IHK-Auftragsberatungsstelle Baden-Württemberg

Auftragswesen Aktuell Juni 2024

Unterstützung bei Planung und Durchführung Kommunale Wärmeplanung

Das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende (KWW) der Deutschen Energie-Agentur hat für Kommunen Unterstützungsangebote für die Vorbereitung und Durchführung ihrer Wärmeplanung veröffentlicht. Seit diesem Jahr ist das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (Wärmeplanungsgesetz, WPG) in Kraft. Durch das Wärmeplanungsgesetz (WPG) sind Kommunen in Deutschland seit 2024 verpflichtet, die Wärmeversorgung auf klimaneutrale Quellen umzustellen. Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnenden müssen bis Mitte Juni 2026 einen Kommunalen Wärmeplan (KWP) erstellen, kleinere Kommunen bis Mitte 2028. Das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende (KWW) bietet Werkzeuge an, die Kommunen in der Vorbereitung und Durchführung ihrer Wärmeplanung unterstützen.
Links zu den einzelnen Hilfestellungen:
Ihre Ansprechpartnerin:
Eva Waitzendorfer-Braun, eva.waitzendorfer-braun@absthessen.de, 0611 / 974588-0 

Aktualisierter Leitfaden der Bundesregierung für nachhaltige Textilbeschaffung

Der erstmals Anfang 2021 von der Bundesregierung veröffentlicht Leitfaden für nachhaltige Textilbeschaffung liegt jetzt in einer aktualisierten Fassung (dritte Auflage) vor. Der Leitfaden kommt bei der öffentliche Textilbeschaffung der Behörden und Einrichtungen des Bundes zur Anwendung. Den Ländern und Kommunen kann er zur Orientierung dienen. Er umfasst die Produktgruppen Bekleidungstextilien und Wäsche, Bettwaren, Bettwäsche, Handtücher, Waschlappen sowie Matratzen. Er enthält ökologische und soziale Nachhaltigkeitsanforderungen entlang der gesamten Textillieferkette, also Eigenschaften und Qualitäten des Endproduktes, Herstellungsprozess, und Rohfaserherstellung. Aktuell wurden einzelne ökologische Ausschluss- und Zuschlagskriterien sowie Hinweise zur Berücksichtigung kreislaufwirtschaftlicher Aspekte ergänzt und angepasst. Den Leitfaden finden Sie auf der Internetseite des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Formulierungshilfe für Ausschreibung biobasierter Kunststoffe

Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) hat zur Formulierung der Anforderung "biobasierter Kunststoff" in einer Leistungsbeschreibung, als nachhaltige Alternative zu Kunststoffen auf Erdölbasis, eine Ausschreibungshilfe veröffentlicht. Diese berücksichtigt neben der Definition des Materials, den Anforderungen an den biobasierten Anteil des Materials, den Nachweise über Gütezeichen für rein biobasierten Kunststoff auch deren Recyclingfähigkeit und Entsorgung. Die Formulierungshilfe finden Sie auf dem Themenportal Nachhaltige Beschaffung.

Praxisbeispiel umweltfreundliche Drucksachen

Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) hat, ausgehend von ihren Erfahrungen bei der Ausschreibung von umweltfreundlichen Drucksachen, ein Praxisbeispiel mit den wesentlichen Kriterien aus der Rahmenvereinbarung für Druckerzeugnisse veröffentlicht. Die Kriterien wurden gemeinsam mit der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung im Bundeslandwirtschaftsministerium erarbeitet. Das Praxisbeispiel beinhaltet auch das Muster einer Leistungsbeschreibung.

