Infoletter Recht

Ausgabe 2/2024

Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Genossenschaft vorgelegt

Das Bundesjustizministerium hat im Anschluss an die Konsultation der Eckpunkte eines Referentenentwurfs für ein Gesetz zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform im letzten Jahr nun einen Referentenentwurf zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform vorgelegt. Der Referentenentwurf will die Digitalisierung durch den Ersatz der Schriftform durch die Textform sowie Klarstellungen zu digitalen Sitzungen und Beschlussfassungen fördern und die Attraktivität der Genossenschaften durch schnellere Eintragungen und zusätzliche Regelungen, z. B. für investierende Mitglieder, erhöhen. Schnellere Eintragungen verspricht sich das Bundesjustizministerium auch durch die Vorprüfung der Eintragungsfähigkeit durch die Notare. Zudem sollen die Schwellenwerte für die Jahresabschlussprüfung angehoben werden. Ergänzend sollen Maßnahmen gegen unseriöse Genossenschaften ergriffen werden, z. B. durch Konkretisierung des Förderzwecks und/oder durch die Ausweitung der Rechte und Pflichten der genossenschaftlichen Prüfungsverbände. Der Entwurf berücksichtigt die unterschiedlichen Bedürfnisse der Genossenschaften zum Thema „Textform“ insofern, als er vorsieht, dass diese in ihren Satzungen die Textform ausschließen bzw. die Schriftform anordnen können.

Digitaler Zivilprozess: Das Amtsgericht als Reallabor

Das Kabinett hat am 04.09.2024 den Entwurf eines Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit beschlossen.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass für einen Testzeitraum von 10 Jahren vor ausgewählten Amtsgerichten zivilrechtliche Verfahren von der Klageeinreichung über die (Video-)Verhandlung und Beweisaufnahme bis hin zur Urteilsverkündung vollständig digital durchgeführt werden können sollen. Begleitet wird dieses Projekt vom BMJ und derzeit neun Bundesländern sowie dreizehn Pilotgerichten, die als Reallabore für die Testphase fungieren.
Das Online-Verfahren soll durch Klageeinreichung über ein digitales Eingabesystem eröffnet werden. Das System soll den Rechtssuchenden durch eine Kombination aus Voreinstellungen und Abfragedialogen die Antragstellung erleichtern und Zeit sparen. Es soll zugleich eine Verknüpfung mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) geben, so dass auch der herkömmliche elektronische Rechtsverkehr genutzt werden kann. Anträge und Erklärungen sollen dann auf einer Kommunikationsplattform eingereicht, gegebenenfalls – z. B. in Vergleichssituationen – bearbeitet und schließlich zugestellt werden können.
Um einen besonderen Anreiz für die Nutzung des Online-Verfahrens zu schaffen, soll für dieses der Gebührensatz künftig von 0,3 auf 0,2 reduziert werden.

Ein Jahr einheitliches Patentsystem: mehr als 27.000 Registrierungen

Die EU-Kommission meldet ein Jahr nach dem Inkrafttreten des einheitlichen Patentsystems 27.000 Registrierungen einheitlicher Patente bei dem Europäischen Patentamt (EPA). Damit gelte fast jedes vierte erteilte europäische Patent (23 %) in allen am einheitlichen Patentsystem teilnehmenden Mitgliedstaaten, Tendenz steigend.
Zum Hintergrund: Grundsätzlich gibt es bereits seit den 1970er-Jahren einen europäischen Patentschutz auf der Grundlage des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ). Diesem gehören 39 Vertragsstaaten an, darunter alle 27 EU-Mitgliedstaaten. Die nach dem EPÜ erteilten sog. „Europäischen Patente“ entfalten nach einem einheitlichen Anmelde- und Erteilungsverfahren bei dem EPA in jedem Vertragsstaat, für den sie erteilt worden sind, dieselbe Wirkung und unterliegen denselben Vorschriften wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent. Rechtsstreitigkeiten bezüglich Europäischer Patente werden bislang nach nationalem Recht, also beispielsweise vor deutschen Gerichten geführt.
Das „neue“ „Einheitspatent“ tritt nun neben die nationalen und europäischen Patente und entfaltet – dem Namen entsprechend – in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten einheitliche Wirkung.
Ein weiteres zentrales Element des neuen einheitlichen Patentsystems ist die Einrichtung des Einheitlichen Patentgerichts. In dessen Zuständigkeit fallen sowohl Einheitspatente als nunmehr auch bestehende europäische Patente sowie unter bestimmten Umständen auch nicht einheitliche europäische Patente.
Bislang sind 17 EU-Mitgliedstaaten Teil des Einheitspatentgerichts: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowenien und Schweden. Weitere sieben EU-Mitgliedstaaten haben das dem Gericht zugrunde liegende Übereinkommen bereits unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Sie können dem Übereinkommen durch die Ratifizierung jederzeit beitreten.
Vertiefte Informationen zu den verschiedenen Möglichkeiten des nationalen und europäischen Patentschutzes finden Sie auch der Seite des DPMA.

