Magazin Wirtschaft

Nachfolge: So klappt die Übergabe

Nach mir die Sintflut – das ist ­keine Option für Firmenchefs, die sich zur Ruhe setzen ­möchten. Doch immer mehr von ­ihnen tun sich schwer, Nachfolger zu finden. Das zeigen auch die Zahlen des aktuellen „DIHK-Report Unternehmensnachfolge“. Demnach stehen drei potenziellen Firmenverkäufern nur ein Übernahmeinteressent gegenüber. Die Gründe sind vielfältig und reichen vom demo­grafischen Wandel über die ­unsicheren Zukunftsaussichten bis zum Fachkräftemangel und zur Regulierungsdichte. Wir haben uns in der Region umgeschaut, um herauszufinden, wie es trotzdem klappen kann.

Von Panama nach Stuttgart: Kaffee verbindet

„Oft muss eine Krise entstehen, damit nach Lösungen gesucht werden muss“: Josué Ruiz weiß, wovon er spricht. Gleich eine ganze Kette von Krisen hat dazu geführt, dass der Mann aus ­Mittelamerika ­heute zusammen mit seinen ­Söhnen ­Jonathan und Joshua Ruiz Sportmann Chef des schwäbischen ­Traditionsunternehmens ­Hochland Kaffee ist.
Die erste Krise war die schwere Erkrankung seiner Frau 2003. Bis dahin hatte Ruiz in der elterlichen Kaffeefirma in Panama den Export gemanagt. Frau Ruiz Sportmann ist Deutsche und wollte nun in die alte Heimat zurück. So zog die Familie mit ihren drei kleinen Kindern nach Stuttgart. Doch wie viele Migranten musste Ruiz erfahren, dass sein Können und seine Erfahrung ohne Deutschkenntnisse wenig nützten. Immerhin bot ihm Hochland eine Aushilfsstelle als Verpacker in der Teeabteilung an.

Die Zukunft der Firma: Ab Mitte 50 werden alle nervös

Er lernte Deutsch und arbeite sich Schritt für Schritt nach oben: 2008 wurde er Abteilungsleiter in der Rösterei, dann 2010 Rohkaffee-Einkäufer und 2014 schließlich ­Geschäftsführer zusammen mit Martina Hunzelmann.
Hunzelmann war damals in ihren 50ern, hatte aber keinen familieninternen Nachfolger. Wie es einmal weitergehen würde, das fragten sich alle: die Mitarbeiter, die ­Banken, die Geschäftspartner und nicht zuletzt Josué Ruiz. Zwar ist er fast gleich alt wie sie, aber er hatte eine Idee: „Ich bot an, zusammen mit meinen beiden Söhnen die ­Firma als drei angestellte ­Geschäftsführer weiterzuführen“, erinnert er sich. Doch den Banken reichte das nicht, wie Joshua Ruiz Sportmann erzählt, „und auch für ­meinen ­Bruder und mich war das kein Idealmodell, schließlich hatten wir nach unserem Wirtschaftsstudium gerade erst unsere Karrieren woanders begonnen.“

Unternehmensverkauf ist eine emotionale Sache

Die emotionale SeiteDoch dann folgten gleich zwei ­Krisen: Anfang 2020 ­erkrankte Hunzelmann. Wenige Wochen ­später ließ Corona den Absatz einbrechen. Trotzdem reichte Familie Ruiz Sportmann einen Letter of Intent ein. „Wir haben genau überlegt, wie viel wir stemmen können“, erinnert sich Jonathan Ruiz Sportmann. Ein Problem: auch große strategische Käufer zeigten Interesse an Hochland – allerdings mit ganz anderen finanziellen Möglichkeiten.
Martina Hunzelmann wiederum wollte nichts übers Knie brechen. Einerseits war da der Kampf um die Gesundheit, andererseits war der Verkauf „ein hochemotionales Thema. Schließlich hat die Familie Hochland aufgebaut und groß gemacht“, zeigt Joshua Sportmann viel Verständnis. Für ihn und seine Familie bedeutete die Hängepartie allerdings, „viele, viele Frage­zeichen“. Um für jede Entwicklung gewappnet zu sein, „haben wir viele Szenarien durchgespielt“, erinnert sich Bruder Jonathan. Im Sommer 2021 gab das Trio sein Kaufangebot ab, das Anfang 2022 angenommen wurde.
Doch kaum schien alles in trockenen Tüchern, kam die nächste ­Krise: der Ukrainekrieg. Die Zinsen stiegen, die wirtschaftliche Lage wurde wieder schwieriger. „Zum Glück ist es Frau Hunzelmann wichtig, dass Hochland ein Familien­unternehmen bleibt. Deshalb hat sie entschieden, als stille Teilhaberin Geld in der Firma zu lassen. Sonst wäre die Transaktion gar nicht möglich gewesen“, erzählt Joshua Sportmann dankbar.  