OZG – Vermittlungsverfahren abgeschlossen

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat in seiner Sitzung am 12. Juni 2024 einen Einigungsvorschlag für das Gesetz zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes sowie weiterer Vorschriften zur Digitalisierung der Verwaltung vorgelegt.
Die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch Bundesregierung erfolgte, nachdem das Gesetz in der Bundesratssitzung am 22. März 2024 nicht die für eine Zustimmung erforderlichen Stimmen erhalten hatte. Aus Sicht des Innenausschusses der Länderkammer waren die Regelungsbefugnisse zu stark beim Bund konzentriert und der Bund nahm sich zu sehr aus seiner Finanzierungsverantwortung.
Der Vermittlungsausschuss schlägt vor:
  • Weiterentwicklung des im Onlinezugangsgesetz geschaffenen zentralen Bürgerkontos (BundID) zu einer DeutschlandID
  • Weiterverwendung des ELSTER-Softwarezertifikat und anderer Identifizierungsmittel mit vergleichbarem Sicherheitsniveau als Identifizierungs- beziehungsweise Authentifizierungsmechanismus bei den Nutzerkonten
  • Evaluierung des Gesetzes durch Bund und Länder
  • Begleitende Protokollerklärung: weitere Anstrengungen bei der Registermodernisierung, um Ziel vollständig digitaler medienbruchfreier Prozessketten zu erreichen und Verwaltungsleistungen noch stärker service- und bürgerorientiert zur Verfügung zu stellen, keine doppelte Erfassung von Daten durch konsequente Umsetzung des Once-Only-Prinzip, Abschluss eines Staatsvertrags zwischen Bund und Ländern um die für ein Nationales Once-Only-Technical-System (NOOTS) erforderlichen rechtlichen und finanziellen Regelungen zu schaffen
Ziel des Onlinezugangsgesetzes ist die Weiterentwicklung benutzerfreundlicher digitaler Dienste für behördliche Verwaltungsleistungen. Es soll Strukturen für eine verbesserte Zusammenarbeit von Bund und Ländern schaffen und eine einfache, moderne und digitale Verfahrensabwicklung im übergreifenden Portalverbund ermöglichen. Die Erklärung des Vermittlungsausschusses finden Sie auf Internetseite des Vermittlungsausschusses.
Quelle: Bundesrat
Ihr Ansprechpartner:
Steffen Müller, muellers@abz-bayern.de, 089 511 631 72

Ausschluss wegen vorheriger mangelhafter Vertragserfüllung gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB

Der öffentliche Auftraggeber kann ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn es eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.
Für einen Ausschluss wegen vorheriger mangelhafter Vertragserfüllung ist es nicht erforderlich, dass die aus der Vertragspflichtverletzung gezogene Rechtsfolge gerichtlich bestätigt wurde.
Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin (Ag.) schrieb in einem EU-weiten offenen Verfahren die Technische Wärmedämmung bei einem Neubau aus. Die Antragstellerin (Ast.) gab fristgemäß ein Angebot ab.
Mit Schreiben vom 10.01.2024 teilte die Ag. der Ast. mit, dass sie beabsichtige, die Ast. gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vom Verfahren auszuschließen, da diese eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt und dies zu einer vorzeitigen Beendigung geführt habe.
Die Ag. forderte die Ast. vor der Entscheidung über einen Ausschluss auf, zu nachfolgendem Sachverhalt Stellung zu nehmen. Die Ast. habe in einem vorherigen Bauprojekt den Zuschlag für die Technische Wärmedämmung erhalten, im Projektverlauf jedoch mehrfach die vereinbarten Leistungen (wie z.B. Besetzung Baustelle, Fernbleiben bei Jour-Fixen, Fernbleiben von Monteuren auf der Baustelle) nicht erfüllt. Dies habe zu Terminverzögerungen des gesamten Bauprojektes geführt. Nach mehrfachen fruchtlosen schriftlichen Aufforderungen der Ag. an die Ast., diese Fehlleistungen/ Nichtleistungen abzustellen und die vertraglich vereinbarten Arbeiten auszuführen, habe die Ag. den Vertrag am 13.04.2023 gekündigt und ein drittes Unternehmen mit einer Ersatzvornahme beauftragt. Dies habe die Ag. auch finanziell erheblich belastet. Für die Ag. sei die Eingehung einer erneuten Vertragsbeziehung daher nicht zumutbar, da die ordnungs- und vertragsgemäße Erbringung der nunmehr ausgeschriebenen Leistungen nachdrücklich in Frage stehe. Der Kündigung vom 13.04.2023 war bis zum 10.01.2024 von der Ast. nicht widersprochen worden.
Die Ast. nahm am 15.01.2024 Stellung und legte von ihr eingeleitete Selbstreinigungsmaßnahmen zur Reorganisation dar. So sei die seinerzeitige Bauleiterin aus dem operativen Geschäft ins Backoffice versetzt worden. Die Bauleitung und kaufmännische Projektabwicklung werde nunmehr durch andere Mitarbeiter mit langjähriger einschlägiger Erfahrung im Dämm- und Brandschutzbereich wahrgenommen. Auch seien weitere Bereiche umfangreich neu strukturiert worden. Die beschlossenen Maßnahmen sollen Ende 2024 durch einen externen Berater überprüft werden. Außerdem teilte die Ast. mit, dass sie sich verpflichte, der Ag. alle Schäden zu ersetzen, die sie im Projekt zu verantworten habe und bat um Zusendung einer Schadensaufstellung.
Mit Vorabinformationsschreiben gemäß § 134 GWB teilte die Ag. der Ast. am 16.01.2024 mit, dass diese gemäß  § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB i.V.m. § 6e Abs. 6 Nr. 7 VOB/A-EU ausgeschlossen werde. Der Zuschlag solle auf das Angebot der Beigeladenen (B.) erteilt werden. Die Ag.  führte dazu aus, dass die Stellungnahme der Ag. vom 15.01.2024 nicht geeignet gewesen sei, die vorhandenen ernsten Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit auszuräumen. Die getroffenen Selbstreinigungsmaßnahmen erachte die Ag. als unzureichend, da die damalige Bauleiterin zwar eine zentrale Rolle gehabt habe, jedoch nicht exklusiv für den negativen Projektverlauf, der letztendlich zur Kündigung geführt habe, verantwortlich gewesen sei. Andere Beteiligte auf der ausführenden, werkenden Seite fänden in den Ausführungen der Ast. keine Erwähnung. Zudem werde nicht auf die mangelnde Erreichbarkeit des Unternehmens als solchem sowie auf die grundlegende Einstellung zu vertraglich eingegangenen Pflichten nur unzureichend eingegangen. Die Ag. nähme zur Kenntnis, dass die Ast. technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen habe bzw. noch ergreifen werde, um zukünftiges Fehlverhalten zu vermeiden. Aus der Stellungnahme sei jedoch nicht abzuleiten, inwieweit diese Maßnahmen als ausreichend zu betrachten seien, dieses Ziel zu verwirklichen. Die Planung der Ast., die beschlossenen Maßnahmen Ende 2024 durch einen externen Berater überprüfen zu lassen, um deren Wirksamkeit attestiert zu bekommen, zeige, dass die Ast. sich selbst über den eingeschlagenen Weg bzw. den Erfolg noch nicht sicher sei. Die geschilderten Maßnahmen seien aus Sicht der Ag. somit gerade erst eingeleitet worden. Ob sie zur beabsichtigten Selbstreinigung geeignet seien, sei hingegen noch nicht abzusehen.  Die Eingehung einer erneuten Vertragsbeziehung sei der Ag. infolge der vorangegangen einschneidenden Erfahrungen mit der Ast. in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht derzeit nicht zumutbar.
Die Ast. rügte am 25.01.2024 den Ausschluss vom Vergabeverfahren und bewertete die Kündigung vom 13.04.2023 nach einer Prüfung nunmehr als unwirksam. Am selben Tag stellte sie einen Nachprüfungsantrag bei der VK Bund.
Beschluss:
Ohne Erfolg! Der zulässige Nachprüfungsantrag war unbegründet.
Nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB kann der öffentliche Auftraggeber - unter Berücksichtigung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.
Der Begriff der mangelhaften Erfüllung sei im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB nicht streng
zivilrechtlich zu interpretieren. Er sei vielmehr umfassend im Sinne einer nicht vertragsgerechten Erfüllung zu verstehen. Erfasst seien sowohl vertragliche Haupt- als auch Nebenpflichten. In Erwägungsgrund 101 der Vergabe-Richtlinie 2014/14/EU würden als Beispiel für eine mangelhafte Vertragserfüllung Lieferungs- oder Leistungsausfall oder erhebliche Defizite der gelieferten Waren oder Dienstleistungen, die sie für den beabsichtigten Zweck unbrauchbar machen, genannt.
Vorliegend seien vertragliche Leistungen nicht oder mangelhaft ausgeführt worden, beispielhaft seien von der Ag. in ihrem Anhörungsschreiben vom 10.01.2024 genannt worden: die Besetzung der Baustelle, Fernbleiben von Jour-Fixen, Fernbleiben von Monteuren von der Baustelle. Die Ast. habe in ihrer Stellungnahme vom 15.01.2024 die „Umstände und vorgefallenen Situationen“ selbst ausdrücklich bedauert. Aufgrund des Vortrags der Ast. bestünde nach Ansicht der VK kein vernünftiger Zweifel daran, dass es aus Sicht der Ag. in dem betreffenden Vertragsverhältnis tatsächlich zu Pflichtverletzungen seitens der Ast. gekommen sei, welche die geschuldete vertragsgerechte Erfüllung in Frage gestellt hätten.
Die mangelhafte Erfüllung eines früheren Auftrags müsse zudem in einer erheblichen oder fortdauernden Vertragspflichtverletzung bestanden haben. Eine erhebliche Vertragspflichtverletzung liege dann vor, wenn die mangelhafte Leistung den öffentlichen Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belaste. Dies sei hier der Fall, denn es sei durch die Verzögerungen im weiteren Gesamtbauablauf zu Belastungen in tatsächlicher Hinsicht und durch die aufgrund der Kündigung erforderlichen Kosten für die Ersatzvornahme in finanzieller Hinsicht gekommen. Diese könne als unstreitig unterstellt werden, da die Ast. dies durch die Ankündigung des unverzüglichen Ersatzes aller Schäden im streitigen Projekt zusätzlich bestätigt habe.