Ergänzung des Bürokratieentlastungsgesetzes IV

Das Bundesjustizministerium hat mit einer Formulierungshilfe weitere Änderungen bestehender Rechtsvorschriften mit dem Ziel der Bürokratieentlastung vorgelegt. In der Formulierungshilfe werden u. a. in Artikel 19 und Artikel 20 Änderungen im Aktiengesetz vorgeschlagen. In § 124 Abs. 2 AktG-E sollen im Rahmen der Vorbereitung der Hauptversammlung die Unternehmen entlastet werden. Wenn die Hauptversammlung über das Vergütungssystem für die Vorstandsmitglieder, die Vergütung des Aufsichtsrats nach § 113 Abs. 3 AktG oder den Vergütungsbericht beschließen soll, sind die Unterlagen zu den jeweiligen Beschlussgegenständen über die Internetseite des Unternehmens zugänglich zu machen. Die Bekanntmachung nach § 124 Abs. 2 Satz 3 AktG soll entfallen. Das Bürokratieentlastungsgesetz IV wird in den Ausschüssen des Bundestages weiter beraten.

VwGO-Novelle soll Verfahren beschleunigen und Rechtsmittel erleichtern

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) möchte die VwGO modernisieren und verwaltungsgerichtliche Verfahren effizienter gestalten. Dazu hat das Ministerium am 13. Juni ein Eckpunktepapier veröffentlicht.
Effizientere Verfahren durch flexibleren Richtereinsatz
Zur Verfahrensbeschleunigung setzt die Novelle vor allem an der Richterbesetzung an: Nach den Plänen des BMJ sollen Proberichter in verwaltungsgerichtlichen Verfahren künftig schon von Beginn ihrer Tätigkeit an als Einzelrichter entscheiden können. Damit entfiele die bisherige Sperrfirst von einem Jahr (bzw. 6 Monaten bei Asylverfahren).
In Asylhauptsacheverfahren soll die Entscheidung durch einen Einzelrichter zum Regelfall gemacht werden, um den - in der Praxis üblichen - Übertragungsakt auf den Einzelrichter einzusparen. Auch an den OVGs und Verwaltungsgerichtshöfen soll der fakultative Einsatz von Einzelrichtern erleichtert werden, um die Senate zu entlasten.
Weitere Stellschrauben für effizientere Verfahren
Bei offensichtlich rechtsmissbräuchlichen und querulatorischen Klagen oder Anträgen soll es in das Ermessen des Vorsitzenden gestellt werden, die Klage oder den Antrag erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zuzustellen (Das BMJ spricht programmatisch von „Querulanzbewältigung“).
Die Pflicht von Behörden, Akten bei Gericht vorzulegen, soll künftig auch dadurch erfüllt werden können, dass die E-Akten dem Gericht in einer Cloud zum Abruf bereitgestellt werden.
Für mehr Planungssicherheit bei Bauprojekten soll eine Regelung sorgen, die Verfahren gegen Planfeststellungsbeschlüsse künftig direkt bei den Oberverwaltungsgerichten bzw. Verwaltungsgerichtshöfen der Länder konzentriert, soweit nicht schon in erster Instanz das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist. Damit wird in einigen Bereichen die erste Instanz der Verwaltungsgerichte übersprungen.
Erleichterte Rechtsmittel und schärfere Vollstreckungsregeln
Berufung und Revision sollen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erleichtert werden, indem der Zulassungsgrund der Divergenz (Urteil weicht von der Rechtsprechung des BVerwG ab) an die ZPO angepasst und damit weiter gefasst wird als bisher.
Berufungs- oder Revisionsanträge sollen zudem auch dann zugelassen werden können, wenn der Antragsteller den Zulassungsgrund nicht dargelegt hat, dieser jedoch offensichtlich vorliegt.
Widersprüche sollen künftig auch in bloßer Textform (z.B. durch einfache E-Mail) eingereicht werden dürfen.
Das BMJ plant zudem einen höheren Rahmen für Zwangsgelder bei der Vollstreckung gegen Bund, Länder und Kommunen sowie deren Behörden: Der Höchstbetrag soll von 10.000 Euro auf 25.000 Euro steigen. Das Zwangsgeld soll außerdem nicht mehr dem Hoheitsträger zufließen, gegen den sich die Vollstreckung richtet, sondern einem nicht am Verfahren beteiligten deutschen öffentlichen Rechtsträger oder einer gemeinnützigen Einrichtung. Ausdrücklich ausgeschlossen werden soll hingegen die Zwangshaft gegen handelnde Amtsträger.
Die Reform wäre die nunmehr zweite Novelle der VwGO in dieser Legislaturperiode: Erst im März letzten Jahres ist das Gesetz zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich in Kraft getreten, das mit Modifizierungen der VwGO einherging.

