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Mitarbeiterentsendung nach Schweden
Das schwedische Arbeitsmarktmodell ist speziell und prägt auch den Bereich Entsendung. Der Staat mischt sich möglichst wenig per Gesetz auf dem Arbeitsmarkt ein, sondern überlässt es den Sozialparteien, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, diesen durch Tarifverträge zu regeln. Dementsprechend sind circa 90 Prozent der Arbeitsverhältnisse in Schweden von Tarifverträgen gedeckt, obwohl es keine Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen gibt.
Deshalb und auch wegen ihrer sehr weitgehenden Streikrechte sind die Gewerkschaften in Schweden sehr mächtig.
Drei Entsendungsfälle
Nach dem schwedischen Gesetz über die Entsendung von Arbeitnehmern (1999:678) liegt eine Entsendung in drei Fällen vor:
1. Ausländischer Arbeitgeber schickt Arbeitnehmer gemäß Vertrag mit Dienstleistungsempfänger in Schweden für eigene Rechnung und unter eigener Leitung nach Schweden.
2. Ausländischer Arbeitgeber schickt Arbeitnehmer nach Schweden an Arbeitsplatz oder Unternehmen im Konzern.
3. Ausländische Zeitarbeitsfirma oder ausländischer Entleiher von ausländischer Zeitarbeitsfirma verleiht Arbeitnehmer an Unternehmen in Schweden.
2. Ausländischer Arbeitgeber schickt Arbeitnehmer nach Schweden an Arbeitsplatz oder Unternehmen im Konzern.
3. Ausländische Zeitarbeitsfirma oder ausländischer Entleiher von ausländischer Zeitarbeitsfirma verleiht Arbeitnehmer an Unternehmen in Schweden.
In allen Fällen muss es um eine vorübergehende Entsendung gehen. Seit Juni 2022 fällt auch Kabotage, das heißt der Transport von Waren oder Passagieren auf Rechnung eines ausländischen Spediteurs, unter die Entsendungsvorschriften.
Aufenthalte zu Ausbildung, Kurs- und Konferenzteilnahme, reiner Marktforschung sowie bei Reportage für einen ausländischen Arbeitgeber sind keine Entsendungen. Bei Dienstreisen kommt es auf den Zweck der Reise an: gibt es einen Dienstleistungsempfänger in Schweden (auch konzernintern), liegt eine Entsendung vor.
Die zuständige Behörde, das schwedische Zentralamt für Arbeitsumwelt (Arbetsmiljöverket), gibt keine Stellungnahmen ab, sondern rät, dass im Zweifel immer von einer Entsendung auszugehen ist. Ist ein Entsendungsfall gegeben, muss der ausländische Arbeitgeber die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des sogenannten „harten Kerns” beachten. Dies sind einzelne Bestimmungen des Urlaubsgesetzes, des Elternzeitgesetzes sowie des Gesetzes über das Verbot der Diskriminierung von in Teilzeit und befristet Beschäftigten, das Diskriminierungsgesetz, das Gesetz über die Arbeitsumwelt (= Arbeitsschutz), das Arbeitszeitgesetz und bei Arbeitnehmerüberlassung das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.
Gleicher Lohn und Bedingungen
In Schweden gibt es keine gesetzlichen, sondern nur tarifvertragliche Mindestlöhne. Die schwedischen Gewerkschaften haben bei Entsendungen das Recht, Arbeitskampfmaßnahmen gegen ausländische Arbeitgeber zum Abschluss eines schwedischen Tarifvertrags vorzunehmen, wenn die geforderten Bedingungen mit denen in einem zentralen Tarifvertrag der Branche in Schweden übereinstimmen. Dieses Recht steht ihnen sogar zu, wenn der ausländische Arbeitgeber einem ausländischen Tarifvertrag unterliegt oder die geforderten Bedingungen beachtet beziehungsweise übertrifft. Von daher ist es wichtig, dass sich entsendende Arbeitgeber an die Bedingungen des zentralen Tarifvertrags der betreffenden Branche, in die entsendet wird, halten.
In Schweden gibt es circa 670 verschiedene Tarifverträge, von denen die meisten nur auf Schwedisch sind. Sie sollen auf der Homepage der Behörde Arbetsmiljöverket veröffentlicht sein. Dies ist aber nur zu einem sehr geringen Teil geschehen. Dem Bereich Recht der Deutsch-Schwedischen Handelskammer liegen eine Reihe von Tarifverträgen vor. Die Juristen dort können hier- bei umfassend unterstützen.
Meldepflichten
Jede Entsendung ist bei der Behörde Arbetsmiljöverket spätestens ab dem ersten Tag in Schweden zu melden. Eine A1-Bescheinigung muss während des Aufenthalts in Schweden mitgeführt werden. Es ist zudem eine Kontaktperson mit Adresse in Schweden bei der Behörde zu registrieren. Die Dokumentation der Meldung muss der entsendende Arbeitgeber spätestens bei Arbeitsbeginn dem Auftraggeber in Schweden nachweisen. Der Bereich Recht der Deutsch-Schwedischen Handelskammer kann die Meldungen vornehmen und in dem Fall auch als Kontaktperson zur Verfügung stehen.
Rechtsfolgen bei Verstößen
Bußgelder bis zu 100.000 Schwedische Kronen, Schadensersatz sowie „ideeller“ Schadensersatz auch an die betroffenen Gewerkschaften sind mögliche Rechtsfolge bei Verstößen. Es besteht bei Hoch- und Tiefbauaufträgen zudem eine tarifvertragliche und seit 2019 eine gesetzliche Haftung für ausgebliebene Gehaltszahlungen von Subunternehmern.
Weiter zu beachten
Drittstaatsangehörige, die nicht der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum angehören, benötigen grundsätzlich eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis. Für bestimmte Tätigkeiten wie Elektro- und brandgefährdende Arbeiten, Gerüstbau und Arbeiten in großer Höhe bestehen besondere Pflichten. Hierzu gehören die Registrierung, die Ausbildung vor Ort, die Ausbildungsanerkennung und vieles mehr. Der Bereich Recht der Deutsch-Schwedischen Handelskammer kann beispielsweise bei den notwendigen Registrierungen für Elektroarbeiten unterstützen.
Auf vielen Baustellen sind die sogenannten ID06-Karten der schwedischen Baubranche Pflicht. Der schwedische Auftraggeber kann darüber Auskunft geben, ob diese auf der Baustelle benötigt werden. Weitere Informationen und die Möglichkeit, sich zur ID06-Karte zu registrieren, finden Sie auf der Webseite zur ID06
Rechtsanwältin Dr. Kerstin Kamp-Wigforss, LL.M., Deutsch-Schwedische Handelskammer,
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Servicecenter Recht International