Neuerungen im Wettbewerbsrecht

Wettbewerbsrecht –Was hat sich geändert?

Als sogenannter „New Deal for Consumers“ hat es durch die Europäische Union Neuerungen im Wettbewerbsrecht, insbesondere im elektronischen Geschäftverkehr, gegegeben. Hierzu wurden vier bestehende EU-Richtlinien, die u. a. den Verbraucherschutz und unlautere Geschäftspraktiken regeln, geändert.
Die meisten Anpassungen beziehen sich auf den Onlinesektor und den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen im Internet. Ziel ist eine höhere Transparenz für Verbraucher bei Online-Käufen, z. B. durch mehr Informationspflichten auf Online-Plattformen sowie bei Produktrankings, Kundenrezensionen und Preisangaben.

Was hat sich geändert?

  • Die Angabe einer Telefonnummer und E-Mail-Adresse ist auch in der Widerrufsbelehrung verpflichtend. Die Angabe einer Faxnummer entfällt, sowohl in der Widerrufsbelehrung als auch im Muster-Widerrufsformular.
  • Bei den Kontaktinformationen sind auch andere Möglichkeiten der Online-Kommunikation (sofern diese angeboten werden), wie Webformulare, Messenger-Dienste, z.B. WhatsApp- und Facebook-Nachrichten, anzugeben.
  • Die Verbrauchervorschriften bei Fernabsatzverträgen erstrecken sich auch auf Verträge über digitale Inhalte, bei denen der Verbraucher als Gegenleistung personenbezogene Daten bereitstellt, oder sich verpflichtet bereitzustellen.
  • Bringt der Unternehmer bei digitalen Gütern, bei denen der Kunde zur Zahlung eines Preises verpflichtet wird, das Widerrufsrecht vorzeitig zum erlöschen (wie bisher schon möglich), ist dem Verbraucher das Erlöschen des Widerrufsrechts auf einem dauerhaften Datenträger zu bestätigen.
  • Bei Bewertungen und Empfehlungen (Kundenrezension, Likes in sozialen Medien) zu Produkten ist anzugeben, ob Mechanismen angewendet werden, die sicherstellen, dass die Bewertungen von Personen stammen, die diese Produkte auch tatsächlich erworben oder verwendet haben. Unternehmer werden also verpflichtet zu erklären, “ob” sie überhaupt entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung unternehmen, und wenn ja, welche. Anzugeben ist auch, ob alle Bewertungen/Empfehlungen – gute und schlechte – veröffentlicht werden, oder ob sie gesponsert oder beeinflusst wurden. Diese Informationspflicht trifft alle Unternehmen, die selbst Kundenbewertungen zugänglich machen. Wird lediglich auf Verbraucherbewertungen verlinkt, die von Dritten veröffentlicht worden sind, besteht diese Pflicht nicht.
    Achtung: Wird behauptet, dass Bewertungen von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich gar nicht verwendet haben, oder wurden keine angemessenen Schritte unternommen, um zu prüfen, ob die Bewertungen wirklich von Verbrauchern stammen, so ist dies unlauter und kann abgemahnt werden.
  • Unzulässig ist die Veröffentlichung falscher Bewertungen oder Empfehlungen von Verbrauchern bzw. die Erteilung des Auftrags an andere juristische oder natürliche Personen, eine falsche Bewertung oder Empfehlung zu veröffentlichen, sowie die falsche Darstellung von Verbraucherbewertungen oder Empfehlungen in sozialen Medien, die der Werbung für Produkte dient.
  • Wenn Zahlungen geleistet wurden, damit ein Produkt besser platziert wird, hat der Anbieter der Suchfunktion darauf hinzuweisen. Werbeanzeigen in den Suchergebnissen (in der Regel solche, die vor den „echten“ Suchergebnissen auftauchen) sind als solche zu kennzeichnen.
  • Onlineticket-Verkäufe, die zuvor unter Verwendung von programmierten „Ticket-Bots“ zur Umgehung von Maximalabnahmebeschränkungen erlangt wurden, sind untersagt.
  • Es ist eine unlautere Geschäftspraktik, Produkte, die in unterschiedlicher Zusammensetzung oder Qualität in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten unter derselben Bezeichnung zu vertreiben (sog. Dual Quality-Verbot), es sei denn, die Unterschiede können mit legitimen Gründen gerechtfertigt werden.
  • Werden Produktpreise durch automatisierte Entscheidungsfindung personalisiert (sog. “Dynamic Pricing”), sind die Parameter mitzuteilen, wie dieser individualisierte Preis zustande gekommen ist. Beispiele: der Preis erhöht sich bei mehrmaligem Besuch der Webseite oder Aufrufen desselben Produkts, der Nutzer surft mit einem hochpreisigen Endgerät und bekommt deshalb beim Onlineshopping einen höheren Preis für Produkte angezeigt, personalisierter Preis wird aufgrund des individuellen Surf- oder früheren Shoppingsverhaltens (Erstellen eines Kundenprofils) ermittelt. Nicht von dieser Regelung erfasst werden Techniken die dynamische Preissetzung oder die Preissetzung in Echtzeit, bei denen sich der Preis in flexibler und schneller Weise in Abhängigkeit von objektiven Marktanforderungen ändert.
Neuerungen gibt es seit dem 28. Mai 2022 auch bei Preisangaben und der Preisangabenverordnung. So entfällt die Option als Mengeneinheit für den Grundpreis 100 Gramm oder 100 Milimeter anzugeben. Bezugsgröße sind künftig 1 Kilogramm bzw. 1 Liter. Bei Rabattaktionen ist der niedrigste Preis anzugeben, der innerhalb der letzten 30 Tage vor Preisherabsetzung bestand. Weitere Hinweise hierzu finden Sie in unserem Artikel zu Preisangaben.

