Magazin Wirtschaft

Authentizität ist Trumpf

„Wenn ein junger Mann ein Mädchen kennengelernt hat und ihr sagt, was für ein großartiger Kerl er ist, so ist das ­Reklame. Wenn er ihr sagt, wie reizend sie aussieht, so ist das Werbung. Aber wenn das Mädchen sich für ihn entscheidet, weil sie von anderen gehört hat, was für ein feiner Kerl er wäre, dann ist das Public Relations.“

LinkedIn für Recruiting als auch um den Verkauf und Brand-Awareness

Was Bankier Alwin Münchmeyer für das Liebesleben postulierte, das funktioniert auch im zweiten großen Lebensbereich, der Arbeit. Davon sind zumindest Kevin Scheuing und Björn Steiner überzeugt. Ihre Firma Reputable People will deshalb Arbeitnehmer zu Corporate Influencern schulen, die auf ihrem LinkedIn-Auftritt positive Einblicke in ihren Arbeitsalltag geben. Profitieren soll davon das Dreieck aus HR, Vertrieb und Marketing, denn es geht sowohl ums Recruiting als auch um den Verkauf und die „Brand-Awareness“.

Gekaufte Influencer sind nicht authentisch

„Viele kaufen teure Influencer, um das zu erreichen. Das funktioniert aber nicht, weil es nicht authentisch ist und man sowieso schon von inhaltsleerem Content überflutet wird“, sagt Steiner. Die Gründer haben darum ein Programm entwickelt, mit dem Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, bei LinkedIn „das Unternehmen glänzen zu lassen“, wie Scheuing es formuliert. Das sei nicht nur wirksamer, sondern auch noch wesentlich günstiger.
Einer der ersten Kunden war die Mercedes Benz AG Nord. Dort durchliefen 23 Verkaufsmitarbeiter das zwölfwöchige Programm. „Vorher hatten sie zusammen ungefähr 1000 Follower, jetzt sind es 25.000, und jeder Post hat zwischen 1000 und 5000 Impressions“, freut sich Scheuing. Dabei hält sich der Aufwand für die Mitarbeiter in Grenzen: „Wenn man einmal pro Woche postet und dafür circa 20 Minuten investiert, reicht das“, weiß Steiner aus Erfahrung.
Man muss die guten Unternehmen auch scheinen lassen
Auch der Kurs selber ist nicht so aufwändig, wie es klingt: Das meiste erfolgt online. Für den Inhalt sorgen unter anderem ein Rechtsanwalt, ein Kommunikationschef und ein Chefredakteur.
Allerdings sind nicht nur die Inhalte wichtig für den Erfolg der Schulung, sondern auch die Ermutigung: „Viele Kursteilnehmer haben erst einmal Sorge, ihre Posts seien nicht perfekt oder sie hätten nur Banales zu sagen. Da müssen wir sehr viel moderieren“, erzählt Scheuing. Denn gerade die ungekünstelte Echtheit der Posts macht ja ihren Reiz aus: Authentizität ist Trumpf!

Reputable People bedeutet verlässliche Menschen

 Dafür steht auch der Firmenname, denn das englische „Reputable“ bedeutet laut Übersetzungs-App so viel wie angesehen, seriös, achtbar, anständig, respektiert. Gepostet wird vom privaten Account. Doch muss das Unternehmen bei so viel Eigenmarketing nicht fürchten, dass seine besten Leute abgeworben werden? „Im Gegenteil, dadurch setzen sich die Mitarbeiter viel mehr mit ihrer Arbeit und ihren Kollegen auseinander. Das bindet“, ist Scheuing überzeugt.
Die Gründer sind ein ungleiches Duo: Der 33-jährige Scheuing ist gelernter Automobilkaufmann mit zehnjähriger Erfahrung als Verkaufsleiter und davor als Hochgebirgsspäher beim Bund einschließlich Afghanistan-Einsatz. Der 50-jährige Steiner ist Kommunikationswissenschaftler und blickt auf einen „wilden Lebenslauf“ zurück, wie er sagt – unter anderem als Clubbetreiber und Manager von Sportstars.

Nach Hannover und zurück gebeamt

Kennengelernt haben sie sich bei Brainhouse, einem Startup, das neue Arbeitswelten kreiert. Brainhouse hat seinen Hauptsitz in Hannover, wo beide für zwei Jahre „hingebeamt“ wurden. Eigentlich stammen sie aus der Region Stuttgart und wissen deshalb, dass es hier schon viele tolle Arbeitswelten gibt. „Aber man muss die guten Unternehmen auch scheinen lassen“, sagt Scheuing. Genau das wollen sie mit ihrer Neugründung erreichen.
Reputable People soll richtig groß ­werden, so groß, dass die aktuellen ­Büroräume in Winterbach bald nicht mehr reichen werden. Noch dieses Jahr soll eine GmbH daraus werden und sechs Mitarbeiter hinzukommen. Denn die Macher sind überzeugt, „in drei bis vier Jahren braucht uns jedes Unternehmen“.

Dr. Annja Maga, Redaktion Magazin Wirtschaft für Magazin Wirtschaft 7-8.2024