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Praxistipps für internationale Verträge
- Gerichtsstand, Schiedsklausel und Rechtswahl: Praxistipps für die Verhandlung internationaler Verträge
- Tipp 1: Verschaffen Sie sich Klarheit über Ihre Situation
- Tipp 2: Orientieren Sie sich an Faustregeln
- Tipp 3: Denken Sie an den neuen Commercial Court in Stuttgart und Mannheim
- Tipp 4: Verwenden Sie aktuelle Musterschiedsklauseln gängiger Schiedsinstitutionen
- Tipp 5: Nutzen Sie Online-Tools
- Tipp 6: Achten Sie auf Harmonie zwischen Rechtswahl und Gerichtsstand
- Tipp 7: UN-Kaufrecht bewusst wählen oder abwählen
Gerichtsstand, Schiedsklausel und Rechtswahl:
Praxistipps für die Verhandlung internationaler Verträge
Bei Abschluss eines Vertrages stehen die Bestimmungen zu Gerichtsstand, Schiedsverfahren oder Rechtswahl naturgemäß nicht im Vordergrund. Zunächst fokussieren sich die Parteien zu Recht auf die eigentlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des abzuschließenden Geschäfts und vergessen leider häufig eine Überprüfung der gewählten Schlussbestimmungen.
So kommt es etwa dazu, dass die Parteien meinen, sie hätten die Anwendung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vereinbart, obwohl letztlich das UN-Kaufrecht auf den Vertrag anzuwenden ist. Oder es werden Klauseln aus einem alten Vertrag übernommen, die möglicherweise fehlerhaft und schlimmstenfalls unwirksam sind.
Dem ausländischen Vertragspartner wird dadurch eventuell die Möglichkeit eröffnet, den deutschen Vertragspartner vor einem staatlichen Gericht im Ausland zu verklagen, obwohl dies gerade vermieden werden sollte. Solche Überraschungen können im Streitfall erhebliche rechtliche Risiken und Kosten auslösen, die sich vermeiden lassen. Gerade in Zeiten von Pandemie, Rohstoffknappheit, Naturkatastrophen, politischen Umbrüchen und Handelsbarrieren lohnt es sich erst recht, bereits bei Vertragsabschluss an eine sinnvolle Streiterledigung und Rechtswahl zu denken.
Tipp 1: Verschaffen Sie sich Klarheit über Ihre Situation
Welche Klauseln sinnvoll sind und sich durchsetzen lassen, hängt neben der Verhandlungsmacht von verschiedenen weiteren Faktoren ab. Deutsche Gerichte genießen international einen guten Ruf und gewährleisten im Regelfall eine relativ kostengünstige, zügige und qualitativ hochwertige Streiterledigung.
Zur Überzeugung des Vertragspartners von diesen Vorteilen sind Broschüren wie „Law – Made in Germany“ (www.lawmadeingermany.de) nützlich. Schiedsverfahren bieten dagegen Vorteile, wenn es darum geht, das Urteil im außereuropäischen Ausland zu vollstrecken, (rechts-)kulturelle und sprachliche Differenzen zu überbrücken, die Neutralität der Streiterledigung und ihre Unabhängigkeit von den Heimatgerichten der Parteien zu betonen oder die Streitigkeit und die zugrunde liegende Geschäftsbeziehung möglichst vertraulich zu halten.
Verglichen mit deutschen Gerichten sind Schiedsverfahren allerdings deutlich teurer und vor allem für hohe Streitwerte im Millionenbereich geeignet. Die konkreten Vertragsumstände und die eigenen Interessen sollten somit die Gestaltung der Streiterledigungsklauseln mit beeinflussen. Im Einzelfall kann auch eine vorgeschaltete Wirtschaftsmediation sinnvoll sein.
Tipp 2: Orientieren Sie sich an Faustregeln
Soweit keine besonderen Interessen im Vordergrund stehen, können Faustregeln gewisse Orientierung bieten: Je eher ein voraussichtlicher Streit auf Deutschland beschränkt und je niedriger der Streitwert ist, desto eher sollte die Zuständigkeit eines inländischen Gerichts vereinbart werden. Je eher ein Vertragsverhältnis über die Grenzen der EU hinausreicht und Bezüge zu einem fremden, unzuverlässigen oder politisch problematischen Rechtssystem aufweist, desto eher sollte ein Schiedsverfahren einer international anerkannten Schiedsinstitution und die Anwendung eines anerkannten materiellen Rechts in Betracht gezogen werden.
Tipp 3: Denken Sie an den neuen Commercial Court in Stuttgart und Mannheim
Insbesondere für Unternehmen in Baden-Württemberg bietet der neue sogenannte Commercial Court eine attraktive Möglichkeit, verschiedene Vorteile internationaler Schiedsverfahren mit den Stärken des deutschen Justizsystems zu verbinden. Der Commercial Court besteht aus speziellen Kammern an den Landgerichten Stuttgart und Mannheim, die seit November 2020 tätig sind. Die Kammern sind mit wirtschaftsrechtlich erfahrenen Richtern besetzt und versprechen eine moderne und effiziente Verfahrensführung, die teilweise in englischer Sprache erfolgen kann. Die ansprechende, mehrsprachige Internetseite des Commercial Court (www.commercial-court.de) enthält eine gute Zusammenfassung der Funktionsweise und Vorteile, die auch zur Überzeugungsbildung in einer Verhandlungssituation genutzt werden kann.
