Pressemitteilung vom 31. Januar 2024

Brüssel entscheidet über EU-Lieferkettenrichtlinie – Kleine und mittelgroße Unternehmen stark belastet

Paal: Wo bleibt der Bürokratieabbau? Immer neue und immer mehr Regelungen rauben Kapazitäten für Innovationen

Diese Woche entscheidet sich voraussichtlich, ob die europäische Lieferkettenrichtlinie in Brüssel grünes Licht bekommt. Für die exportstarken Unternehmen in der Region Stuttgart steht viel auf dem Spiel. Auf sie könnten zahlreiche neue Auflagen, Berichtspflichten und Haftungsfragen zukommen – zusätzlich zu denen, die bereits das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gebracht hat. Hilfestellung vor allem für kleine und mittelgroße Unternehmen soll ein Praxisleitfaden geben, den die IHK Region Stuttgart herausgegeben hat.
Das Dickicht neuer EU-Bürokratie für Unternehmen im Außenhandel wird immer undurchdringlicher. Vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen sind damit vielfach überfordert. „Vom versprochenen Bürokratieabbau der Kommissionspräsidentin ist nichts zu sehen, im Gegenteil“, sagt IHK-Präsident Claus Paal. „Immer neue und immer mehr Regelungen rund um die Lieferketten rauben den Unternehmen die Kapazitäten für Innovationen und beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit.“

Direkt betroffene Unternehmen geben Pflichten weiter

„Menschenrechte, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und sichere Lieferketten sind Ziele, hinter denen auch die Wirtschaft steht. Unternehmen dafür aber noch mehr Bürokratie zuzumuten ist inakzeptabel“, fordert Paal. Allein wegen der Auswirkungen des im Januar 2023 gestarteten deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes bestehe bei den Betrieben viel Unsicherheit und Beratungsbedarf. „Das gilt nicht nur bei den großen Unternehmen, die direkt betroffen sind, sondern auch bei den kleinen und mittleren, da die verpflichteten Unternehmen den umfangreichen bürokratischen Nachweis-Aufwand oft komplett an ihre Zulieferer weitergeben.“
Obwohl kleine und mittelgroße Unternehmen grundsätzlich nicht dazu verpflichtet sind, solche zusätzlichen Verpflichtungen einzugehen, könnten es sich viele wirtschaftlich nicht leisten, Nachweisaufforderungen ihrer Kunden abzulehnen und somit als Zulieferer ausgelistet zu werden. „Bereits die Auswirkungen des deutschen Lieferkettengesetzes gerade auf kleinere Unternehmen sind nicht zu unterschätzen. Sie haben oft nicht die personellen Kapazitäten, um den Mehraufwand zu schultern. Immer mehr von ihnen überlegen, nicht mehr in Risikoländern tätig zu sein“, so Paal. „Außerdem werden hier auch Informationen abgefragt, die Betriebsgeheimnis sind und nicht ohne rechtliche Folgen herausgeben werden dürfen.“

EU-Lieferkettenrichtlinie: Unternehmen haften bald für ihre Zulieferer

Die vor Weihnachten ausgehandelte EU-Lieferkettenrichtlinie verschärft das Problem aus Sicht des IHK-Präsidenten. „Darin werden die Schwellenwerte noch weiter abgesenkt und noch höhere Anforderungen gestellt – bis hin zu einer Haftung der europäischen Unternehmen bei Klagen von Betroffenen aus dem Ausland.“
Während die EU-Lieferkettenrichtlinie noch auf die finale Zustimmung wartet, hat die EU-Kommission bereits ein weiteres umfangreiches Maßnahmenpaket zur Wirtschaftssicherheitsstrategie vorgelegt. Es soll kritische Abhängigkeit von Drittländern verhindern – insbesondere angesichts zunehmenden Bereitschaft Chinas und Russlands, Handel und Lieferkettenkontrolle zu ihrem geopolitischen Vorteil zu nutzen. Auch hier geht es unter anderem um handelspolitisch motivierte Kontrollen und Berichtspflichten im Außenhandel, die auch kleinere Unternehmen betreffen. „Lieferketten müssen unternehmerische Entscheidungen bleiben“, so Paal. „Die Wettbewerbsfähigkeit muss im Fokus stehen. Es darf keine staatliche Lenkung unter dem Deckmantel des Schutzes geben. Und der bürokratische Aufwand muss sinken.“

Paal: Inzwischen Lichtjahre entfernt von geforderter One-in-one-out-Regel

Paal abschließend: „Von der vielfach geforderten One-in-one-out-Regel sind wir mittlerweile Lichtjahre entfernt. Die EU, als ein Urheber von Bürokratieaufwuchs, hat jetzt das Verhältnis 1:4 erreicht. Die Unternehmen können das nicht mehr leisten.“

Hinweis: IHK-Praxisleitfaden zum Download

Der Praxisleitfaden zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) soll kleinen und mittelgroßen Unternehmen Hilfestellung geben und erklären, welche Pflichten Betriebe in der Lieferkette übernehmen müssen und welche nicht. Außerdem gibt er praktische Hinweise, wie sie sich bei Vertragsverhandlungen zu den Verpflichtungs- beziehungsweise Weitergabeklauseln verhalten sollen. Der kostenlose Praxisleitfaden ist auf der Website der IHK Region Stuttgart unter der Dokumentnummer 6043324 verfügbar. Alternativ kann er per E-Mail als PDF angefordert werden (sc.recht.international@stuttgart.ihk.de).