Pressemitteilung 4. November 2024
Der Exportmotor braucht Starthilfe
BWIHK-Umfrage zeigt Rückgang im Außenhandel – Paal fordert: Exportwirtschaft von drückender Bürokratie befreien
Das nachlassende Auslandsgeschäft entwickelt sich zunehmend zum Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung. Dieser Meinung sind die Hälfte aller baden-württembergischen Industrieunternehmen, die die IHK Region Stuttgart für die aktuelle Konjunkturumfrage des BWIHK befragt hat. Damit die exportierenden Unternehmen wieder durchstarten können, fordert Claus Paal, Vizepräsident des BWIHK und Präsident der IHK Region Stuttgart, eine wirtschaftspolitische Agenda für Deutschland. Der Freihandel müsse wiederbelebt, die Unternehmen von ausufernden Dokumentationspflichten befreit und staatliche Subventions- und Förderprogramme kritisch evaluiert und neu ausgerichtet werden.
„Auf rettende Nachfrageimpulse aus dem Ausland kann sich die baden-württembergische Wirtschaft diesmal nicht verlassen“, erklärt Paal. Denn ein Ende der negativen Entwicklung ist nicht in Sicht: 32 Prozent der von der IHK befragten Industrieunternehmen rechnen damit, dass die Exporte auch in den kommenden zwölf Monaten zurückgehen werden. Auch Zahlen des statistischen Landesamts bestätigen diesen Trend: Demnach ist der Außenhandel von Januar bis August 2024 spürbar zurückgegangen. Die Exporte sanken im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,7 Prozent, die Importe um 6,2 Prozent.
Eurozone schwächelt ebenfalls
Derzeit haben auch andere Märkte mit der schwächelnden Konjunktur zu kämpfen, allen voran die Eurozone und die restliche EU. Für die Eurozone erwarten 34 Prozent der Unternehmen laut IHK-Umfrage einen Rückgang der Exporte in den kommenden zwölf Monaten. Im Frühsommer lag dieser Wert noch bei 29 Prozent. Im übrigen Europa sinken die Exporterwartungen ebenfalls, rund 30 Prozent der Unternehmen erwarten abnehmenden Auslandsabsatz. Auch für Asien und Süd- und Mittelamerika bleiben die Erwartungen verhalten:
Für Asien erwarten knapp 29 Prozent der Betriebe einen Rückgang der Exporte, etwa 26 Prozent gehen von einer Zunahme aus. Für Süd- und Mittelamerika halten sich optimistische und pessimistische Rückmeldungen die Waage (18,7 Prozent erwarten eine Exportzunahme und 18,9 Prozent erwarten eine Exportabnahme).
Positive Impulse aus Nordamerika – aber wie lange noch?
Anders sieht es in einer der wichtigsten Handelsregionen aus: Nordamerika, insbesondere die USA, liefern derzeit noch positive Impulse. Hier erwarten 35 Prozent der Unternehmen einen Anstieg der Exporte, während nur 17 Prozent mit einem Rückgang rechnen. Mit Blick auf die US-Wahlen ist der BWIHK-Vize-Präsident allerdings skeptisch, wie lange dieser positive Trend anhält. Bereits jetzt bewerten 39 Prozent der Industrieunternehmen geopolitische Spannungen als Geschäftsrisiko. Je nach Ausgang der Wahl könnte sich dies verschärfen.