Die fortdauernde mangelhafte Erfüllung einer wesentlichen Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags habe vorliegend auch zu einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags, Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB geführt. Als vergleichbare Rechtsfolge kämen Rücktritt, Ersatzvornahme nach erfolgloser Fristsetzung oder Minderung der Vergütung in Betracht. Eine vergleichbare Rechtsfolge sei neben der Ersatzvornahme auch das Verlangen nach umfangreichen Nachbesserungen. Nicht erforderlich sei, dass die Berechtigung der aus der Vertragspflichtverletzung gezogenen Rechtsfolge gerichtlich bestätigt wurde. So genüge es auch, dass der Bieter die vorzeitige Beendigung klaglos hingenommen habe.
Die Ag. habe den Auftrag nach mehrfacher Mahnung durch Kündigung beendet und im Anschluss eine Ersatzvornahme durchführen lassen. Damit lägen zwei Tatbestandsmerkmale der vorzeitigen Beendigung oder vergleichbaren Rechtsfolge vor. Es komme nicht darauf an, dass die Wirksamkeit der Kündigung von der Ast. erstmals mit Schreiben vom 25.01.2024 in Frage gestellt wurde. Denn die Kündigung sei nahezu ein dreiviertel Jahr von ihr nicht beanstandet worden ebenso wenig wie die erfolgte Ersatzvornahme.
Auch bewege sich die Ausschlussentscheidung vorliegend im Rahmen des der Ag. zustehenden Ermessens unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Als Maßstab für die Ausschlussentscheidung sei von einem schwerwiegenden beruflichen Fehlverhalten auszugehen, das die Integrität des Wirtschaftsteilnehmers infrage stellen und dazu führen könne, dass es – auch wenn er ansonsten über die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügen würde – als für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags ungeeignet betrachtet werde.
Praxistipp:
Es gelten vorstehende hohe Voraussetzungen für eine negative Prognoseentscheidung und einen Ausschluss eines Bieters wegen vorheriger Schlechtleistung. Eine Vertragskündigung in der Vergangenheit wegen Schlechtleistung ist nicht per se ein Ausschlussgrund. Wichtig ist, dass der Auftraggeber die seinerzeitigen Mängel nicht einfach so hingenommen, sondern konkrete Rechtsfolgen daraus gezogen hat - wie Kündigung, Schadensersatz oder eine vergleichbare Rechtsfolge. Und auch hier gilt wieder einmal: „Wer schreibt, der bleibt“. In der Vergabeakte ist umfassend zu dokumentieren, welche Vertragspflichten in welchem Umfang und mit welchen Folgen verletzt worden sind sowie welche rechtlichen Konsequenzen der Auftraggeber daraus gezogen hat.
Bieter, die zu einem Ausschluss wegen vorheriger Schlechtleistung angehört werden, sollten auf durchgeführte Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB verweisen und detailliert darlegen, dass durch zwischenzeitlich durchgeführte Maßnahmen, wie z.B. Änderungen interner Betriebsabläufe und eingeführte Kontroll- und Qualitätssicherungsmaßnahmen, Pflichtverletzungen wie in der Vergangenheit nicht mehr vorkommen können und werden.
Ihre Ansprechpartnerin:
Petra Bachmann, petra.bachmann@abst-brandenburg.de, 0331 95 12 90 95

