Magazin Wirtschaft

Work-live-balance auf vier Rädern

„Umstieg zum Mobility Hub möglich“:
Wer mit der S-Bahn Richtung Stuttgarter Flughafen fährt, hört diese Durchsage an der Station Vaihingen. Aber eigentlich würde sie viel besser zum nächsten Halt in Ober­aichen passen...
Denn dort gibt es etwas, für das das Wort Mobility eigentlich erfunden sein ­müsste: Die GbR „Work`nRoll“ der Brüder Adrian und Gregory Auracher. Die beiden bauen Transporter zu mobilen Büros aus, die ihren stationären Pendants vielleicht an Platz, jedoch nicht an Komfort nachstehen.

Knopfdruck genügt

Ein Knopfdruck genügt, dann fährt das WLAN hoch, das über Starlink läuft und darum überall in Europa funktioniert – selbst dort, wo das Handy keinen Empfang hat. Danach wird der 20-Zoll-Bildschirm aus der Halterung gezogen, Maus und Tastatur in Position gebracht und auf dem ­ergonomischen Bürostuhl Platz genommen. Oder doch lieber am höhenverstellbaren Schreibtisch? Dann hätte man bei geöffneter Heckklappe einen grandiosen Ausblick. Jedenfalls wenn man nicht ­gerade auf dem Hof der Schreinerei ­Auracher steht, wo die „Workation“-Fahrzeuge entwickelt und ausgebaut werden.
Dort in der elterlichen Schreinerei hat der 25-jährige Gregory sein Handwerk gelernt. Sein drei Jahre älterer Bruder Adrian absolvierte zunächst ein duales BWL-­Studium im Handel und arbeitete danach mehrere Jahre im Vertrieb. Während Corona kehrte er in den Betrieb zurück und ist dort seither für alles Digitale zuständig, insbesondere für die CNC-Maschinen. ­
Die Pandemie war es auch, die die beiden auf die Idee brachte, Office-­Camper zu bauen: „Die eine ­Hälfte unserer Freunde packte damals ihre Camper, um im Süden mobil zu arbeiten, die andere Hälfte träumte davon, hatte nur kein passendes Gefährt“, erzählt Adrian Auracher.

Komfortables Wohnmobil mit einem vollwertigen Büro kombiniert

Da die Brüder bereits mehrere Caravans gemeinsam ausgebaut hatten, um damit an sämtlichen Küsten Europas zum Kitesurfen zu fahren, wussten sie, was man braucht, um sich wohlzufühlen. Die Herausforderung bestand darin, auf der doch sehr begrenzten Fläche ein komfortables Wohnmobil mit einem vollwertigen Büro zu kombinieren.
Eine Art Tetris war nötig, um wirklich alles so kompakt und multifunktional wie möglich zu designen. Beim Tüfteln fand sich sogar Platz für zwei Blumentöpfe. Aber auch ein Hängefach im Schrank für die Business-Kluft passte in den Camper.
Aurachers machen alles selber: die passgenauen Schreinerarbeiten sowieso, aber auch Strom, Gas und Wasser. Sogar die Batterien bauen sie aus Kostengründen in Oberaichen.
Vier bis fünf Tage ist man damit autark, wenn die Sonne nicht scheint. Ansonsten reicht die Energie dank der Solarmodule unbegrenzt. Nur mit dem Wasser könnte es knapp werden. Das wäre allerdings sehr schade, denn die Dusche ist so gestaltet, dass selbst 1,98-Meter-Mann ­Gregory sie bequem nutzen kann.
Bisher war noch keiner da, der nicht mindestens einen Doktor hat
Inzwischen gibt es fünf Office-Camper die seit Sommer vermietet werden. Wer sind die Kunden? „Bisher war noch keiner da, der nicht mindestens einen Doktor hat“, staunt Adrian und ist auch von der ­Altersklasse überrascht: „Eigentlich ­haben wir mit jungen Paaren so um die 30 gerechnet, bisher waren aber alle 50+“.

Weiterarbeit in der Schreinerei

Die Kunden finden das Angebot über ­Online-Plattformen. Doch das Vermietungsgeschäft ist aufwendig, zumal die beiden jungen Männer noch zu je 80 Prozent in der Schreinerei arbeiten, um ihre Idee zu finanzieren. Deshalb würden sie die Office-Camper gern an Firmen verkaufen, die sie wiederum als Incentive zur Mitarbeiterbindung nutzen. Ideal sind sie aber auch für Außendienstler.
Für die Eltern Auracher ist es natürlich ein Glück, dass die Söhne in ihre Fußstapfen treten. Aber das Geschäft traditionell weiterführen und immer in Oberaichen bleiben – für Mittzwanziger ist das nicht gerade der ­Lebenstraum. „Wir waren uns einig, dass wir das Geschäft nicht traditionell weiterführen wollen, sondern auch mal wegwollten“, erinnert sich Adrian Auracher. Doch ausgerechnet für die Brüder klappt das nun wohl nicht mehr: „Ich glaube, wir in unserem Job können nicht länger aus einem Wohnmobil heraus arbeiten“, seufzt er.