Geheimhaltung im Übergabeprozess ist oberstes Gebot

Insgesamt drei Jahre, nämlich bis September 2023, zog sich der Übergabeprozess hin. Wie hält man das so lange geheim? „Wir haben Ende 2021 die Abteilungsleiter informiert – unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Sie haben dichtgehalten, obwohl das richtig schwer war, weil die Mitarbeiter in dieser Zeit ziemlich verunsichert waren“, erzählt Jonathan Sportmann. Aber allen sei klar gewesen, dass sie die Transaktion nicht durch Indiskretion gefährden dürfen. Das haben auch die übrigen Mitarbeiter verstanden und beherzigt, als sie 2022 informiert wurden.

Die Lektionen aus Panama: Ein Kodex für die Unternehmensführung

In Panama gehört Ruiz` ­Verwandten übrigens nur noch ein Viertel der Kaffeefirma. „Es gab Unstimmigkeiten innerhalb der Familie und die damalige Geschäftsführung war nicht in der Lage, loszulassen, was schlussendlich zum Niedergang und Verkauf des Familienunternehmens führte“, nennt Josué  Ruiz die Gründe. Für Hochland wurde darum ein Kodex festgelegt, der Rechte und Pflichten aller Familienmitglieder regelt. Und loslassen? „Ich wäre dumm, wenn ich meine Familie in dieselbe Lage manövrieren würde“, ist er sicher.

Loslassen kann auch schön sein

Wie schön Loslassen sein kann, dafür ist Karl Schnaithmann ein überzeugendes Beispiel. Ganz entspannt und mit einem Lächeln, aus dem das Strahlen während der ­ganzen Dreiviertelstunde unseres Gesprächs nicht weicht – so sitzt er im Be­sprechungsraum der Schnaithmann Maschinenbau GmbH. Der Grund dafür sitzt neben ihm: ­Thomas Schill, seit 2019 Geschäftsführer der Remshaldener Firma.
Die beiden beim Handschlag
„Es ist so schön zu sehen, dass man loslassen kann und gleichzeitig geht es weiter mit dem Familien­unternehmen“, freut sich Schnaithmann. Und ergänzt: „So viele gute neue Ideen! Und das funktioniert einfach so, ohne dass ich was sagen oder machen muss!“  Früher hätte er sich das nie vorstellen können, sich für unersetzlich gehalten. Doch um die Jahrtausendwende brachte ihn ein schwerer Skiunfall zum Umdenken. „Danach entstand der Traum, die Firma langsam ­weiterzugeben und mit 60 dann auszuscheiden“, erinnert er sich.

AG oder GmbH: Die richtige Rechtsform für die Nachfolge

Da die beiden Töchter beruflich eigene Ziele verfolgten, wandelte er die GmbH, die er 1985 mit seiner Frau Roswitha gegründet hatte, in eine AG um. Nicht um an die ­Börse zu gehen, sondern damit Mitarbeiter Anteile kaufen konnten. Schnaithmann selbst hätte den größeren Teil behalten und später seine Anteile entsprechend der ­Besitzverhältnisse an die ­Aktionäre überschrieben. „Den Vorschlag habe ich 2008 gemacht, also während der Finanzkrise. Obwohl der Preis fair war, haben leider alle gesagt, dass sie lieber nichts riskieren wollen“, musste er feststellen.

