Konjunkturumfrage Frühsommer 2024

Baden-Württemberg: Die Wirtschaft im Kriechgang

Die Aussicht auf eine wirtschaftliche Erholung für die Unternehmen in Baden-Württemberg scheint noch weit entfernt zu sein. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Konjunktur einen unsteten Verlauf genommen und zeigt nun einen deutlichen Abwärtstrend. Den Unternehmen fehlen zurzeit die erforderlichen Impulse, um den Aufschwung einzuleiten. Strukturelle Schwächen, die das Produktionspotenzial von Baden-Württemberg beeinträchtigen, zeigen sich immer deutlicher: Die Strompreise sind dank der Abschaffung der EEG-Umlage zwar wieder auf dem Niveau vor der Krise, bleiben jedoch im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig. Aufgrund des demographischen Wandels nimmt das erforderliche Arbeitsvolumen stetig ab. Übermäßige Bürokratie und eine unsichere Wirtschaftspolitik hemmen die Investitionsentscheidungen der Unternehmen. Inzwischen haben auch führende Wirtschaftsinstitute ihre Wachstumsprognose für Deutschland nach unten korrigiert. Das Bruttoinlandsprodukt von Baden-Württemberg lag Ende 2023 (preisbereinigtes BIP: 108) nach einer Reihe aufeinanderfolgender Krisen auf dem gleichen Niveau wie Ende 2017(preisbereinigtes BIP: 107,9). Die baden-württembergische Wirtschaft hatte damit kein nennenswertes Wachstum in den letzten 6 Jahren verzeichnen können.  
IHK-Konjunkturumfrage für Baden-Württemberg: Diese Analyse basiert auf der Konjunkturumfrage im Frühsommer 2024 der 12 IHKs in Baden-Württemberg, an der landesweit 3.327 Unternehmen zwischen dem 9. April 2024 und 29. April 2024 teilgenommen haben.
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Bei der Konjunkturumfrage im Frühsommer 2024 beurteilen 31 Prozent der Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage als gut, was etwa 3 Prozentpunkte weniger sind als noch zu Jahresbeginn. 18 Prozent der Unternehmen befinden sich in einer schlechten wirtschaftlichen Lage. Der Saldo seit Jahresbeginn um 5 Punkte auf 13 Punkte gesunken.  
Trotz des deutlichen Rückgangs der Inflation kommen aus dem In- und Ausland nur schwache Nachfrageimpulse. Der Indikator für den Auftragseingang steigt zwar leicht um 5 Punkte, liegt aber mit 16 Punkten im negativen Bereich.  35 Prozent der Unternehmen melden weiterhin einen abnehmenden Trend im Auftragseingang.  
Die Geschäftserwartungen bleiben pessimistisch, doch scheint der Tiefpunkt erreicht zu sein. Der Indikator steigt im Vergleich zum Jahresbeginn um 4 Punkte und liegt bei –7 Punkten. Jedes vierte Unternehmen (26 Prozent) rechnet weiterhin mit einer Verschlechterung der Geschäfte in den nächsten 12 Monaten. Eine Verbesserung erwarten immerhin 19 Prozent, zu Jahresbeginn waren es nur 18 Prozent.
Die düsteren Zukunftsaussichten und die fehlenden wirtschaftlichen Impulse wirken sich negativ auf die Investitions- und Beschäftigungspläne der Unternehmen aus. Der Indikator für geplante Inlandsinvestitionen bleibt unverändert bei -5 Punkten. Aufgrund hoher Standortkosten (Arbeitskosten, Energiekosten und bürokratische Belastungen) wird Baden-Württemberg für viele Industrieunternehmen zunehmend unattraktiv. In der Konjunkturumfrage im Frühsommer wurden die Industriebetriebe gefragt, ob sie in den letzten drei Jahren Inlandsinvestitionen zugunsten von Auslandsinvestitionen zurückgestellt haben. Etwa 14 Prozent der Unternehmen beantworten die Frage mit ”Ja”. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass im Gesamtaggregat (alle Antworten einschließlich ”Nein”) auch Unternehmen geantwortet haben, die aufgrund der Betriebsgröße oder der Branchenspezifik nicht im Ausland investieren können.  
Die Beschäftigungspläne sind eher zurückhaltend. Jedes vierte Unternehmen erwartet einen Rückgang der Beschäftigung in den nächsten 12 Monaten. Circa 16 Prozent rechnen mit steigenden Zahlen. Der Indikator bleibt wie zu Jahresbeginn bei 9 Punkten.

