Labors der Region

Solar-Doktor mit Drohne und KI

Das Problem ist bei gewerblichen Betreibern von Solaranlagen bekannt und gefürchtet: Prächtiges Wetter mit Sonnen­schein, eigentlich müsste die Energieausbeute nur so brummen. Aber die Anlage liefert nur einen Bruchteil ihrer Nennleistung.
Wärmebild einer PV-Anlage
Wärmebild einer PV-Anlage
„Ein einziges defektes Modul kann die Leistung der gesamten Anlage massiv abstürzen lassen“, weiß Kai Ritter, einer der Gründer der PVision GmbH, einem Startup aus Stuttgart, das sie Unter­suchung von Schäden an Photovoltaik-Anlagen deutlich erleichtern will. Hierzu setzen Ritter und seine Mitstreiter Jonas Lackmann und Markus Bäuerlein Drohnen ein – du einen selbst entwickelten Algorithmus.

Auch hier fehlen Fachkräfte

Kunden des Stuttgarter Startups sind Inhaber mittelgroßer PV-Anlagen, etwa auf den Dächern industrieller oder landwirtschaftlicher Betriebsgebäude, aber  auch die Installateure der PV-Anlagen, sogenannte Solarteure. Oft müssen diese innerhalb der Garantiefrist eine bestimmte Mindestleistung gewährleisten. „Tatsächlich bieten immer weniger Dienstleister diesen aufwändigen Service an, weil die notwendigen Fachkräfte fehlen“, sagt Ritter.
Um den Grund für einen Defekt zu ermitteln, muss bisher ein Monteur aufs Dach steigen und jedes einzelne Solarmodul messen. „Das dauert oft den ganzen Tag“, so Ritter. Dagegen überfliegt die Drohne von PVision die Anlage einmal mit einer Wärmebildkamera und nimmt jeden Quadratzentimeter auf. Die Bilder werden danach am Computer ausgewertet.

KI identifiziert Schadensbild

PV-Anlagen werden mit Hilfe einer Drohne untersucht
PV-Anlagen werden mit Hilfe einer Drohne untersucht © PVision
„Schadhafte Stellen, die so genannten Hotspots, erkennt man im Infrarot-Bild sofort durch ihre hellere Farbe“, erklärt der 25-jährige Ingenieur. Grund ist, dass die eingefangene Solarenergie hier nicht wie gewollt in elektrischen Strom umgesetzt wird, sondern als Wärme verlorengeht. Damit kann man die Fehler genau den einzelnen Elementen eines Moduls zuordnen. Die Software der drei Gründer ermöglicht es sogar, die Art des Schadens, etwa Dioden-Fehler, fehlerhafte Lötstelle oder Defekt des Wechselrichters, festzustellen. Um dies zu beherrschen, haben die Tüftler den zugehörigen KI-basierten ­Algorithmus systematisch anhand der Schadensbilder bekannter Fälle trainiert.

Lizenzmodell ist das Ziel

Die Diagnose ist somit rasch und mit ­einem minimalen Aufwand gestellt. Nur für die Reparatur muss noch ein Mitarbeiter aufs Dach. Ein Vorteil, der seit dem Markteintritt des Startups vor gut einem Jahr fünf Kunden überzeugt hat – darunter ein großes mittelständisches Unternehmen aus Stuttgart. Ritter, Lackmann und Bäuerlein, die sich über das studentische Startupnetzwerk START Stuttgart kennengelernt haben, bieten den Service noch als Dienstleistung an. Es ist aber vorgesehen, ein Lizenzmodell einzuführen, bei dem die Kunden die Untersuchungen selbst durchführen. Dann sollte es den Gründern auch möglich sein, sich von der Finanzierung aus Stipendien und Förderprogrammen ganz abzunabeln.

Großes Potenzial

Dass der Markt groß ist, daran haben die drei Mitzwanziger keine Zweifel. „Schäden an Photovoltaik-Anlagen sind sehr häufig“, begründet dies Kai Ritter. Hagel, Gewitter oder noch häufiger der Zahn der Zeit sorgen dafür, dass sehr viele Solaranlagen schadhaft werden und ihre Leistung bei weitem nicht ausschöpfen. „Sogar an nagelneuen Anlagen haben wir schon gravierende Schäden festgestellt“, sagt Ritter. Grund seien dann oft Stöße oder Risse, die beim Transport oder Fehler bei der Montage auftreten.
Optimistisch stimmt auch, dass viele Solarhandwerker den lange vernachlässigten Service offenbar wiederentdecken und vermehrt Wartungsverträge anbieten. Ritter und seine Kollegen überrascht das nicht: „Schließlich trägt das Geschäft mit Neuanlagen nicht ewig. Irgendwann einmal sind alle Dächer voll.“