Homeoffice in den Niederlanden
Die Niederlande sind nicht nur ein beliebtes Urlaubsland, sondern wird auch für Remote Work Aufenthalte immer begehrter. Aufgrund seiner geografischen Nähe, der entspannten Lebensweise und der hervorragenden digitalen Infrastruktur möchten immer mehr Arbeitnehmende im Rahmen einer kurzfristigen Workation oder gar langfristig aus den Niederlanden arbeiten. Damit es dabei nicht zu rechtlichen oder steuerlichen Problemen kommt, sind jedoch vorab einige wichtige Themen zu klären.
1. Niederländisches Arbeitsrecht
Arbeitnehmende unterliegen (unabhängig von einer möglichen Rechtswahl im Arbeitsvertrag) in der Zeit, in der sie ihre Arbeit aus den Niederlanden erbringt, den zwingenden Regeln des niederländischen Arbeitsrechts. Unternehmen müssen daher darauf achten, dass sie insbesondere hinsichtlich der Höchstarbeitszeit, etwaiger Urlaubsansprüche und ggf. des Mindestlohns die Mindestanforderungen des niederländischen Arbeitsrechts erfüllen.
Seit 1. Januar 2024 gilt in den Niederlanden ein gesetzlicher Mindeststundenlohn. Dieser löst den bislang geltenden Monatsmindestlohn ab. Der Mindeststundenlohn gilt für alle Arbeitnehmende ab einem Alter von 15 Jahren und erhöht sich mit zunehmendem Alter des Arbeitnehmenden gestaffelt. Der anwendbare Mindeststundenlohn findet sich auf der folgenden Webseite der niederländischen Regierung.
Daneben bestehen unternehmens- oder sektorspezifische Tarifverträge (CAOs). CAOs enthalten über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehende Vereinbarungen, die zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen geschlossen wurden. In der Regel betreffen die Vereinbarungen die Themen Mindestlohn, Arbeits- und Ruhezeiten, Arbeitssicherheit, Urlaub, Kündigungsfristen und Altersvorsorge. Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden in die Niederlande entsenden, müssen vorab überprüfen, ob das niederländische Ministerium für Arbeit und Soziales einen CAO für ihren Sektor für allgemeinverbindlich erklärt hat. In diesem Fall ist auch das entsendende Unternehmen an die Regelungen des CAO gebunden.
Hinweis: Eine Übersicht über die in den jeweiligen Branchen für verbindlich erklärten CAOs findet sich in niederländischer Sprache auf der Webseite des niederländischen Ministeriums für Arbeit und Soziales.
Bei Vollzeitbeschäftigung sind 38 – 40 Arbeitsstunden pro Woche der Regelfall. Die gesetzliche wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt bis zu 60 Stunden. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit darf jedoch über einen Zeitraum von 4 Wochen 55 Stunden und über einen Zeitraum von 16 Wochen 48 Stunden nicht überschreiten.
Eine Probezeit muss ausdrücklich und schriftlich vereinbart werden, sodass ohne Vereinbarung keine Probezeit gilt. Während der Probezeit ist eine fristlose Kündigung ohne Grund möglich. Die maximale Probezeit bei unbefristeten oder mehrjährigen Verträgen beträgt zwei Monate, bei Verträgen von 6 bis 23 Monaten einen Monat. Bei Verträgen unter sechs Monaten ist die Vereinbarung einer Probezeit nicht möglich.
Jeder Arbeitnehmende in den Niederlanden hat Anspruch auf bezahlten Urlaub. Die Anzahl der bezahlten Urlaubstage beträgt mindestens das Vierfache der vereinbarten Wochenarbeitszeit. Das heißt, wenn eine 40 Stunden Woche vereinbart ist, hat der Arbeitnehmende Anspruch auf mindesten 160 Stunden (4x40) bezahlten Urlaub. Allerdings gelten in diesem Bereich auch häufig tarifvertragliche Regelungen. In der Regel liegt der Urlaubsanspruch zwischen 20 und 30 Tagen bei Vollzeitbeschäftigung.
Darüber hinaus hat der Arbeitnehmende auch einen gesetzlichen Anspruch auf Urlaubsgeld in Höhe von 8 % des Brutto-Jahresgehaltes. Dieses wird in der Regel Ende Mai oder Anfang Juni in voller Höhe ausbezahlt und auf Grundlage des Jahresgehalts des vergangenen Jahres berechnet.
Angefallene Überstunden können abhängig vom Arbeitsvertrag durch Freizeitausgleich oder durch Vergütung abgegolten werden.
2. Steuern
Die Lohnsteuer ist grundsätzlich dort zu entrichten, wo die zu besteuernde Tätigkeit ausgeübt wird. Bei mobiler Arbeit ist dies stets der Staat, in dem sich der Arbeitnehmende zum Zeitpunkt der Leistungserbringung befindet. Wer von den Niederlanden aus arbeitet ist somit grundsätzlich auch dort lohnsteuerpflichtig. Zwischen den Niederlanden und Deutschland besteht allerdings ein Doppelbesteuerungsabkommen. Danach ist die Lohnsteuer weiterhin in Deutschland zu zahlen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- Der Mitarbeitende verbringt weniger als insgesamt 183 Tage innerhalb von 12 Monaten im Beschäftigungsland. Der Zeitraum von 12 Monaten muss dabei nicht innerhalb eines Kalenderjahres liegen. Die Tage müssen innerhalb des Zeitraums auch nicht aufeinanderfolgen. Gewöhnliche Arbeitsunterbrechungen, wie zum Beispiel Krankheitstage, Wochenenden und Nationalfeiertage, zählen ebenfalls zu der Gesamtzahl von 183 Tagen.