Ehrlich sein, wenn es nicht mehr geht

Daraufhin wurde ein angestellter Geschäftsführer ­gesucht, jemand mit Ideen und Werten passend zur Firmenphilosophie. Nach zweimaligem Versuch mit einvernehmlicher Trennung berief Schnaithmann eine Betriebsversammlung ein und gab ganz offen zu: „Ich schaffe das nicht allein und brauche eure Unterstützung.“
Hier kommt Thomas Schill ins Spiel. 28 war er damals, hatte bei Schnaithmann seine Bachelorarbeit in ­Maschinenbau geschrieben und sich zum Einkaufs­leiter hochgearbeitet. Zusammen mit dem langjährigen Technik-Chef Thilo Hottmann kam er auf Karl Schnaithmann zu und versprach: „Karle, wenn wir dich unterstützen können, unterstützen wir dich!“ Von da an ­dauerte es keine vier Wochen, bis Schill und Hottmann leitende Geschäftsführer wurden.
Und da wären wir wieder bei der entspannten Miene von Karl Schnaithmann: „Das lief von Anfang an ­prima“, sagt er und Schill weiß auch, warum der Übergang ohne Reibungsverluste verlief: „Wenn man aus den eigenen Reihen kommt, kennt man die internen Netzwerke und Abläufe, weiß, wer was kann und wie das Unternehmen tickt.“

Interne Nachfolger wissen, wie die Firma funktioniert

Seit 2023 ist Schill alleiniger Geschäftsführer, Hottmann und Vertriebsleiter Gerd Maier Mitglieder der Geschäftsleitung. Zu dritt bilden sie ein perfektes ­Gespann zur Fortführung des Familienunternehmens.
Aus der AG war schnell wieder eine GmbH geworden. Doch eines hatte Schnaithmann gelernt: „Wie unheimlich wertvoll ein Beirat ist, den man als AG ja braucht. Man kann von den Leuten die Stärken holen, die man selbst nicht hat und brodelt nicht nur im eigenen Saft.“
Den Beirat hat er deshalb beibehalten und nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer den Vorsitz übernommen. Aber auch das wird nicht so bleiben, denn in einigen Jahren will sich der 70-Jährige ganz zurückziehen. Das Geld soll aber auf jeden Fall in der Firma bleiben, und die soll wiederum dauerhaft als ­Familienunternehmen bestehen bleiben.

Viele Unternehmen altern, weil die Chefs älter werden

Als wir im Januar mit Wolfgang Grüb darüber sprachen, dass er im Sommer die Verantwortung für die Lorch Schweißtechnik GmbH in familienfremde Hände legen wird, da war er noch ganz entspannt. Doch nun ist es Mitte Juni. Die die Zeit ist fast herum.  Wie geht es ihm jetzt? „Immer noch gut“, klingt es fröhlich aus dem Telefon, „ich würde alles wieder so machen.“ Dass es ein emotionaler Moment sein wird, wenn er sein Büro nach 40 Jahren räumen wird, das ist ihm klar, aber „man kriegt das hin, wenn man will“, ist er überzeugt.
Dies auch deshalb, weil er danach „nicht im Leeren“ steht, sondern noch allerhand Aufträge abzuarbeiten hat, – „nur trete ich eben einen Schritt zurück“. Und auch privat hat er eine Liste „von ganz vielen Dingen“, auf die er sich freut. Und am Tag selbst? „Da habe ich tatsächlich eine Reise mit meiner Frau gebucht“.
In fast 40 Jahren hat Grüb aus der „25-Mann-Bude in gemieteten Räumen“ ein international erfolgreiches Unternehmen mit 300 Mitarbeitern gemacht.
Zeit genug auch zu verfolgen, wie ein Wettbewerber nach dem anderen vom Markt verschwand: „Wenn die Unternehmer alt wurden, ­wurden sie träge und unflexibel und mit ihnen das Unternehmen“, hat er beobachtet. Lorch hingegen sollte immer jung bleiben, indem das Management rechtzeitig verjüngt wird. Mit 60 wollte er darum seine Nachfolge geregelt haben. Corona und die Lieferketten­problematik haben das ein ­bisschen hinausgezögert, doch jetzt, mit 61, ist es so weit. Seit Jahresbeginn ist Lorch Teil der japanischen Daihen Corporation.

