liegt bei der Energieproduktivität klar über dem EU-Durchschnitt. In BW hat sich die Stromintensität im Vergleich zum Bund deutlich positiver entwickelt. Insofern wurden hier bereits Vorleistungen erbracht. Eine weitere Verschärfung von Energieeinsparungs- und -effizienzvorgaben im Land erscheint deshalb nicht angezeigt.

  • Die Landesregierung sollte die freiwilligen, eigenverantwortlichen Bemühungen der Unternehmen zur Energieeffizienz anerkennen und weitere Anstrengungen durch Information und Förderung anreizen.

  • Strategien, Vorgaben und Anreize für die energetische Sanierung von Gebäuden und Energieeffizienz im Neubau müssen eines gemeinsam haben: Sie sollten technologieoffen sein und Kombinationen von „erneuerbarer Wärme“ und Energieeffizienz ermöglichen, um Potenziale zur Senkung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen kostengünstig zu heben. Im Rahmen von Schulungen sollten diese Ziele an Bauträger, Architekten vermittelt werden.

  • Technologieneutralität und damit ein fairer Wettbewerb zwischen dezentralen Wärmelösungen und Fernwärme ist notwendig. Das schließt den Verzicht auf Anschluss- und Benutzungszwänge oder Verbrennungsverbote ein.

  • Die Entwicklung einer umfassenden Gebäudestrategie kann die Planungssicherheit der Unternehmen verbessern. Die für die Gebäudemodernisierung vorgesehenen Sanierungsfahrpläne sollten freiwillig bleiben und in der Praxis breite Kombinationen von erneuerbarer Wärme und Energieeffizienz ermöglichen.

  • Der Fokus sollte dabei zunächst auf Wohngebäuden und öffentlichen Gebäuden liegen. Hier liegt das größte Potenzial, den Raumwärmebedarf zu reduzieren und erneuerbare Wärme zunutzen. Bestandsgebäude der Wirtschaft, insbesondere im produzierenden Gewerbe, weisen häufig komplexe Energieströme auf, so dass allgemeine Vorschriften zur Gebäudeeffizienz (Raumwärme) hier oft dem Einzelfall nicht gerecht werden können. Neue energetische Anforderungen an Bestandsgebäude lehnt die IHK daher ab.

  • Im Neubaubereich sollten die gesetzlichen Rahmenbedingungen unbürokratischer gestaltet werden, auch indem Energieeinsparverordnung (EnEV) und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) besser aufeinander abgestimmt bzw. zusammengeführt werden.

  • Die Zielstandards der Niedrigstenergiegebäude nach EU-Gebäuderichtlinie sollten so ausgestaltet werden, dass mit verschiedenen Kombinationen von erneuerbarer Wärmeerzeugung sowie effizienter Gebäudehülle und -technik einschließlich der Abwärmenutzung individuelle Lösungen zu möglichst geringen Kosten erreicht werden können.

  • Die Ausdehnung des Anwendungsbereiches im EWärmeG auf Nicht-Wohngebäude sollte zurückgenommen werden.

  • Vorgaben zur Gebäudeenergieeffizienz für Bestandsbauten sollten generell auf ein Minimum beschränkt werden.

Hintergrund

Quelle DIHK Wirtschaftpoltische Positionen: Das Energiekonzept der Bundesregierung setzt ambitionierte Ziele: Im Rahmen der Energiewende soll bis 2050 der Primärenergieverbrauch gegenüber dem Referenzjahr 2008 halbiert werden. Bereits bis 2020 werden eine Senkung des Stromverbrauchs um zehn Prozent und eine Verringerung des gesamten Energieverbrauchs um 20 Prozent angestrebt. Bis 2050 sollen 80 Prozent des Stroms aus regenerativen Quellen stammen. Die Politik erwartet auch von der Wirtschaft einen maßgeblichen Beitrag zur Steigerung der Energieeffizienz, zum Ausbau der erneuerbaren Energien und zu deren Finanzierung.Viele Unternehmen in Baden-Württemberg - auch die Industrie - haben ihre Hausaufgaben im Wesentlichen gemacht. 96 Prozent der Industrieunternehmen im Land beschäftigen sich mit Aktivitäten zur Steigerung der Energieeffizienz mit zunehmendem Umsetzungsgrad. Dies, obwohl 73 Prozent der Industriebetriebe maximal ein Prozent Einsparpotenzial pro Jahr im eigenen Unternehmen sehen. 40 Prozent der Unternehmen in Baden-Württemberg und 50 Prozent der Industriebetriebe haben ihre Marktausrichtung hinsichtlich energieeffizienter Produkte angepasst oder wollen dies tun. Aufgrund der Veränderungen in Energiewirtschaft und -politik erschließen 29 Prozent der Unternehmen (32 Prozent in der Industrie) neue Geschäftsfelder und 18 Prozent der Unternehmen neue Absatzmärkte im Ausland (30 Prozent in der Industrie) oder planen dies. Gemäß der Umfrage des DIHK (Energiewendebarometer 2016) werden tendenziell im Befragungszeitraum zunehmend Maßnahmen realisiert bei gleichzeitiger Abnahme geplanter Maßnahmen.