International
Entsendung nach Frankreich
Für Unternehmen, die Mitarbeiter auf eine Dienstreise oder für längere Zeit nach Frankreich entsenden, gilt es zahlreiche Vorschriften des besonders komplexen französischen Arbeits- und Entsenderechts zu beachten. Was im Einzelfall zu tun ist, muss rechtzeitig vor Beginn der Tätigkeit überprüft werden.
Veranstaltungshinweis: Bei Mitarbeiterentsendungen ins Ausland sind viele Regelungen zu beachten, die sich je nach Land erheblich unterscheiden. Was in rechtlicher, steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht in den wichtigsten Zielländern West- und Südeuropas zu beachten ist, erfahren Sie in unserem Webinar Mitarbeitereinsatz im Ausland - Länderschwerpunkt Frankreich, Italien und Spanien (01.04.2025, 14:00 - 17:00 Uhr) für das Sie sich ab sofort anmelden können.
1. Mitarbeiterentsendung
Nicht jedes Tätigwerden eines deutschen Arbeitnehmers in Frankreich stellt notwendig eine Entsendung im rechtlichen Sinne dar. Hierunter fallen nur Tätigkeiten, die zusätzlich die folgenden Kriterien erfüllen:
- Das Entsendeunternehmen ist außerhalb Frankreichs ansässig und übt dort dauerhaft einen wesentlichen Teil seiner unternehmerischen Tätigkeiten aus. Insbesondere Briefkastenfirmen, die nur eine Repräsentanz oder eine sonstige Niederlassung ohne operatives Geschäft im Ausland besitzen, fallen nicht unter diese Kategorie.
- Der betroffene Mitarbeiter muss bereits vor der Entsendung bei dem Entsendeunternehmens angestellt gewesen sein. Eine gezielte Einstellung zum Zweck des Tätigwerdens in Frankreich gilt daher nicht als Entsendung im rechtlichen Sinne.
- Darüber hinaus muss eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
- Das Entsendeunternehmen erbringt im Rahmen eines Vertragsverhältnisses Leistungen für ein französisches Unternehmen;
- Das Entsendeunternehmen erbringt Leistungen für eine in Frankreich ansässiges Unternehmen, das zur eigenen Unternehmensgruppe gehört (bspw. eine Tochtergesellschaft);
- Der betroffene Arbeitnehmer wird von Entsendeunternehmen auf eigene Rechnung entsendet, ohne dass ein Geschäftsvertrag zu einem französischen Unternehmen besteht (bspw. Markterkundung, Arbeitsbesprechungen, Interne Fortbildungen etc.);
- Bei dem Entsendeunternehmen handelt es sich um eine ausländische, behördlich zugelassene Zeitarbeitsfirma, die Arbeitnehmer an ein in Frankreich ansässiges Unternehmen überlässt.
Eine formelle Höchstdauer für die Entsendung besteht nicht. Allerdings sollte beachtet werden, dass bei Entsendungen innerhalb der Europäischen Union nach Ablauf von 24 Monaten in der Regel Sozialversicherungsbeiträge im Zielland der Entsendung entrichtet werden müssen.
2. Entsendemeldung
Liegt eine Entsendung im rechtlichen Sinne vor, so muss das Entsendeunternehmen eine Entsendemeldung an die zuständige Arbeitsinspektion übermitteln, bevor der entsendete Mitarbeiter seine Tätigkeit in Frankreich aufnimmt. Die Entsendemeldung erfolgt zentral über das Portal SIPSI der französischen Arbeitsverwaltung. Die Sprache des Portals kann am oberen rechten Rand der Homepage auf Deutsch eingestellt werden.
Hinweis: Bei der Einschaltung von Sub-Unternehmen obliegt zunächst diesen als direkten Arbeitgebern die Pflicht, die entsendeten Mitarbeiter zu melden. Allerdings kann der Auftraggeber dann, wenn das beauftragte Sub-Unternehmen seinen entsenderechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt, von den französischen Behörden zur Einhaltung der Pflichten verpflichtet und ggf. in Haftung genommen werden. Daher sollten Sub-Unternehmen vertraglich zur Einhaltung der entsenderechtlichen Anforderungen verpflichtet und entsprechende Nachweise (bspw. die SIPSI-Meldung) eingefordert werden.
Im Rahmen der Entsendemeldung müssen dabei die folgenden Angaben gemacht werden:
- Name, Firmenangaben und Rechtsform des Entsendeunternehmens sowie Angaben aus dem deutschen Handelsregister;
- Benennung eines Vertreters in Frankreich (s.u.);
- Angaben zu Zeit und Ort der Leistung und zu ihrer voraussichtlichen Dauer, Name und Staatsangehörigkeit des entsandten Arbeitnehmers sowie zu seiner Entlohnung und der Arbeitszeit während der Entsendung.
Ausgenommen von der Pflicht zur Abgabe einer Entsendemeldung und der Benennung eines Vertreters sind:
- Selbständige und Geschäftsführer.