Die Last der Erwartung: Warum Kinder nicht in die Nachfolge gedrängt werden sollen

Ein langer Weg war es bis dahin. Dass alles geklappt hat, verdankt Grüb auch Volker Wintergerst. Der Stuttgarter Unternehmensberater ist auf die Nachfolgeberatung ­spezialisiert und begleitete den Prozess bei Lorch seit 2017. Damals führte er Gesprächen mit allen ­Familienmitgliedern. Dabei kristallisierte sich heraus, dass sich keines der drei Kinder in der Nachfolge des Vaters sah. Der bestand auch nicht darauf – obwohl oder gerade weil er wegen seines eigenen ­Vaters mitten aus dem Studium ins Unternehmerleben „hineingestolpert“ war.

Die Rolle des Wunschpartners in der Unternehmensnachfolge

Wintergerst überrascht das nicht: „Unternehmer überlegen heute sehr genau, ob sie ihren Kindern so eine Last aufbürden sollen“, stellt er immer wieder fest. Bei Firmen wie Lorch komme hinzu, dass sie nur noch schwer auf dem „Stand-alone“-Weg zu stemmen seien: zu erfolgreich sei das Wachstum der letzten Jahre gewesen. Und zu groß sei der Kapitalbedarf für zukunftssichernde Investitionen.

All diese Überlegungen führten dazu, dass ein Investor gesucht wurde. Allerdings ist die Nische klein, in der Lorch unterwegs ist, die Zahl der potenziellen Käufer im einstelligen Bereich. Einer davon: die Daihen Corporation. Für Grüb war sie schnell die Favoritin. Trotzdem ist er im Nachhinein dankbar, auf Wintergersts Rat hin mit weiteren Interessenten verhandelt zu haben. Das verbesserte nämlich seine Position bei wichtigen Verhandlungspunkten nicht unerheblich. Überhaupt ist er froh, Wintergerst eingeschaltet zu haben: „Du brauchst einen Berater, der dich und dein Unternehmen spürt und der dein Vermächtnis mitdenken kann.“

Aus Lorch wird Lotschi

Und der weiß, wie man so eine Transaktion kommuniziert, so dass letztendlich Mitarbeiter und Geschäftspartner sie mittragen. Bei Lorch nahm sich die alte und die neue Unternehmensspitze einen ganzen Tag Zeit, um die Beschäftigten zu informieren, sich ihren Fragen zu stellen. „Als dann der für Lorch zuständige Spartenchef der Japaner ,We are the champions' anstimmte, waren alle berührt, wie nahbar die neuen Chefs sind“, erinnert sich Wintergerst. Und Grüb selber registriert seither eigentlich nur Respekt für seine konsequente Entscheidung: „Einen Ticken zu früh, sagen viele, aber ich finde, das ist besser als zwei Ticken zu spät!“