- Der Mitarbeitende arbeitet im Beschäftigungsland nicht im Auftrag einer Betriebsstätte des Arbeitgebers. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitgebende in den Niederlanden über einen ständigen Betriebsraum verfügt (bspw. eine Fabrik, eine Werkstatt, ein Lager oder einen Verkaufsraum).
Neben dem Risiko der Steuerpflichtigkeit des Arbeitnehmers besteht auch das Risiko für das Unternehmen, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Homeoffice von den örtlichen Behörden als Gründung einer (de facto) Betriebsstätte verstanden und Körperschaftssteuer erhoben wird. erhebt. Der Ausdruck „Betriebsstätte“ beschreibt eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird (wirtschaftliche Tätigkeit).
- Geschäftseinrichtung
Liegt an allen Orten vor, an denen der Mitarbeitende seine Arbeit ausübt (z.B. Arbeits- oder Wohnzimmer des Mitarbeitenden). Eine Anordnung durch den Arbeitgebenden ist nicht erforderlich. Es ist ausreichend, wenn der Mitarbeitende von dort einen erheblichen Teil seiner Arbeit ausübt. - Feste / permanente Geschäftseinrichtung
Die Geschäftseinrichtung ist fest und permanent, wenn sie fest mit dem Untergrund verbunden und nicht nur rein vorübergehend genutzt wird. - Wirtschaftliche Tätigkeit
Entscheidend für die Beurteilung der Betriebsstätteneigenschaft ist die Frage, ob der Mitarbeitende von seiner Geschäftseinrichtung sog. „unternehmerische Kerntätigkeiten“ ausführt. Bei privaten Motiven für die Arbeit aus dem Homeoffice und lediglich unterstützenden Tätigkeiten (bspw. interner Support) für den Arbeitgebenden in Deutschland dürfte das Betriebsstättenrisiko relativ gering ausfallen. Andererseits spricht der geplante Aufbau eines Kunden- und Vertriebsnetzes vor Ort für eine unternehmerische Tätigkeit des Mitarbeitenden. Auch die Übernahme von Führungs- oder Geschäftsleitungsaufgaben sind Indizien für das Vorliegen einer Betriebsstätte.
Bei der Arbeit aus dem Homeoffice in den Niederlanden muss daher für jeden Fall individuell abgewogen werden, wie hoch das Betriebsstättenrisiko einzuschätzen ist. Bei kurzen, rein unterstützenden Tätigkeiten wird eine Betriebsstätte tendenziell nicht anzunehmen sein. Dennoch ist sorgfältig und bestenfalls unter Einbeziehung eines erfahrenen Steuerberaters oder Rechtsanwalts zu prüfen, ob im konkreten Fall nicht von einer steuerlich relevanten Betriebsstätte auszugehen ist.
3. Sozialversicherung
Nach dem Territorialitätsprinzip ist der Arbeitnehmende grundsätzlich dort sozialversicherungspflichtig, wo er seinen Wohnsitz hat und einem nicht unwesentlichen Teil seiner Beschäftigung nachgeht. Nach der Verordnung über soziale Sicherheit (Verordnung (EG) Nr. 883/2004) ist das Sozialversicherungsrecht des Staates anwendbar, in dem der Arbeitnehmende die Beschäftigung ausübt. Das heißt, dass das Sozialversicherungsrecht der Niederlande bei vollständiger oder überwiegender Remote Arbeit Anwendung findet. Die in Art. 12 der Verordnung vorgesehene Sonderregelung zum Verbleib in der deutschen Versicherung für vorübergehend (maximal 24 Monate) entsandte Arbeitnehmende ist bei dauerhaftem Remote Work in den Niederlanden ausgeschlossen. Dennoch kann die Sonderregelung bei kurzer Tätigkeit z.B. im Rahmen einer Workation angewendet werden.
Die Niederlande haben zudem zum 1. Juli 2023 die Multilaterale Rahmenvereinbarung über die Anwendung von Artikel 16 Absatz 1 der VO (EG) Nr. 883/2004 bei gewöhnlicher grenzüberschreitender Telearbeit“ ratifiziert. Danach kann ein Arbeitnehmer, der in den Niederlanden ansässig ist, auch bei einem längeren Aufenthalt mit Einverständnis seines Arbeitgebers unter bestimmten Voraussetzungen in dem Staat sozialversichert werden, in dem der Arbeitgebende seinen Sitz hat. Die Sozialversicherungspflicht in den Niederlanden entfällt dann.
Hierfür müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
- Der Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers ist nicht der Staat, in dem der Arbeitgebende seinen Sitz hat
- Die betroffenen Staaten haben die Rahmenvereinbarung über grenzüberschreitende Telearbeit ratifiziert;
- Der Arbeitnehmende erbringt weniger als 50 Prozent seiner Gesamtarbeitszeit in seinem Wohnsitzstaat.
Der Antrag erfolgt in dem Staat, dessen Sozialversicherungsrecht nach dem Rahmenübereinkommen gelten soll. Soll deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung finden hat der Arbeitgebende an den GKV-Spitzenverband DVKA einen entsprechenden Antrag zu übermitteln. Weitere Informationen zur Anwendbarkeit des Rahmenabkommens finden sich auf der Website der DVKA.
Hinweis: Eine Liste der EU-Mitgliedsstaaten, die das Abkommen unterzeichnet haben (u.a. Deutschland und die Niederlande) findet sich auf der Webseite des belgischen Föderalen Öffentlichen Dienstes Soziale Sicherheit (engl.).
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