4 min
Lesezeit
ICC-Incoterms
Aus den meisten internationalen Kauf- und Lieferverträgen sind die ICC-Incoterms mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Um rechtliche Risiken zu vermeiden, müssen bei ihrer Einbeziehung in den Vertrag jedoch einige Aspekte beachtet werden.
Egal ob als Käufer, Verkäufer oder Dienstleister – wer im grenzüberschreitenden Warenverkehr tätig ist, kommt zwangsläufig mit den als Incoterms bekannten Handelsklauseln der internationalen Handelskammer ICC in Berührung. Dennoch kommt es bei ihrer Verwendung in der vertraglichen Praxis häufig zu Fehlern, die im schlimmsten Fall zu hohen Kosten für die Vertragsparteien führen können.
Fallstricke bei der Einbeziehung vermeiden
Die erste Hürde bei der Verwendung von Incoterms besteht bereits in der Auswahl der richtigen Klausel. Diese muss sowohl zum Vertrag als auch zu den Vertragsparteien passen. Ein häufiger Fehler ist zum Beispiel die Vereinbarung der Abholklausel „ab Werk“ (EXW) bei Käufern, die außerhalb des EU-Binnenmarkts ansässig sind. Bei EXW obliegt es dem Käufer, die notwendigen Ein- und Ausfuhrformalitäten durchzuführen. Nach dem EU-Zollkodex kann die Ausfuhrgenehmigung jedoch nur von dem im Binnenmarkt ansässigen Verkäufer beantragt werden. Derartige Widersprüche können in der Praxis schnell zu Verzögerungen und mithin zu hohen Kosten für die Vertragsparteien führen.
Ebenfalls wichtig ist die korrekte Einbeziehung der Klausel in den Vertrag. So muss abhängig vom Incoterm der Liefer- beziehungsweise Bestimmungsort der Ware genannt werden. Hier ist auf die vollständige und möglichst genaue Bezeichnung des Ortes zu achten. Denn ansonsten ist unklar, von wo oder wohin die Ware zu liefern ist. Ebenso sollte stets die verwendete Version der Incoterms angegeben werden, da der Regelungsgehalt mancher Klauseln der Incoterms 2020 von denen der Vorgängerversionen abweicht. Um die Auswahl der richtigen Klausel und ihre Einbeziehung zu erleichtern, bietet die ICC auf ihrer Webseite verschiedene Hilfsmittel wie Checklisten, Regelwerke und einen digitalen Guide an.
Harmonisierung von Kauf- und Ausführungsverträgen
Die Incoterms regeln nur die kaufvertraglichen Pflichten der Geschäftspartner, das heißt, wer die Ware zu versenden, zu versichern, zu verpacken, und zu verzollen hat. Um diese Pflichten zu erfüllen, müssen jedoch weitere Verträge mit den Dienstleistern abgeschlossen werden, die den Transport, die Versicherung, die Verpackung und die Verzollung der Ware tatsächlich vornehmen („Ausführungsverträge“). Dabei ist es wichtig, dass die Ausführungsverträge mit dem verwendeten Incoterm im Kaufvertrag harmonieren. Kommt es hier zu Abweichungen, kann es zum Beispiel passieren, dass die Ware auf der Rampe liegen bleibt, weil weder den Verkäufer noch den Transporteur die Pflicht zur Beladung des abfahrbereiten LKWs trifft.
Auch ist es riskant, die Verwendung bestimmter Incoterms als bloße Frage der verhandelten Kostentragung zu betrachten. Denn dadurch verliert man schnell die Abstimmung mit den Regelungen der Ausführungsverträge aus dem Blick. Gleichzeitig kann dies zu einer erheblichen Verschiebung des vertraglichen Risikos führen. So wird die mit dem Wechsel des Incoterm möglicherweise einhergehende Übernahme der Transportgefahr die eingesparten Transportkosten wirtschaftlich oft überwiegen.
Auch sollte man stets bei seiner Versicherung ausloten, ob die aktuelle Vertragssituation noch von den bestehenden Policen abgedeckt wird.
Auch sollte man stets bei seiner Versicherung ausloten, ob die aktuelle Vertragssituation noch von den bestehenden Policen abgedeckt wird.
Augenmaß bewahren bei Abänderungen und Ergänzungen
Wie jede andere Klausel können auch die Incoterms grundsätzlich von den Vertragsparteien abbedungen und an die Umstände des vorliegenden Vertrags angepasst werden. So kann die Problematik bei der Verwendung der Klausel EXW bei Käufern außerhalb des EU- Binnenmarkts dadurch behoben werden, dass der Verkäufer sich zur Abwicklung der Ausfuhrformalitäten verpflichtet. Allerdings sollte nur im Ausnahmefall von den Standard-Incoterms abgewichen werden. Mit ihrer Abänderung verlieren die Klauseln nämlich einen ihrer wichtigsten Vorteile: ihren über verschiedene Kultur- und Rechtskreise hinaus verständlichen Regelungsgehalt. Auch besteht das Risiko, dass die verwendete Klausel plötzlich nicht mehr zu dem vorliegenden Geschäft passt. Daher sollte man zuerst prüfen, ob nicht auch die Verwendung eines anderen Incoterm in Betracht kommt. Um rechtliche Fallstricke durch eine abgeänderte Klausel zu vermeiden, sollte auch die Beratung durch einen Spezialisten in Betracht gezogen werden.
Das „Battle of Forms“ und wie man damit umgeht
Die meisten Verträge im internationalen Handel werden nicht im Detail ausverhandelt, sondern durch Angebot, Bestellung und Auftragsbestätigung unter Verwendung der Incoterms und der AGB der Vertragspartner geschlossen. Da diese oft nicht deckungsgleich sind, stellt sich dann die Frage, wessen Bedingungen Vertragsinhalt geworden sind (sogenannte „Battle of Forms“). Das ist insbesondere im internationalen Geschäft problematisch, weil verschiedene Rechtsordnungen hier unterschiedliche Lösungen verfolgen. Während kollidierende Bedingungen nach deutschem Recht unwirksam sind, gelten nach anderen Rechtsordnungen nur die Bedingungen, auf die zuletzt Bezug genommen wurde.
Um die mit dieser unklaren Rechtslage verbundenen Probleme und Risiken zu vermeiden, sollten sich die Parteien ausdrücklich auf die Verwendung eines bestimmten Incoterm einigen und diesen nach den Regeln der ICC im Vertrag benennen. Gegebenenfalls kann auch der ausdrückliche Hinweis auf die Geltung der Auslegungsregeln der ICC erfolgen, wenn deren Anwendung im Land des Vertragspartners zweifelhaft ist.
Tim Hagemann, IHK Region Stuttgart;
Robert Kuss, Fachanwalt für internationales Wirtschafts- und Transportrecht, KUSS Rechtsanwälte GmbH
Robert Kuss, Fachanwalt für internationales Wirtschafts- und Transportrecht, KUSS Rechtsanwälte GmbH
Kontakt
Tim Hagemann