Für „Lotschi“, wie die Japaner „Lorch“ aussprechen, ist es natürlich trotzdem eine große Umstellung. Schon allein deshalb, weil ein börsennotiertes Unternehmen nun mal anders bilanziert als ein inhabergeführter Mittelständler. Und auch die japanische Kultur ist ganz anders. Eine Kleinigkeit zeigt darum, wie ernst es den neuen Eigentümern damit ist, die Firmen-DNA zu erhalten: Wie alle „Lorchis“ duzen sie sich mit den deutschen Kollegen  – im streng hierarchisch orientierten Japan eigentlich ein No-go. Grüb jedenfalls hat keinen Zweifel, dass die Lorch-Kultur fortbesteht: „Der Name bleibt, der Standort bleibt und die Farben auch“, sagt er. Für die Japaner sei Lorch in seiner jetzigen Form schließlich der Schlüssel zum europäischen Markt.
Mit interkultureller Kompetenz hat auch die Geschichte von Elke Ahrens zu tun. Die promovierte Soziologin war viele Jahre für „Brot für die Welt“ tätig. Sie koordinierte den fairen Handel in Entwicklungsprojekten weltweit. Doch als die Organisation 2012 von der Stuttgarter Staffelstraße nach Berlin umzog, wollte sie nicht mit. Stattdessen gründete sie in Stuttgart und Göppingen ein Unternehmen, das Zuwanderer bei der Integration unterstützt. Für „Ahrens-Connect“ erarbeitete sie Programme und Beratungskonzepte, stellte eine Handvoll Mitarbeiter ein, ließ sich AZAV-zertifizieren und gewann die Arbeitsagentur als Kunden.
Dann kam der Corona-Einbruch. Maßnahmen in Präsenz waren gar nicht mehr möglich, und viele Arbeitsagentur­programme wurden erst einmal auf Eis gelegt. Wie es weitergeht? Niemand wusste das. Zum Glück war da noch „Emma64“, der Pflege- und Betreuungsdienst, den Ahrens 2019 gegründet hatte. Während die Geschäfte in Göppingen nur noch auf Sparflamme liefen, brauchten die ­Emma-Kunden immer mehr Unterstützung. Ahrens stellte Pflegefachkräfte ein und schloss mit der AOK einen Versorgungsvertrag.

NexxtChange &Co.: Ein Nachfolger aus der Unternehmensbörse

Das Geschäft wuchs schnell, aber gleichzeitig kam auch Ahrens Connect wieder in Gang – zu viel für die Doppel-Gründerin, zumal da ja noch die Pendelei war. So beschloss sie 2022, den Bildungsträger zu verkaufen. Sie ließ sich bei der IHK beraten, inserierte in diversen Unternehmensbörsen und fand bald einen Interessenten.
Doch womit sie nicht gerechnet hatte: wie kompliziert es sein kann, ein Einzelunternehmen zu verkaufen: „Jedes Teil musste ich extra verhandeln, die geleasten Computer genauso wie den Mietvertrag und sogar das Mobiliar.“ Alles, was der Übernehmer nicht wollte, lief weiter auf ihren Namen und ihr Portemonnaie, denn so schnell kam sie aus vielen Verträgen gar nicht heraus. „Emma64 habe ich nach dieser Erfahrung so schnell wie möglich in eine GmbH umgewandelt“, erzählt sie, „denn so ist es juristisch eine Einheit und auch personenunabhängig“.
Hat sich Ahrens eigentlich überlegt, nach dem Verkauf wieder ins Angestelltenverhältnis zurückzukehren? „Nein“, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen, „das ginge nicht mehr“. Die Möglichkeit, entscheiden zu können, einen Betrieb am Laufen zu halten, das möchte sie nicht mehr missen.

Work-Live-Balance: Warum es immer schwer wird, Nachfolger zu finden

Ahrens gehört zur Generation der ­Boomer. Jüngere scheinen da anders zu denken: „Qualifizierte Fachkräfte ziehen zunehmend gut dotierte Positionen in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen der Selbständigkeit vor“, schreibt jedenfalls die UMP GmbH auf ihrer Homepage.
Die Stuttgarter Unternehmensberatung muss es wissen, denn sie ist auf Firmenverkäufe spezialisiert und hat seit 2010 um die 120 Mittelständler bei der Nachfolge begleitet.
Andererseits ist gerade UMP ein Beispiel dafür, wie die Erfahrung als ­Angestellte auch jüngeren Leuten Lust auf Selbständigkeit machen kann. Luisa Lämmle jedenfalls, Tochter von UMP-Gründer-Ehepaar Beate Lämmle und Reimund Koziollek, hatte zunächst wenig Interesse, in das Unternehmen der Eltern einzusteigen. Schließlich hatte sie schon als Kind ob der Allgegenwart geschäft-
­licher Gesprächsthemen geschimpft: „Ich ­glaube, wir wohnen im Büro.“ Nach ihrem Wirtschaftsstudium folgten darum Stationen in Unternehmen von VW bis Engel und Völkers.
Doch ein Praktikum im elterlichen Betrieb brachte die Wende: „Das hat mir so viel Spaß gemacht, weil es so spannend und abwechslungsreich ist. Ganz anders als in einem Großunternehmen, wo man nur einen ganz kleinen Ausschnitt des Geschäfts verantwortet.“  Aber auch, dass sie „als Problemlöserin mit ihrer Arbeit etwas Gutes tut“, überzeugte die 27-Jährige.  
Für die Eltern war das der „Jackpot“, wie Mutter Beate Lämmle sagt. Wenn sie an das entscheidende Abendessen zurückdenkt, strahlt sie jetzt noch und freut sich, alles richtig gemacht zu haben: „Wir hatten es immer im Hinterkopf, haben aber nie etwas gesagt.“

