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Nicht die Büchse der Pandora öffnen
Die Schuldenbremse ist unverzichtbar, um die Politik zu verantwortlicher Haushaltsführung zu zwingen - darüber waren sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Gespräch mit Günther Oettinger im Stuttgarter IHK-Haus einig. „Als Unternehmer geht man ersteinmal die Ausgaben an“, brachte es IHK-Präsident Claus Paal bei seiner Begrüßung auf den Punkt. Dies müsse auch unter den Bedingungen der Rezession und der anstehenden massiven Investitionen in die Infrastruktur gelten.
V.l: Thomas Hueck, Guenther Oettinger, Uwe Burkert, Dr. Cornelia Ruppert, Gisela Splett
© IHK Region Stuttgart
Verschiedene Auffassungen gab es in der von von Uwe Burkert, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Waiblingen, moderierten Runde jedoch über eine mögliche Reform der Schuldengrenze, wie sie in letzter Zeit immer lauter gefordert wird. Für den Gastredner, den ehemaligen EU-Kommissar und Ministerpräsidenten a.D. Günther Oettinger, war klar: "Wer Reform der Schuldenbremse sagt, meint in Wirklichkeit Aufweichung". Die Versuchung für Regierungen in Bund und Land sowie in den Kommunen sei riesengroß, immer neue Ausgaben durch Schulden zu finanzieren und die Tilgung kommenden Generationen zu überlassen.
Wer Reform der Schuldenbremse sagt, meint in Wirklichkeit Aufweichung
Als typisches Beispiel nannte Oettinger das EU-Konjunkturpaket "Next Generation EU", das die Rückzahlung der hierfür aufgenommenen Kredite auf die Jahre 2028 bis 2054 verschiebe. Angesichts der aktuellen Rezession und der anstehenden großen Aufgaben in der Verteidigung, beim Klimaschutz und bei der Digitalisierung steige derzeit der Druck auf die Schuldenbremse. Doch sind für Oettinger auch Sondervermögen außerhalb des Haushalts keine Lösung. "Das sind in Wahrheit Sonderschulden." Der einzig richtige Weg sei es, wirtschaftlich zu haushalten und überflüssige Ausgaben abzubauen. Potenzial sieht der ehemalige Spitzenpolitiker in der Verwaltung, bei unnötiger Bürokratie und im Sozialbereich, wo es eine Vielzahl an Mitnahmeeffekten gebe.
"Das Land hat viele Aufgaben, die personal- und kostenintensiv sind, etwa die Schulen und die Polizei", entgegnete Gisela Splett, Staatssekretärin im Finanzministerium Baden-Württemberg. Auf der anderen Seite gebe es aber keine Möglichkeit, die Einnahmen zu erhöhen. Die Schuldenbremse biete zwar Sicherheit, bevor man an die Substanz gehe und zum Beispiel Liegenschaften verkaufen müsse, sei es aber besser, über eine Reform nachzudenken.
Die Regeln sind flexibel genug, um auf Krisen zu reagieren
„Die Schuldenbremse hat sich in ihrer jetzigen Form bewährt“, hielt Dr. Cornelia Ruppert, Präsidentin des baden-württembergischen Rechnungshofes dagegen. Die Regel sei flexibel genug, um auf Krisen zu reagieren, wie sich während der Corona-Pandemie gezeigt habe. Letztlich sei es der Schuldenbremse zu verdanken, dass die Staatsverschuldung in Deutschland von gut 80 Prozent auf mittlerweile 63 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesunken sei. „Wenn wir hieran etwas ändern, öffnen wir die Büchse der Pandora.“
Auch Thomas Hueck, Chefvolkswirt der Robert Bosch GmbH, bewertete die Erfahrungen mit der Schuldenbremse als „extrem positiv“. „Deutschland ist mit einer regelgebundenen Politik immer gut gefahren.“ Allerdings müssten die Regeln auch immer wieder aufs Neue überprüft werden. Bei einer möglichen Reform sei es entscheidend, dass die Schuldenbremse die Politik weiter dazu zwinge, öffentliche Ausgaben zu priorisieren.
Nach der angeregten Diskussion nutzten die rund 130 Teilnehmer die Gelegenheit, das Thema im persönlichen Gespräch weiter zu vertiefen.
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Oliver Kreh