- Entsendungen “auf eigene Rechnung”, d.h. Einsätze, bei denen weder direkt noch indirekt (bspw. als Sub-Unternehmer) ein Vertragsverhältnis zu einem Kunden in Frankreich besteht. Hierzu zählen beispielsweise firmeninterne Besprechungen sowie der Besuch von Messen oder Fortbildungsveranstaltungen.
Hinweis: Bei Entsendungen auf eigene Rechnung entfällt nur die Pflicht zur Vorabanmeldung der Arbeitnehmerentsendung. Auf Verlangen der Arbeitsaufsichtsbehörde sind die mitzuführenden Unterlagen (s. Abschnitt 3) unverzüglich vorzulegen. Lediglich für die Vorlage des Gesundheitszeugnisses besteht eine Frist zur Vorlage innerhalb von 15 Tagen.
- Bei Anlieferung oder Abholung von Waren, ohne weitere Erbringung von Dienstleistungen.
- Einsätze von Künstlern, die an nicht mehr als 90 Tagen, während 12 aufeinanderfolgenden Monaten in Frankreichtätig sind.
- Sportler, Schiedsrichter, Mitglieder des Sportlerbetreuerteams, offizielle Delegierte, die an der Durchführung oder an der Organisation von Sportveranstaltungen für eine Dauer von nicht mehr als 90 Tagen, während 12 aufeinanderfolgenden Monaten beteiligt sind.
- Auszubildende, die im Rahmen von grenzüberschreitenden Ausbildungsverträgen vorübergehend in Frankreich arbeiten und deren Anwesenheit 12 aufeinanderfolgende Monate nicht überschreitet. Der Auszubildende darf sich jedoch nicht nur zum Zweck der Ausführung von Dienstleistungen in Frankreich aufhalten.
- Teilnehmer an Symposien, Seminaren und sonstigen wissenschaftlichen Veranstaltungen; Gastprofessoren und Gastforscher, die Lehrtätigkeiten mit einer Dauer von bis zu 12 aufeinanderfolgenden Monaten ausüben.
Hinweis: Eine vollständige Liste der von den Meldevorschriften ausgenommenen Tätigkeiten findet sich in Art. 1 der Verordnung vom 4. Juni 2019 (franz.).
Bei Entsendungen im Baugewerbe (Hoch-/Tiefbau, Ausbau, Innenausbau) muss zusätzlich die Berufsidentifikationskarte „Carte d’Identification Professionnelle BTP“ beantragt und mitgeführt werden. Der Antrag kann online über das Portal der Union de Caisses de France gestellt werden. Beim Einsatz von Drittstaatsangehörigen muss zudem gegebenenfalls eine Arbeitsgenehmigung beantragt werden.
3. Mitzuführende Unterlagen
Gem. Art. R1263-1 des Arbeitsgesetzes (franz.) sind während der Entsendung die folgenden Dokumente durch den benannten Vertreter vor Ort während der Entsendung mitzuführen und den französischen Behörden auf Verlangen auszuhändigen:
- A1 Bescheinigung des Sozialversicherungsträgers;
- Arbeitsvertrag (inkl. Zusatzvereinbarungen) des entsandten Mitarbeiters;
- Gehaltsabrechnungen oder andere Lohnnachweise;
Hinweis: Gem. Art. R1263-1 Abs. 2 des Arbeitsgesetzes (franz.) müssen umfangreiche Lohnabrechnungen nur für Entsendungen mitgeführt werden, die eine Dauer von einem Monat überschreiten. Für kürzere Entsendungen reicht hingegen jedes Dokument aus, aus dem sich die Mindestvergütung des entsendeten Arbeitnehmers ergibt.
- Stundenzettel der Mitarbeiter für jeden Arbeitstag in Frankreich;
- Gesundheitszeugnis.
Hinweis: Erforderlich ist gem. Art. R4624-24 des Arbeitsgesetzes (franz.) ein ärztlicher Beleg darüber, dass der entsandte Arbeitnehmer an einer medizinischen Kontrolluntersuchung teilgenommen hat, die der gängigen französischen Praxis entspricht. Insbesondere muss aus dem Dokument hervorgehen, dass der Arbeitnehmer gesundheitlich in der Lage ist, seine Arbeit auszuführen ohne eine Gefahr für sich oder andere Arbeitnehmer darzustellen und er über berufsspezifische Gefahren und Präventionsmöglichkeiten aufgeklärt wurde.
Dokumente, aus denen das auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht sowie die Anzahl der erfüllten Aufträge und der erwirtschaftete Umsatz in Frankreich ergeben, müssen seit März 2023 nicht mehr mitgeführt werden.
Alle Dokumente müssen grundsätzlich in französischer Sprache bereitgestellt werden. Die AHK Frankreich bietet deutschen Unternehmen sowohl die Vertretung vor Ort als auch die Übersetzung der Dokumente ins Französische an. Es wird empfohlen, die Unterlagen in Papierform bereitzuhalten. Grundsätzlich ist es auch in Ordnung, wenn lediglich eine digitale Kopie vorgezeigt werden kann, diese muss jedoch unmittelbar zugänglich sein (eine gespeicherte Version auf einem mitgeführten USB-Stick genügt nicht).