Die Tochter übernimmt – Jackpot für die Eltern

Die Unternehmer, mit denen UMP es zu tun hat, haben meist keine familieninternen Nachfolger, die in Frage kommen. Und auch die Käufer sind im Gegensatz zu früher immer seltener ­Einzelpersonen, sondern zunehmend Family Offices, strategische Käufer oder Investoren. ­Geblieben ist, dass Diskretion oberstes Gebot ist. „Deswegen kommen wir häufig abends oder am Wochenende, wenn alle zu Hause sind“, erklärt Luisa Lämmle. Und natürlich würden alle Erst-Informationen professionell anonymisiert.
Ob ein Unternehmer das auch allein hin­bekäme? Schwierig… Aber selbst wenn: woher weiß er, dass der Kaufinteressent solvent ist und dass es menschlich passt? Für UMP ist die Vorprüfung darum ein entscheidender Teil des Beratungsangebots. Entsprechend dauert eine Übergabe von der Annahme des Mandats bis zum Notartermin im Durchschnitt zwölf bis 15 Monate.
Aber wie findet UMP überhaupt potenzielle Käufer? „Wir haben eine Kundendatenbank, die wächst jeden Tag, wird aber auch jeden Tag kleiner“, erklärt Beate ­Lämmle. Findet sich dort niemand, wird online ­recherchiert, werden Netzwerkpartner eingebunden, anonymisierte Anzeigen geschaltet und dann wird sehr viel telefoniert. Das alles ist aufwendig und zeitintensiv.

Warum eine Unternehmensübergabe mehr als eine Ein-Mann-Aufgabe ist

Allein für eine Due-Diligence-Prüfung sind schon mal um die 650 Dokumente zu beschaffen. Deswegen rät UMP dringend, erst mit dem Transaktionsprozess zu beginnen, wenn die Verkaufsentscheidung definitiv da ist. Das Unternehmerpaar hat da schon einiges erlebt, inklusive Käufer, die unmittelbar vor der Unterschrift den Stift hinlegten, um noch einmal nachzudenken. Dann heißt es, Nerven bewahren und moderieren. „Meist vertreten wir nur die Verkäuferseite. Aber wenn die Verhandlungen weit fortgeschritten sind, müssen wir oft zwischen den beiden ­Seiten moderieren“, erzählt Koziollek.
Lämmle und Koziollek wollen noch fünf bis zehn Jahre weiterarbeiten. Zeit genug, um all ihr Wissen und ihre Netzwerk-­Verbindungen an die Tochter weiter­zugeben und selbst die perfekte Über­gabe auf die Beine zu stellen.  
Glücklicherweise gibt immer es immer noch Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und ein bestehendes Unternehmen in die Zukunft zu führen. Für einen erfolgreichen Übergang sind jedoch eine langfristige Planung, eine klare Vision für die Zukunft des Unternehmens und die Fähigkeit, loszulassen, unerlässlich. Diese Elemente sind der Schlüssel zur Sicherung der Nachhaltigkeit und zum Fortbestand eines Unternehmens in einer sich ständig verändernden Geschäftswelt.