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Azubis: Die Werte müssen stimmen
2022 war Ina Stirner-Sinn die beste Buchhändlerin, 2023 war es Nina Orschiedt. Beide haben bei Werner Dengel in seiner Buchhandlung „One“ in Rutesheim gelernt. Dahinter steckt ein ausgefeiltes Programm, das schon bei der Bewerbung ansetzt. Im Interview erzählt er, wie das funktioniert.
Herr Dengel, Sie haben zweimal hintereinander die beste Buchhändlerin Deutschlands ausgebildet, wie haben Sie das geschafft?
Dengel: Wir bilden schon seit 20 Jahren Buchhändler aus und haben selber immer dazugelernt. Aber die beiden, das war noch einmal eine ganz neue Stufe.
Was genau haben Sie dazugelernt?
Dengel: Vor allem, wie man die Werte herausarbeitet, die ein junger Mensch hat, und wie man ihn begeistert.
Das müssen Sie erklären:
Dengel: Dass die Werte passen, ist entscheidend, damit ein Team funktioniert. Weil sich Werte -außer bei Lebenskrisen – nicht ändern, müssen sie also von vornherein passen. Ich ermittle sie zusammen mit den Bewerbern anhand einer Matrix, in der entscheidend ist, was man mag, weniger oder gar nicht mag. Bei uns ist es zum Beispiel entscheidend, dass man den Wert „Kreativität“ sehr gern mag.
Und wenn es nicht passt, obwohl die Noten stimmen und Sie keinen anderen Bewerber haben, sagen Sie trotzdem „nein danke?“
Dengel: Ja, denn wenn es nicht passt, hat weder die Firma noch der junge Mensch etwas davon. Alle haben etwas Anderes gefunden, ganz viele übrigens in dem Beruf, den wir anhand der Matrix für sie ermittelt haben. Eine junge Frau zum Beispiel, die Bücher liebt, aber nicht verkaufen mag, ist jetzt Bibliothekarin, eine andere ist glückliche Polizistin. Es hat aber auch schon jemand bei einer anderen Buchhandlung angefangen, denn manchmal passt der Berufswunsch, aber nicht die Firma. Es ist schließlich ein Riesenunterschied, ob ich in einer inhabergeführten Buchhandlung in Rutesheim arbeite oder bei Thalia in Hamburg.
Und die Begeisterung? Gibt es dafür auch eine Matrix?
Dengel: Begeisterung ist der Schlüssel. Die jungen Leute sind ja noch genauso begabt wie früher und hätten wahrscheinlich auch noch genauso viel Spaß daran, Waschmaschinen zu reparieren oder Kranke zu pflegen. Aber die Begeisterung wird leider ziemlich stark von den „Sozialen“ Medien absorbiert – von den Inhalten, die ein unrealistisches Weltbild vorgaukeln und vom Traum, dort mit wenig Arbeit viel Geld zu verdienen.
Wie begeistert man sie trotzdem für einen „richtigen“ Beruf?
Dengel: Über Beziehungsarbeit. Dafür muss man natürlich selber begeistert sein. Praktika und die Zusammenarbeit mit Schulen sind da ganz wichtig.
So einfach ist es, perfekte Azubis auszubilden?
Dengel: Zumindest sind das die Grundvoraussetzungen. Nachdem unsere Ina in Berlin war (bei der Preisverleihung) hat das Nina so motiviert, es ihr gleichzutun: sie ist aufgegangen wie ein Blume. Einfach Wahnsinn, was möglichbist, wenn Menschen sich begeistern! Aber man muss natürlich auch selber begeistert sein.
Das Interview führte Dr. Annja Maga für Magazin Wirtschaft, Sonderheft Ausbildung
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Dr. Annja Maga