Grundsatz Losvergabe: Gebot ist den der Gesamtvergabe begründenden Interessen gegenüberzustellen

Die von § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB geforderte „Erforderlichkeit“ bedeutet, dass diese Ausnahmevorschrift als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu verstehen ist.
Sachverhalt:
Der öffentliche Auftraggeber schreibt europaweit Straßenbauarbeiten zur grundhaften Erneuerung eines stark frequentierten, vierspurig befahrenen Streckenabschnitts von 7,8 km Länge aus. Er sieht von einer Fachlosbildung für die Arbeiten Verkehrssicherung, Markierung und passive Schutzeinrichtung ab. Bieter B, ein Anbieter von Weißmarkierungsarbeiten, greift die fehlende Losbildung vor der zuständigen Vergabekammer an.
Beschluss:
Im Ergebnis ohne Erfolg. Unstreitig existiert für Weißmarkierungsarbeiten ein eigener Anbietermarkt, sodass diese Leistung grundsätzlich als Fachlos auszuschreiben ist. Vorliegend unterliegt der auftragsgegenständliche Streckenabschnitt aber einem besonderen Beschleunigungsansatz des Auftraggebers. Dies ist auch entsprechend begründet worden: Eine Gesamtvergabe ist nötig, um eine erhöhte Unfallgefahr im Baustellenbereich, volkswirtschaftliche Nachteile infolge von Zeitverlust durch Stau, staubedingte Emissionen und durch erforderliche Umleitungen auf ein Minimum zu reduzieren. Diese Aspekte sind regelmäßig im Straßenbau relevant und können nicht allgemeingültig zur Begründung einer Gesamtvergabe dienen. Vorliegend setzt der Auftraggeber diese Aspekte aber in Bezug zu einem konkreten Streckenabschnitt, welcher besonders priorisiert wird. Eine Betrachtung des gegenständlichen Vergabeverfahrens im Kontext aller Vergabeverfahren bestätigt, dass der Auftraggeber eine Gesamtvergabe der Leistungen tatsächlich nur in Ausnahmefällen mit entsprechender Begründung anstrebt. Das gewählte Vergabedesign des AG ist ebenfalls geeignet und verhältnismäßig, sodass die Gesamtvergabe mit der vorliegenden Begründung nicht zu beanstanden ist.
Praxistipp:
Die Rechtfertigung einer gemeinsamen Vergabe von (Fach-)Losen bleibt aber eine Einzelfallentscheidung, der immer auch eine gewisse Rechtsunsicherheit immanent ist. Insbesondere wenn eindeutig ein eigener Anbietermarkt für Einzelleistungen existiert, besteht immer auch das Risiko, dass dieser die fehlende Losteilung angreift, um seine Marktposition bei öffentlichen Aufträgen zu sichern. Der streitgegenständliche Fall zeigt, dass die Begründung der gemeinsamen Vergabe von Losen aus einer Gesamtschau verschiedener Faktoren erwachsen kann. Die Begründung muss allerdings über die Eigeninteressen des AG hinausgehen. In jedem Fall ist die Entscheidung sorgfältig zu argumentieren und zu dokumentieren.
VK Bund, Beschluss vom 26.02.2024 (Az.: VK 2-13/24)