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Die schwache Inlandsnachfrage bleibt das Toprisiko  

Das am häufigsten genannte Risiko für Unternehmen in Baden-Württemberg bleibt die schwache Inlandsnachfrage. Trotz einer allmählichen Stabilisierung der Inflation, die in Baden-Württemberg derzeit bei 2,1 Prozent liegt, besteht bei den privaten Haushalten weiterhin eine Zurückhaltung in Bezug auf die Kaufkraft. Der GfK-Konsumklimaindex bleibt im April 2024 mit –24 Punkten niedrig und konnte sich im Vergleich zum Vormonat nur leicht um 3 Punkte verbessern. Auch auf Unternehmensseite bleibt die Nachfrage niedrig.
Trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten und zurückhaltender Beschäftigungspläne betrachten Unternehmen den Mangel an Arbeits- und Fachkräften mittel- und langfristig als Risiko für wirtschaftliche Entwicklung. In Phasen des konjunkturellen Abschwungs würde man aus volkswirtschaftlicher Sicht auch einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen erwarten. Die Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg bleibt jedoch stabil bei 4,2 Prozent und liegt im Vergleich zum Vorjahresmonat nur 0,3 Prozentpunkte höher. Viele Unternehmen halten trotz schwieriger Zeiten an ihren Mitarbeitern fest, um den drohenden Engpässen im Arbeitsangebot in den kommenden Jahren entgegenzuwirken. 
Die Anhebung des Mindestlohns, die Inflation und der Mangel an Fachkräfte üben Druck auf Löhne und Gehälter aus. Mehr als jedes zweite Unternehmen sieht hierin ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens.  
Das Risiko hoher Energiekosten ist im Vergleich zu früheren Konjunkturumfragen in den Hintergrund gerückt. Einerseits liegen die Energiepreise aufgrund der Beruhigung an den Strommärkten und dem Wegfall der EEG-Umlage für Industrieunternehmen wieder auf dem Niveau vor der Krise. Andererseits wird aufgrund der geringen Nachfrage auch weniger produziert, was zumindest die variablen Energiekosten reduziert. In einigen Branchen, wie dem Gastgewerbe oder dem Verkehrsgewerbe, bleibt die Nennung hoher Energiekosten als Geschäftsrisiko jedoch hoch.  
Wie schon zu Jahresbeginn wurde das Risiko “politische Rahmenbedingungen” mit 37 Prozent der Nennungen im Vergleich zu den Vorjahren relativ häufig genannt. In den Freitextantworten werden häufig Themen wie “Bürokratie” oder “unsichere Wirtschaftspolitik” genannt.  
O-Ton eines Unternehmens: “Unstetes Verhalten insbesondere der Bundesregierung hat Vertrauenskrise geschaffen. Allgemeine Verantwortungs- und Handlungsaversion lähmt überall - wir müssen wieder vom Land der Schwätzer zum Land der Macher zurückkommen!” 