Greenwashing - Empowering Consumers-Richtlinie im EU-Amtsblatt veröffentlicht

Die Empowering Consumers Richtlinie (EmpCo-RL), mit der die Richtlinie über unfaire Geschäftspraktiken in Bezug auf Greenwashing geändert wurde, ist am 06.03.2024 im EU-Amtsblatt veröffentlicht und am 20. Tag nach der Veröffentlichung, also am 27.03.2024, wirksam geworden. Die Mitgliedstaaten haben nun bis zum 27.03.2026 Zeit für die Umsetzung in nationales Recht.
Mit vollständigem Titel lautet die EmpCo-RL „Richtlinie (EU) 2024/825 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Februar 2024 zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen“.
Wesentliche Inhalte:
  • Vor allem zielen die neuen Vorschriften darauf ab, die Produktkennzeichnung klarer und vertrauenswürdiger zu machen, indem die Verwendung allgemeiner Umweltaussagen wie "umweltfreundlich", "natürlich", "biologisch abbaubar", "klimaneutral" oder "ökologisch" ohne Nachweis verboten wird.
  • Ergänzung der wesentlichen Merkmale eines Produkts u. a. um ökologische und soziale Auswirkungen
  • Neue per-se Verbote („Schwarze Liste“): allgemeine Umweltaussagen, Umweltaussage zum gesamten Produkt, obwohl nur für bestimmten Aspekt des Produkts richtig, Nachhaltigkeitssiegel ohne Zertifizierung, Kompensation von Treibhausgasemissionen (bezogen auf CO2-Bilanz des Produkts oder des Unternehmens)
  • Strengere Vorgaben für Werbung mit künftigen Umweltauswirkungen „Wir sind klimaneutral bis 2025“ – muss messbar sein, detaillierter Umsetzungsplan notwendig, regelmäßig von unabhängigem Sachverständigen überprüft, insgesamt klare, objektive, öffentlich zugängliche und überprüfbare Verpflichtung.
  • Auch die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln wird nun reguliert, da die EU annimmt, dass die Verbraucher durch die Vielzahl von Siegeln und das Fehlen von Vergleichsdaten verwirrt werden. In Zukunft sind in der EU nur noch Nachhaltigkeitssiegel erlaubt, die auf offiziellen Zertifizierungssystemen basieren oder von Behörden festgelegt wurden.
  • Darüber hinaus verbietet die Richtlinie Behauptungen, dass ein Produkt aufgrund von Emissionsausgleichssystemen neutrale, reduzierte oder positive Auswirkungen auf die Umwelt hat.
  • Ein weiteres wichtiges Ziel des neuen Gesetzes ist es, dass sich Hersteller und Verbraucher stärker auf die Langlebigkeit von Waren konzentrieren. In Zukunft müssen die Garantieinformationen sichtbarer werden, und es wird ein neues, harmonisiertes Etikett geschaffen, um Waren mit verlängerter Garantiezeit stärker in den Vordergrund zu stellen.
  • Die neuen Vorschriften verbieten auch unbegründete Behauptungen über die Haltbarkeit (z. B. die Aussage, dass eine Waschmaschine 5.000 Waschzyklen hält, wenn dies unter normalen Bedingungen nicht der Fall ist), Aufforderungen, Verbrauchsmaterialien früher als unbedingt erforderlich auszutauschen (z. B. häufig der Fall bei Druckertinte) und die Darstellung von Waren als reparierbar, wenn dies nicht der Fall ist.
Nicht nur Greenwashing, auch „Social Washing“ ist unzulässig (Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, Gleichbehandlung, sozialpolitisches/ethisches Engagement, z. B. Tierschutz).

Green Claims-Richtlinie – Beschluss des Rats

Am 17.06.2024 hat der Umweltministerrat der von der belgischen Ratspräsidentschaft vorgeschlagenen Allgemeinen Ausrichtung zur Green Claims-Richtlinie zugestimmt. Diese Richtlinie legt Mindestanforderungen an die Begründung, Kommunikation und Überprüfung expliziter Umweltaussagen fest.
Die Kritik der DIHK und weiterer großer Wirtschaftsverbände, die zumindest beim Bundesjustizminister auf offene Ohren gestoßen war, blieb im Rat letztlich unbeachtet. Sie betraf vor allem die Vorabgenehmigungspflicht für Werbung mit Umweltaussagen, die nun doch kommen soll. Zudem sollen sogar Kleinstunternehmen in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbezogen werden, anders als das der Vorschlag der Kommission und der Beschluss des Europäischen Parlaments vom März 2024 vorsahen. Dagegen sind bei den Sanktionen für Unternehmen keine fixen Vorgaben i. S. v. Bußgeldhöhen mehr genannt.
Mit dem Ratsbeschluss ist der Weg zu den Trilog-Verhandlungen eröffnet. Diese werden aber voraussichtlich erst beginnen, wenn im Nachgang zur Europawahl alle Beteiligten wieder in den „normalen“ Arbeitsmodus gefunden haben werden. Die beiden für diese Richtlinie im Europäischen Parlament zuständigen Berichterstatter Ansip und Engerer sind jedenfalls bei der Europawahl nicht wiedergewählt worden; insofern ist noch unklar, wer für das Europäische Parlament die Verhandlungen führen wird. Die Pressemitteilung des Rates wurde am 17.06.2024 veröffentlicht.

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