Kalkulationsfehler stellen keine fehlende Preisangabe oder zwingenden Ausschlussgrund dar

Für sich allein betrachtet und ohne Hinzutreten weiterer Umstände stellen Kalkulationsfehler weder eine „fehlende Preisangabe“ noch einen sonstigen zwingenden Ausschlussgrund dar.

Sachverhalt:
Ausgeschrieben waren unterhalb des EU-Schwellenwertes Gewerke im Rahmen eines Baus eines Regenüberlaufbeckens. Bieter B unterbreitet das günstigste Angebot. Es liegt rund 2 % unter dem Angebot des Zweitplatzierten und rund 8 % unter dem Angebot des Drittplatzierten. Bei der Angebotswertung fällt dem öffentlichen Auftraggeber auf, dass bestimmte Einheitspreise des Angebots von B im Vergleich zu den Mitbewerbern sehr günstig sind. Im Rahmen einer Aufklärung erklärt B, er habe infolge der Kalkulation mit vorgefertigten Kalkulationsbausteinen versehentlich einen Kilopreis anstatt eines Tonnenpreises angeboten. B erklärt zudem, dass er zu den abgegebenen Preisen stehe, weil das Angebot in seiner Gesamtheit auskömmlich sei. Die Vergabestelle schließt das Angebot wegen fehlender Preisangabe aus. B begehrt daraufhin Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns.
Beschluss:
Mit Erfolg. Das Angebot durfte nicht wegen fehlender Preisangabe ausgeschlossen werden. Alle geforderten Preisangaben waren vorhanden. Der Umstand, dass das Angebot wegen Irrtums ggf. anfechtbar war, führt nicht zu einer fehlenden Bestimmtheit der Einzelpreise. Eine Unklarheit liegt allenfalls hinsichtlich der Frage vor, ob der Bieter von einem etwaigen Anfechtungsrecht Gebrauch macht, nicht hingegen bezüglich der Höhe der Einheitspreise. Die Preisangaben sind auch nicht deswegen unklar oder unbestimmt, weil sie auslegungsbedürftig waren.
Praxistipp:
Ohne Hinzutreten vorgenannter oder vergleichbarer besonderer Umstände stellen Fehler in der Angebotskalkulation grundsätzlich keinen zwingenden Ausschlussgrund dar. Bieter sind insoweit an ihre Angebote gebunden und können darauf festgelegt werden. Auftraggeber sind weder verpflichtet noch berechtigt, bei einem Kalkulationsirrtum von der Annahme des Angebots abzusehen. Eine Verpflichtung aus Sorgfalt dazu entsteht erst, wenn der irrig kalkulierte Preis billigerweise nicht mehr als auch nur im Ansatz äquivalentes Entgelt für die Leistung aufgefasst werden kann.
OLG Stuttgart, Urteil vom 16.05.2024 (Az.: 2 U 146/22)
Die hier zitierten Entscheidungen finden Sie in der Regel über https://dejure.org/. Sollte eine Entscheidung hierüber nicht auffindbar sein, hilft Ihnen Ihre zuständige Auftragsberatungsstelle gerne weiter.
Ihre Ansprechpartnerin:
Eva Waitzendorfer-Braun, eva.waitzendorfer-braun@absthessen.de, 0611 / 974588-0 