Um in den Zuständigkeitsbereich des Commercial Court zu gelangen, muss zunächst die Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart oder Mannheim begründet sein, zum Beispiel durch eine entsprechende Gerichtsstandsklausel. Außerdem muss es sich um eine Streitigkeit handeln, die nach dem jeweiligen Geschäftsverteilungsplan dem Commercial Court zugewiesen ist. Darunter fallen insbesondere Streitigkeiten aus dem Bereich des Gesellschaftsrechts, einer Unternehmenstransaktion oder einem beiderseitigen Handelsgeschäft (ab 2 Millionen Euro Streitwert). Der Commercial Court kann bei grenzüberschreitenden Transaktionen dieser Art eine attraktive Alternative zu Schiedsgerichten darstellen.
Tipp 4: Verwenden Sie aktuelle Musterschiedsklauseln gängiger Schiedsinstitutionen
Sollen Streitigkeiten aus einem Vertrag durch ein Schiedsgericht entschieden werden, ist eine wirksame Schiedsvereinbarung erforderlich, die regelmäßig in Form einer Schiedsklausel im Vertrag selbst oder in beigefügten AGB abgeschlossen wird. Fehler in solchen Klauseln führen zwar eher selten dazu, dass eine Schiedsvereinbarung tatsächlich als nichtig anzusehen ist, sie können mit der Aufhebbarkeit oder Nichtvollstreckbarkeit eines späteren Schiedsspruchs aber gravierende Folgen haben. Schiedsvereinbarungen sollten deshalb stets entsprechend der aktuellen, meist online leicht abrufbaren Musterklausel einer gängigen Schiedsinstitution formuliert sein. Für deutsche Unternehmen bieten sich die Schiedsregeln der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) oder der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) an. Eine Übersicht weiterer gängiger Schiedsinstitutionen findet sich unter www.stuttgart.ihk.de, Nr. 22406.
Tipp 5: Nutzen Sie Online-Tools
Neben aktuellen Musterklauseln für den Abschluss einer Schiedsvereinbarung enthalten die Internetseiten vieler Schiedsinstitutionen weitere hilfreiche Informationen, die die Auswahl zwischen verschiedenen Schiedsregeln erleichtern oder für die Vorbereitung eines sich abzeichnenden Schiedsverfahrens hilfreich sind. Zum Beispiel stellen die Internetseiten regelmäßig einen Online-Kostenrechner ebenso zur Verfügung wie die aktuelle Fassung der jeweiligen Schiedsregeln oder Verzeichnisse möglicher Anwälte und Schiedsrichter.
Tipp 6: Achten Sie auf Harmonie zwischen Rechtswahl und Gerichtsstand
Insbesondere bei der Vereinbarung einer Gerichtsstandsklausel, also der Zuständigkeit eines staatlichen Gerichts, sollten die Parteien darauf achten, dass ihre Rechtswahl zum gewählten Gerichtsstand passt. Staatliche Richter wenden in der Regel ihr eigenes materielles Recht an und müssen ein gegebenenfalls anzuwendendes ausländisches Recht aufwändig durch Rechtsgutachten ermitteln. Eine Vereinbarung, das materielle Recht des einen Vertragspartners anzuwenden und dafür die Zuständigkeit der Gerichte des anderen Vertragspartners vorzusehen, wäre also wenig praktikabel. Bei einer Schiedsvereinbarung stellt sich dieses Problem in der Regel nicht, da internationale Schiedsgerichte häufig aus Schiedsrichtern verschiedener Jurisdiktionen bestehen und ihre Nationalität nicht vom Schiedsort abhängig ist.
Tipp 7: UN-Kaufrecht bewusst wählen oder abwählen
Für internationale Kaufverträge bietet das UN-Kaufrecht eine interessante und flexible Alternative zu nationalem Recht, die auch für deutsche Unternehmen attraktiv sein kann. Vertragsparteien, die diese Vorteile nutzen wollen oder ihren Vertrag schlicht einem internationalen und neutralen Regime unterstellen wollen, sollten deshalb prüfen, ob ihr Vertrag in den Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts fällt, oder gegebenenfalls ein nationales Recht wählen, welches zur Anwendung des UN-Kaufrechts führt. Sollten die Vertragsparteien dagegen ausschließlich die Anwendung von nationalem Recht wünschen (etwa deutsches Recht), ist ein expliziter Ausschluss des UN-Kaufrechts dringend zu empfehlen, weil andernfalls das UN-Kaufrecht auch über das nationale Kollisionsrecht doch wieder zur Anwendung gelangen kann.
Dr. Roland Kläger, Rechtsanwalt und Schiedsrichter, Partner bei Haver & Mailänder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Stuttgart
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