4. Benennung eines Vertreters in Frankreich
Das Entsendeunternehmen muss einen Vertreter vor Ort benennen, der die mitzuführenden Unterlagen verwahrt und diese im Fall einer Kontrolle vorlegen und dazu Auskunft geben kann. Der Vertreter muss in der Lage sein, sich in französischer Sprache auszudrücken. Vertreter können sowohl juristische Personen als auch eine natürliche Personen sein. Auch der entsandte Mitarbeiter selbst und sogar der Kunde dürfen als Vertreter benannt werden. Sie müssen jedoch in der Lage sein, jederzeit auf alle erforderlichen Unterlagen zugreifen zu können. Auch die AHK Frankreich kann als Vertreter vor Ort fungieren.
5. Tätigkeiten in reglementierten Berufen
Unternehmen, die Mitarbeiter zur Ausübung eines reglementierten Berufs/Gewerbes entsenden wollen, müssen alle Anmeldungen, Genehmigungen, Nachweise oder Zeugnisse vorlegen können, die für die Ausübung der jeweiligen Tätigkeit erforderlich sind. Reglementierte Berufe sind z.B. der des Architekten, Wirtschaftsprüfers, Immobilienmaklers, Anwalts, Heilberufe, Tätigkeiten in der Versicherungsbranche, Wachmann, etc.
Hinweis: Eine Liste mit reglementierten Berufen finden sich auf der Webseite der französischen Behörde INPI. Darüber hinaus bietet auch die Europäische Union eine länderübergreifende Datenbank zu den in den Mitgliedsstaaten reglementierten Berufen an, die auch in deutscher Sprache verfügbar ist.
6. Einhaltung französischen Arbeitsrechts
Während der Dauer der Entsendung müssen die arbeitsrechtlichen Mindestanforderungen in Frankreich eingehalten werden. Das bedeutet insbesondere, dass der französische Mindestlohn von derzeit 1.766,92 EUR pro Monat bzw. 11,65 EUR pro Stunde (Stand: Juli 2024) nicht unterschritten werden darf.
Der angegebene Mindestlohn berechnet sich auf der Grundlage der in Frankreich geltenden 35-Stunden-Woche. Arbeitet der entsendete Mitarbeiter mehr als 35 Stunden pro Woche in Frankreich, so ist diese Zeit grundsätzlich als Überstunden zu vergüten. Bestehen keine abweichenden Regelungen in einem anzuwendenden Tarifvertrag, so sind die ersten 8 Überstunden einer Kalenderwoche mit jeweils 25%, jede weitere Stunde mit jeweils 50% zusätzlich zu vergüten.
Hinweis: Enthält der Arbeitsvertrag nur eine Pauschalvergütung ohne Zahlung von Überstunden, kann dies von den französischen Behörden als Schwarzarbeit gewertet werden. Daher empfiehlt sich bei Entsendungen nach Frankreich dringend der Abschluss einer Zusatzvereinigung zum Arbeitsvertrag für die Dauer der Entsendung.
Die Kosten für Transfer, Unterkunft und Verpflegung können regelmäßig nicht mit dem Lohn verrechnet werden. Auch auf die Einhaltung der absoluten Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche muss beachtet werden. Eine Arbeitszeit von 44 Stunden pro Woche darf nicht länger als 12 Wochen am Stück überschritten werden.
Für die meisten Sektoren bestehen zudem verbindliche Tarifverträge. In vielen Sektoren (bspw. im Automobil-, IT-, Telekommunikations- und Bausektor) bestehen teilweise deutlich höhere tarifliche Mindestlöhne, an die das entsendende Unternehmen gleichfalls gebunden ist. Vor einer Entsendung ist daher zunächst zu recherchieren, ob für die im Rahmen der Entsendung ausgeübte Tätigkeit ein verbindlicher Tarifvertrag besteht, der von den gesetzlichen Mindeststandards abweichende Regelungen vorsieht.
Hinweis: Zur Feststellung, ob ein Tarifvertrag für eine bestimmte Tätigkeit Anwendung findet und welche Regelungen dieser enthält, bietet die französische Verwaltung ein Recherche-Tool (franz.) für betroffene Unternehmen an.
7. Sozialversicherungsrecht (A1-Bescheinigung)
Darüber hinaus wird für entsandte Mitarbeiter eine A1-Bescheinigung benötigt. Diese gilt als Nachweis dafür, dass auf den Arbeitnehmer weiterhin das deutsche Sozialversicherungsrecht Anwendung findet, dass also in Frankreich keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlt werden müssen. Die A1-Bescheinigung muss beim jeweils zuständigen Sozialversicherungsträger für Ihren Arbeitnehmer online beantragt werden. Selbstständige können die A1-Bescheinigung über die Webseite der DVKA beantragen. Weitere Informationen zum Arbeiten in Frankreich und zur Beantragung der A1 Bescheinigung finden Sie in der Broschüre Arbeiten in Frankreich der DVKA.
Weitere Informationen: