Industrie, Herbst 2024
Industrie, Herbst 2024: Industrie ist in der Rezession angekommen
Die Industrie in Baden-Württemberg gerät zunehmend in eine Rezession. Seit über zwei Jahren verzeichnen die Unternehmen einen kontinuierlichen Rückgang der Aufträge. Die Zurückhaltung der Haushalte bei den Ausgaben und die sinkende Nachfrage stellen für die Industrieunternehmen eine der größten Herausforderungen dar. Das Geschäftsrisiko durch die Inlandsnachfrage ist im Vergleich zum Frühsommer um weitere vier Prozentpunkte gestiegen und wird inzwischen von 78 Prozent der Unternehmen als Risiko eingestuft. Auch die Exportwirtschaft, die in den vergangenen Jahren immer wieder positive Impulse geliefert hat, leidet unter der konjunkturellen Schwäche im Ausland und strukturellen Problemen im Inland. Mehr als die Hälfte der Industrieunternehmen sieht im niedrigen Auslandsabsatz ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung. Ob die Konjunktur durch Exporte wieder angekurbelt werden kann, bleibt fraglich, da die baden-württembergischen Unternehmen im internationalen Wettbewerb unter Druck stehen. Übermäßige Bürokratie, nicht wettbewerbsfähige Energiepreise und Fachkräftemangel erschweren es den Unternehmen, sich im globalen Markt zu behaupten. Zudem fehlen von politischer Seite die notwendigen Impulse, um Deutschland als Standort wieder attraktiv und wettbewerbsfähig zu machen.
Die Industrie befindet sich in einer Rezession: Sowohl der Lageindikator als auch der Erwartungsindikator rutschen in den negativen Bereich. Der Lageindikator sinkt im Vergleich zum Frühsommer von 2 Punkten auf –13 Punkte. Nur noch 19 Prozent der Unternehmen bewerten ihre derzeitige wirtschaftliche Lage als gut, was einem Rückgang von 5 Prozentpunkten gegenüber dem Frühsommer entspricht. 32 Prozent der Unternehmen befinden sich in einer schlechten Geschäftslage, etwa 10 Prozentpunkte mehr als bei der vorherigen Umfrage.
Der Kostendruck und die niedrige Nachfrage setzen die Industrieunternehmen stark unter Druck. Die Auftragsbücher leeren sich und die Produktion wird zurückgefahren. Dies zeigt sich auch in der Kapazitätsauslastung, die derzeit im Durchschnitt bei 77 Prozent liegt – etwa 7 Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt.
Nicht nur die schwache Nachfrage beeinträchtigt die Investitions- und Beschäftigungspläne der Unternehmen, sondern auch der derzeitige politische Kurs wird zunehmend kritisiert. In der Herbst-Konjunkturumfrage sehen 45 Prozent der Industrieunternehmen die aktuelle Wirtschaftspolitik als Geschäftsrisiko an – 15 Prozentpunkte mehr als der 10-Jahres-Durchschnitt. Diese Unsicherheit führt dazu, dass Unternehmen ihre Investitionen zurückhalten. Der Indikator für Inlandsinvestitionen sinkt von –7 Punkten auf –21 Punkte. 42 Prozent der Unternehmen planen, in den kommenden 12 Monaten weniger zu investieren. Besonders Investitionen in Expansion und Kapazitätserweiterungen werden seltener genannt. Derzeit sind es nur noch 18 Prozent der Nennungen, während der 10-Jahres-Durchschnitt bei 31 Prozent liegt.
Auch die Einstellung neuer Mitarbeiter wird aufgrund der geringen Produktion zurückgefahren. Der Beschäftigungsindikator sinkt von –21 Punkten auf –28 Punkte. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen, mit denen die Industrieunternehmen konfrontiert sind, tritt das Risiko des Fachkräftemangels in den Hintergrund. Nur noch 42 Prozent der Unternehmen sehen darin ein Geschäftsrisiko.
Die Unternehmen der Metallindustrie leiden nicht nur unter einem Rückgang der Auftragseingänge, sondern auch unter einem hohen Kostendruck. Seit der Energiekrise 2022 kämpfen die energieintensiven Metallbetriebe mit hohen Energiekosten, die zwar wieder auf Vor-Corona-Niveau gesunken sind, aber im internationalen Wettbewerb immer noch zu hoch liegen. Mehr als die Hälfte der Metallbetriebe sieht weiterhin ein Risiko in den Energiekosten. Zusätzlich belasten hohe Arbeitskosten die Unternehmen, die aufgrund der Inflation in den letzten Monaten gestiegen sind. Derzeit betrachten 66 Prozent der Unternehmen steigende Löhne als Geschäftsrisiko. Die Ertragslage wird zunehmend schlechter eingeschätzt: 44 Prozent der Unternehmen melden eine schlechte Ertragslage, was einem Anstieg von 10 Prozentpunkten gegenüber dem Frühsommer entspricht.
Die Papierindustrie, ebenfalls stark energieintensiv, befindet sich in einer ähnlichen Lage wie das Metallgewerbe. Sowohl der Inlands- als auch der Auslandsabsatz sind seit Monaten rückläufig. Mehr als jedes dritte Unternehmen verzeichnet eine sinkende Tendenz bei den Auftragseingängen. Im Vergleich zum Herbst 2023 hat sich die Situation jedoch etwas entspannt: Damals meldeten 64 Prozent der Unternehmen eine fallende Tendenz. Dennoch kämpfen die Unternehmen der Papierindustrie weiterhin mit hohen Energie- (Geschäftsrisiko: 55 Prozent im Herbst 2024) und Arbeitskosten (Geschäftsrisiko: 62 Prozent). Beide Faktoren werden im Vergleich zur vorherigen Konjunkturumfrage häufiger als Risiken genannt.
Die Unternehmen des Fahrzeugbaus erleben derzeit einen starken Rückgang. Während im Frühsommer noch etwa 30 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage als gut bewerteten, sind es im Herbst nur noch 16 Prozent. Jedes dritte Unternehmen meldet eine schlechte Geschäftslage. Der Umsatz hat sich im Vergleich zum Vorjahresquartal erheblich verschlechtert, wobei der Indikator von –7 Punkten auf –54 Punkte gefallen ist. Acht von zehn Unternehmen sehen im Inlands- und Auslandsgeschäft derzeit ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung. Auch die Exporterwartungen wurden nach unten korrigiert, wobei der Indikator von 13 Punkten auf 2 Punkte gesunken ist und damit knapp im positiven Bereich bleibt.
Die Unternehmen der Elektrotechnik setzen die Wellblechkonjunktur fort. Der Lageindikator sinkt von 5 Punkten auf –7 Punkte. Nur noch 11 Prozent der Unternehmen verzeichnen eine steigende Tendenz bei den Auftragseingängen, was einem Rückgang von 9 Prozentpunkten gegenüber dem Frühsommer entspricht. Der Inlands- und Auslandsabsatz belegen weiterhin die ersten Plätze bei den Geschäftsrisiken. Die Flaute in den Auftragsbüchern spiegelt sich auch in der niedrigen Produktion wider. Die Kapazitätsauslastung liegt bei etwa 78 Prozent, was 7 Prozentpunkte unter dem 10-Jahresdurchschnitt liegt.
Auch die Unternehmen des Maschinenbaus befinden sich auf Talfahrt. Der Lageindikator verliert im Vergleich zur vorherigen Umfrage 13 Punkte und liegt nun bei –7 Punkten. Mehr als die Hälfte der Unternehmen meldet einen Umsatzeinbruch im Vergleich zum Vorjahresquartal. Die Exporterwartungen für die kommenden 12 Monate sinken ebenfalls auf –7 Punkte. Jedes dritte Unternehmen erwartet eine geringere Nachfrage aus dem Ausland.
In den vergangenen Jahren konnte sich die baden-württembergische Wirtschaft für einen konjunkturellen Aufschwung stets auf das Auslandsgeschäft verlassen. Dies ist jedoch aktuell nicht der Fall. Vor allem die Eurozone und die restliche EU kämpfen mit einer schwächelnden Konjunktur. In beiden Regionen erwarten Unternehmen in den kommenden 12 Monaten einen Rückgang der Exporte.
Anders sieht es in einer der wichtigsten Handelsregionen aus: Nordamerika, insbesondere die USA, liefern derzeit noch positive Impulse. Wie lange das anhält, bleibt abzuwarten, da im November die nächsten Präsidentschaftswahlen in den USA stattfinden. Da die Vereinigten Staaten einer der wichtigsten Handelspartner sind, bleibt zu hoffen, dass der voranschreitende Protektionismus sich je nach Wahlausgang nicht weiter ausdehnt.