Schlussfolgerungen des EU-Rates zum Sonderbericht des ERH über das öffentliche Auftragswesen

Der Europäische Rechnungshof (ERH) hatte in seinem im Dezember 2023 veröffentlichten Sonderbericht über das öffentliche Auftragswesen in der EU (wir hatten dazu berichtet) festgestellt, dass die Vergaberechtsreform 2014 ohne nachweisbare Wirkung geblieben ist. Der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im EU-Binnenmarkt sei in den letzten zehn Jahren zurückgegangen. Daneben formulierte der ERH Empfehlungen an die Kommission zur Bewältigung der Situation.

Zu diesem Sonderbericht hat der EU-Rat am 25. Mai 2024 Schlussfolgerungen mit dem Titel „Verbesserung eines fairen und nachhaltigen Wettbewerbs bei der Vergabe öffentlicher Aufträge der EU für Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen“ angenommen. Er begrüßt die im Bericht enthaltenen Empfehlungen und fordert die Straffung und Verbesserung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge sowie die Einleitung einer eingehenden Analyse des bestehenden Rechtsrahmens. Betont wird auch die Bedeutung der Verfügbarkeit hochwertiger Daten und fortschrittlicher Instrumente für die Bereitstellung von Informationen über das öffentliche Auftragswesen. Der Rat empfiehlt daneben die Interessenträger zu konsultieren, bewährte Verfahren zu fördern, Professionalisierung zu gewährleisten und für die nächste Amtszeit der Kommission, einen EU-weiten strategischen Aktionsplan für das öffentliche Auftragswesen einzuführen.
Ihr Ansprechpartner:
Steffen Müller, muellers@abz-bayern.de, 089 511 631 72

Bayern: Ankündigung einer „kleinen Revolution“ im Vergaberecht

Ministerpräsident Dr. Markus Söder hat in seiner zweiten Regierungserklärung vom 13.06.2024 ein "komplettes Bayern-Update" vorgestellt. Dieses beinhaltet mehr als 100 Entbürokratisierungsmaßnahmen im Baurecht, für das Ehrenamt, bei der Landesplanung, der Digitalisierung, der Energiewende, der Bekämpfung des Fachkräftemangels und der Mittelstandsförderung. Noch vor der Sommerpause werde dem Landtag ein entsprechendes Modernisierungsgesetz vorgelegt. Im Vergaberecht werde es eine "kleine Revolution" geben. Im kommunalen Baubereich sollen die Obergrenzen für Direktaufträge auf 250.000 Euro und für die freihändige Vergabe auf eine Million Euro verzehnfacht werden. Die Staatsregierung verspricht sich davon schnellere und unkompliziertere Auftragsvergaben. Ehrenamtlich Tätige will Söder von Genehmigungspflichten für wiederholte Veranstaltungen und den Aufbau von Zelten und Tribünen sowie von den Kosten für Umzüge von Schützen-, Trachten-, Sport- und Brauchtumsvereinen befreien. Die vollständige Presseerklärung finden Sie auf der Internetseite des bayrischen Landtages.
Quelle: Bayerischer Landtag
Ihr Ansprechpartner:
Steffen Müller, muellers@abz-bayern.de, 089 511 631 72