Besonderes für Online-Plattformen

Auch für die Betreiber von Onlinemarktplätzen/-Plattformen und Vergleichsportalen haben sich neue Pflichten ergeben. So haben sie insbesondere darüber zu informieren, ob die Anbieter auf der Plattform als Unternehmer oder Verbraucher auftreten, verbunden mit Hinweisen auf die jeweiligen Rechtsfolgen, wie dem Widerrufsrecht. Bei Produktrankings ist offenzulegen, nach welchen Kriterien das Ranking stattfindet und wie diese zueinander gewichtet sind. Der Algorithmus ist nicht offenzulegen, aber die Hauptparameter, die das Ranking beeinflussen, sind zu beschreiben. Die Rankingkriterien sind online so zur Verfügung zu stellen, dass sie von der Angebotsseite unmittelbar und leicht zugänglich sind (z.B. direkt neben oder über den Suchergebnissen). Dies gilt für alle Plattformen, Suchmaschinen und Vergleichswebseiten sowie für entsprechende Apps.

Was ist insbesondere zu tun?

  • Widerrufsbelehrung/Muster-Widerrufsformular anpassen (Wegfall Faxnummer, Aufnahme Telefonnummer)
  • Erlöschen des Widerrufsrecht bei digitalen Inhalten aufnehmen
  • Bei Preisherabsetzung den günstigsten Preis der letzten 30 Tage vor Preissenkung angeben
  • Information über personalisierte Preise aufnehmen
  • Gegebenenfalls Maßnahmen vorsehen, um sicherzustellen, ob Verbraucher ein bewertetes Produkt tatsächlich gekauft oder genutzt haben
  • Über Rankingkriterien informieren
  • Plattformbetreiber müssen auf Unternehmer-/Verbrauchereigenschaft des Anbieters auf einem Online-Marktplatz/Vergleichsportal hinweisen

Drohende Sanktionen bei Verstoßen

Die vorgenannten Regelungen gelten seit dem 28. Mai 2022. Unternehmer und Plattformanbieter sollten die oben genannten Neuerungen umsetzen. Bei Verstößen, unlauteren Wettbewerbshandlungen und Verbraucherbenachteiligungen sind Bußgelder bis zu 50.000 Euro vorgesehen.
Gegen Unternehmern, die im Geschäftsjahr vor der Behördenentscheidung mehr als 1,25 Millionen Euro Jahresumsatz erzielt haben, kann das Bußgeld bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes betragen. Die Höhe des Jahresumsatzes kann geschätzt werden; ohne Anhaltspunkte beträgt das Höchstbußgeld 2 Millionen Euro.
Des Weiteren wurde ein Schadensersatzanspruch für Verbraucher eingeführt, wenn diese durch eine unzulässige geschäftliche Handlung des Unternehmes zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden, die sie andernfalls nicht
getroffen hätten.
Wie sonst auch bei Wettbewerbsvertößen bestehen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche im Wege der Abmahnung durch Verbraucherschutzverbände oder Wettbewerber.
Weitere Neuerungen zu Waren mit digitalen Inhalten sind seit Januar 2022 in Kraft getreten.