Industrie nahe an der Rezession, Dienstleister mit noch guter Stimmung 

Die wirtschaftliche Situation der Industrieunternehmen in Baden-Württemberg hat sich seit der letzten Konjunkturumfrage deutlich verschlechtert. Nur noch 24 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage als gut, das sind 5 Prozentpunkte weniger als im Januar. Rund 22 Prozent der Unternehmen beurteilen ihre Geschäftslage als schlecht. Grund dafür ist die anhaltend schlechte Inlands- und Auslandsnachfrage. Etwa drei Viertel der Unternehmen betrachten die Inlandsnachfrage als Geschäftsrisiko. Auch aus dem Ausland, das in der Vergangenheit für den wirtschaftlichen Aufschwung gesorgt hat, kommen nur schwache Nachfrageimpulse, mit ein paar Ausnahmen aus den Vereinigten Staaten und Asien. Fast jedes zweite Unternehmen (47 Prozent) sieht im Auslandsabsatz ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung. Die wirtschaftliche Situation der Industrieunternehmen in Baden-Württemberg hat sich seit der letzten Konjunkturumfrage deutlich verschlechtert. Nur noch 24 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage als gut, das sind 5 Prozentpunkte weniger als im Januar. Rund 22 Prozent der Unternehmen beurteilen ihre Geschäftslage als schlecht. Grund dafür ist die anhaltend schlechte Inlands- und Auslandsnachfrage. Etwa drei Viertel der Unternehmen betrachten die Inlandsnachfrage als Geschäftsrisiko. Auch aus dem Ausland, das in der Vergangenheit für den wirtschaftlichen Aufschwung gesorgt hat, kommen nur schwache Nachfrageimpulse, mit ein paar Ausnahmen aus den Vereinigten Staaten und Asien. Fast jedes zweite Unternehmen (47 Prozent) sieht im Auslandsabsatz ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung.
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Der Tiefpunkt der Krise in der Bauwirtschaft scheint im Januar erreicht worden zu sein. Aufgrund des hohen Zinsniveau ist das Neugeschäft im privaten Wohnungsbau im vergangenen Jahr stark zurückgegangen. Jedoch gibt es positive Impulse aus dem Tief- und Straßenbau, wodurch der Lageindikator von 6 Punkten zu Jahresbeginn auf 13 Punkte im Frühsommer gestiegen ist. Ungefähr 28 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage als gut, das sind 5 Prozentpunkte mehr als noch im Januar. Nur noch 15 Prozent der Bauunternehmen beurteilen Ihre Geschäftslage als schlecht.  
Trotz der Stabilisierung der Inflation in den letzten Monaten bleibt das Kaufverhalten der privaten Haushalte verhalten. 61 Prozent der Einzelhändler bewerten das Kaufverhalten als zurückhaltend. Die schwache Inlandsnachfrage wird von 67 Prozent der Einzelhändler als Geschäftsrisiko angesehen. Bei den Großhändlern ist der Anteil der Nennungen mit 80 Prozent sogar noch deutlich höher. Insbesondere der produktionsverbundene Großhandel spürt die konjunkturelle Schwäche der Industrie.  
Die Unternehmen im Hotel- und Gaststättengewerbe sehen sich nach wie vor mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert: Der Mangel an Fachkräften, ein erhöhter Mindestlohn, die Anhebung der Mehrwertsteuer und hohe Energiekosten belasten die Betriebe und mindern die Gewinnspanne. Aktuell bewerten nur noch 28 Prozent ihre wirtschaftliche Situation als gut. Im Vergleich zum Jahresbeginn berichten 6 Prozentpunkte mehr Unternehmen, insgesamt 21 Prozent, von einer schlechten Geschäftslage. 
Die schwache Konjunktur der Industrie hat sowohl vor- als auch nachgelagert negative Auswirkungen auf die Unternehmen des Transport- und Verkehrsgewerbes. 42 Prozent der Betriebe berichten von einer abnehmenden Tendenz bei den Auftragseingängen. Etwa 62 Prozent sehen in der geringen Inlandsnachfrage ein Geschäftsrisiko. Im Vergleich zum Jahresbeginn ist der Lageindikator um 1 Punkt auf 6 Punkte gesunken. Mit 72 Prozent der Nennungen bleibt der Fachkräftemangel das am häufigsten genannte Risiko, dicht gefolgt von den Energiepreisen, die von 70 Prozent der Befragten als Risiko angeführt werden. 
Die Unternehmen der Dienstleistungsbranche befinden sich auf einem relativ guten Niveau. Obwohl der Nachfrageindikator mit –3Punkten im negativen Bereich liegt, berichten etwa 36 Prozent der Dienstleister von einer guten Ertragslage, etwa 47 Prozent von einer befriedigenden und nur 17 Prozent von einer schlechten Ertragslage. Die erwartete Geschäftsentwicklung ist optimistischer als zu Jahresbeginn. Der Indikator für die Geschäftserwartungen ist von –1 Punkt auf 4 Punkte gestiegen.