Protektionismus wird scheitern
Eine wichtige Ursache für die generelle Abkühlung sieht der BWIHK-Vizepräsident im weltweit zunehmenden Protektionismus: „Immer mehr Staaten versuchen, die eigene Wirtschaft durch Einfuhrzölle zu schützen. Das behindert Wettbewerb und Innovation und kostet letztlich alle Beteiligten Umsätze und Wohlstand.“ Paal ist sicher: „Dieser Rückfall in längst überwunden geglaubte Verhaltensweisen wird scheitern.“ Bedenklich findet er, dass sich auch die Europäische Union mit ihren Strafzöllen für chinesische Elektrofahrzeuge vom Freihandel abwendet. „Diesen Weg darf Europa nicht gehen. Im Gegenteil: Jetzt ist der Zeitpunkt für neue Freihandelsverhandlungen und eine Entlastung der Unternehmen.“ Wie positiv Freihandel wirken kann, zeige das Beispiel der Schweiz, die Anfang 2024 ihre Industriezölle abgeschafft hat. Die Geschäfte baden-württembergischer Unternehmen mit den Eidgenossen nahmen danach im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (Jan-Aug 23/24) um 11,2 Prozent zu.
Bürokratie stranguliert internationales Geschäft
Ein erheblicher Teil des internationalen Gegenwinds, mit dem die Südwest-Unternehmen zu kämpfen haben, ist laut Paal aber auch hausgemacht: „In den letzten Jahren ist den Unternehmen eine ausufernde Menge an Dokumentationspflichten aufgebürdet worden, die Kapazitäten bindet und die internationalen Geschäfte regelrecht zu strangulieren droht.“ Als Beispiel nennt Paal die nationale Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) und des CO2-Grenzausgleichmechanismus (CBAM). „Beide Gesetze verpflichten die Unternehmen zu engmaschiger Dokumentation und detailliertesten Angaben, die sie bei ihren internationalen Lieferanten beschaffen müssen. Aber niemand im Rest der Welt ist bereit, so etwas mitzumachen.“ Weitere Regelwerke, deren Ausgestaltung und Umsetzung die Unternehmen belaste, seien die Medizingeräteverordnung, die Waldschutzrichtlinie, die Datenschutzgrundverordnung sowie die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Von den Rückgängen betroffen sind nach den Erhebungen des statistischen Landesamts gerade die umsatzstärksten Branchen wie die Automobilindustrie (minus 7 Prozentpunkte), der Maschinenbau (minus 5 Prozentpunkte) und die Pharmaindustrie (minus sieben Prozentpunkte).
China nur noch fünftwichtigster Handelspartner
In der Rangfolge der wichtigsten Handelspartner Baden-Württembergs ist China vom zweiten auf den fünften Platz abgerutscht. Die Ausfuhren der Unternehmen aus dem Südwesten in den riesigen chinesischen Markt gingen gegenüber dem Vorjahreszeitraum (Jan-Aug 23/24) um 15,3 Prozent auf 11,0 Milliarden Euro zurück. Nach IHK-Einschätzung spielen dabei auch die nachlassende Binnenkonjunktur in China, der steigende Anteil der im Land selbst hergestellten Produkte sowie die zunehmenden politischen Spannungen mit der EU eine Rolle. Auch die Exporte in die USA gingen leicht zurück und sanken im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3 Prozent auf 23,7 Milliarden Euro. Hier macht sich insbesondere die schwächelnde Nachfrage nach Kraftwagen- und Kraftwagenteile bemerkbar (Exportrückgang von 11,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum).
Entwicklung des Außenhandels in Baden-Württemberg mit weiteren Partnerländern:
- Vereinigtes Königreich: Die Exporte stiegen zwischen Januar und August 2024 um 9,5 Prozent auf 7,7 Milliarden Euro. Der Anstieg ist auf die Ausfuhr von Metallen zurückzuführen.
- Israel: Die Importe stiegen um 17,6 Prozent auf 474,9 Millionen Euro. Importiert wurden vor allem pharmazeutische Produkte und Datenverarbeitungsgeräte.
- Rumänien: Die Importe stiegen um 18,9 Prozent auf 4,0 Milliarden Euro. Der Anstieg verdankt sich Kraftwagen und Kraftwagenteilen.
Informationen zur Umfrage:
An der Konjunkturumfrage der zwölf Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg haben sich zwischen dem 9. und 27. September 2024 landesweit 3.412 Unternehmen alles Größen und Branchen beteiligt.