Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Bei europaweiter Finanzmarktregulierung Unternehmensfinanzierung sichern

Positionen:
  • Eine wirksame Finanzmarktregulierung ist im Interesse der Wirtschaft. Die Finanzierungsbedürfnisse der Unternehmen sollten dabei im Zentrum stehen.

  • Eine funktionierende Finanzmarktregulierung trägt den Bedürfnissen der Unternehmensfinanzierung Rechnung. Wichtig sind differenzierte Regelungen, die nur tatsächlich riskante Geschäfte treffen. Die Beibehaltung des KMU-Gewichtungsfaktors, der eine zusätzliche Belastung von KMU-Krediten durch Basel III verhindert, ist ein wichtiger Schritt. Von besonderer Bedeutung ist auch die Sicherung der Langfristfinanzierung für die Unternehmen.

  • Auch in einer Bankenunion sollte Raum für unterschiedliche Geschäftsmodelle und Organisationsformen im Bankensektor bleiben. Dazu gehört die Fortführung des erfolgreichen deutschen Drei-Säulen-Modells. Eine Trennung in vermeintlich gute und vermeintlich schlechte Bankgeschäfte würde den bewährten Service aus einer Hand für die kreditnehmende Wirtschaft unmöglich machen. Die Wirtschaft setzt sich deshalb für den Erhalt des Universalbankensystems ein. Zudem sollte stärker berücksichtigt werden, dass viele neue Melde- und Prüfpflichten gerade kleinere Institute überproportional belasten und somit auch die Mittelstandsfinanzierung.

  • Viele neue Vorgaben führen zu unnötigen Doppelbelastungen für Banken und Unternehmen sowie zu Widersprüchen zwischen Regulierungen. Einerseits sollen die Kreditinstitute z. B. mehr Eigenkapital vorhalten und andererseits begrenzen die steigenden Regulierungskosten den Kapitalaufbau – was womöglich zu Einschränkungen in der Kreditvergabe führt. Hier sind eine bessere Abstimmung, die Beseitigung bestehender Inkonsistenzen und eine stärkere Konzentration der europäischen Aufsichtsbehörden auf die Vorgaben des europäischen Gesetzgebers nötig.

  • Miteinander von Kapitalmarkt und Bankfinanzierung ermöglichen: Die Beseitigung von Hindernissen im EU-weiten Kapitalverkehr und eine differenziertere Verbriefungsregulierung sind sinnvoll und können das Finanzierungsumfeld stärken. Für die Mehrheit der Unternehmen stellt der Kapitalmarkt aber keine Alternative zur Bankfinanzierung dar. Die Kapitalmarktunion kann daher nur eine Ergänzung darstellen und keine negativen Auswirkungen übermäßiger Bankenregulierung ausgleichen.

  • Abwicklungs- und Sanierungsstandards konsequent umsetzen: Die Haftungskaskade sichert die Einheit von Handlung und Haftung. Dabei werden bei einer Bankenschieflage zunächst Aktionäre und Gläubiger herangezogen. Erst dann soll ein von den Banken finanzierter Abwicklungsfonds zurückgegriffen werden. Dies sollte nach Meinung der Wirtschaft konsequent umgesetzt werden. Mit dem Einheitlichen Abwicklungsfonds seit 2016 ist eine problematische grenzüberschreitende Umverteilung von Risiken verbunden.

  • Einlagensicherung in nationaler Verantwortung belassen: Eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung wird den Besonderheiten des deutschen Bankensystems nicht gerecht werden und könnte das Schutzniveau sogar senken. Risiken – auch aus der Staatsverschuldung – werden gegebenenfalls umverteilt und schaffen neue Fehlanreize. Länder mit starken Banken und deren Kunden haften im Ernstfall für Länder mit schwachen Banken. Die Wirtschaft setzt sich nachdrücklich gegen eine solche Zweckentfremdung der von Mitgliedsunternehmen der IHK indirekt mitfinanzierten Einlagensicherung ein.


Hintergrund:

Die Stabilität der Finanzmärkte ist eine grundlegende Voraussetzung für die erfolgreiche Finanzierung der Wirtschaft durch Banken und Kapitalmärkte und fördert Investitionen, Wohlstand, Beschäftigung und Wachstum. Für die mittelständische Wirtschaft in der Region sind Geno-Banken und Sparkassen verlässliche Partner. International operierende Unternehmen wiederum sind darauf angewiesen, dass sie die erforderliche Begleitung von leistungsstarken, einheimischen Instituten auf den Auslandsmärkten erhalten. Bei beiden Gesichtspunkten kommt der Zukunft der Landesbank Baden-Württemberg aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft eine besondere Bedeutung zu. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von neuen Vorgaben für alle Bereiche der Finanzmärkte beschlossen. Regulierung schränkt immer auch Geschäftsoptionen ein, erhöht die Finanzierungskosten und schmälert so letztlich auch Wachstumschancen. Die kumulierten Auswirkungen der Finanzmarkregulierung auf die Unternehmensfinanzierung sind bisher nicht erfasst – nicht zuletzt wegen des Niedrigzinsumfelds. Höhere Eigenkapitalanforderungen, neue Liquiditätsvorschriften, pauschale Verschuldungsgrenzen sowie Clearing- und Besicherungspflichten können zusammen auch zu Einschränkungen beim Angebot an langfristigen Finanzierungen und Absicherungsgeschäften sowie zu steigenden Kreditkosten für Unternehmen führen.
Die Europäische Zentralbank hat die direkte Aufsicht über die größten Banken der Eurozone übernommen und macht immer stärkere Vorgaben – auch für die indirekte Aufsicht über kleinere Institute. Zudem ist für die Eurozone ab dem 1. Januar 2016 ein gemeinsamer Abwicklungsmechanismus und -fonds für Banken in Schieflage geschaffen worden.
Die Kommission will Hindernisse im grenzüberschreitenden Kapitalverkehr beseitigen und so einen echten integrierten Kapitalmarkt ermöglichen. Profitieren sollen davon auch viele kleinere und mittlere Unternehmen, die derzeit keinen Zugang zum Kapitalmarkt haben. Neben Erleichterungen beim direkten Kapitalmarktzugang sollen auch regulatorische Vereinfachungen für Verbriefungen hoher Qualität eingeführt werden.